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Büchernachlese | Kurzhinweise 2016


Neben den denen des aktuellen Erscheinungsjahrs können auch noch siehe Links oben insgesamt 591 Kurzhinweise zu den Jahren 2003 bis 2023 (und davon jene zum hier angezeigten Jahr) abgerufen werden:

Sortiert nach Genre und dem Alphabet der Autorennamen führen die verlinkten Genrebezeichnungen zum jeweils ersten Kurzhinweis. Die Signatur U.K. steht jeweils für Ulrich Karger.
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  • Belletristik: Karen Duve, Alexandra Kui, Thomas Raab, Robert Williams
  • Krimis / Thriller: Paolo Bacigalupi, Linwood Barclay, Giles Blunt, Thomas Bogenberger, Michael Connelly (2x), Andreas Föhr, V.M. Giambanco, Karine Giebel, Jürgen Heimbach, Jutta Maria Herrmann, Antonia Hodgson, Marc Kayser, Sven Koch, Christian Klier & Tessa Korber, Anna Karolina Larsson, Bernard Minier, Susanne Mischke, Steve Mosby, Robert B. Parker, Thomas Raab, Chris Tvedt, Don Winslow
  • SF / Fantasy / Mystery: Joseph Fink & Jeffrey Cranor, William Gibson, Kevin Hearne (2), Markus Heitz, Christopher Husberg, Ken Liu, Michael J. Sullivan, Ariel S. Winter



  • Belletristik

    2031 herrschen Staatsfeminismus, Hitzewellen, Wirbelstürme und eine Endzeitstimmung, die der menschlichen Existenz höchstens noch weitere zehn Jahre einräumt. Doch ein Großteil der Bürger gibt sich davon unberührt und kümmert sich entweder nur scheinheilig oder gar nicht um die Umwelt. Der große Renner ist die Verjüngungspille Ephebo, die, je nach Dosis, selbst 80-jährige wieder zu 20-jährigen mutieren lässt - allerdings verbunden mit einem hohen Krebsrisiko. Doch wenn die Welt eh bald zum Teufel geht …
    Mit Macht legt Karen Duve nach ihrem Essay "Warum die Sache schief geht" einen darauf gründenden Thesenroman vor, d.h. laut Wikipedia also einen Roman, dessen "Inhalt von einer ideologischen, wissenschaftlichen oder religiösen These bestimmt ist" und dessen Protagonisten eine untergeordnete Rolle spielen bzw. lediglich dazu dienen, "bestimmte philosophische oder politische Ideen zu illustrieren."
    Da nützt es auch nichts, wenn die Autorin am Ende des Buches "der Redlichkeit halber" darauf hinweist, dass es von "Fremdeinflüssen und mehr oder weniger stark veränderten Zitaten nur so wimmelt." Das hätte Brecht auch schreiben können, doch seine "geistigen Übernahmen" erbrachten halt dann in der Summe einen weit beachtlicheren literarischen Mehrwert als Duves Kolportagen.
    So könnte Manches, wie die Szenen eines 50. Klassentreffens Ephebo verjüngter Mitschüler, durchaus als witzig durchgehen, aber in dem eintönig zynisch schwarz-weißen und deshalb belanglosem Gesamtkontext, der u.a. auch den Haupthelden zum tragikomischen Helden färben und den Männern als "typische" Identifikationsfigur andrehen will, wiewohl er seine Ehefrau seit Jahren gefangen und wie eine Sklavin hält, evoziert das keine neue Einsichten, sondern lediglich ein Lachen unter Niveau. Wie in ihrem vorangegangenen Essay meint es die Autorin offenbar bierernst mit ihrer alsbald wahr werdenden Weltuntergangsprognose - aber wenn schon kein Ephebo, dann will sie wenigstens noch mal ganz vegan mit Wurst nach der Speckseite werfen und einen Bestseller mit links gestrickten Verkürzungen auf Pegida-Niveau einheimsen.
    Ganz davon abgesehen, dass 2031 ja schon in 15 Jahren wäre und etwas wie Ephebo wohl einen längeren Vorlauf benötigte, wird hier ein dann für den Plot wichtiges, immer noch existierendes telefonisches Festnetz vermutet, wiewohl dessen Abschaffung schon längst Thema ist.
    Und auch sonst kommt hier zwar kein Gott, aber immer wieder deus ex machina ins Spiel, der u.a. die mit tödlicher Dosis an Betäubungsmitteln ruhig gestellte, gefesselte und mit einer der letzten Plastiktüten über dem Kopf und am Hals verklebte Ehefrau noch Minuten später vom Tode errettet und schon kurz danach in nahezu alter Frische wiederauferstehen lässt.
    Das ist einfach nur noch Quark!
    Ob Literatur heutzutage noch viel bewegen kann, mag man zu Recht bezweifeln. Aber sie hat bereits weit beeindruckendere Dystopien hervorgebracht, die zumindest kurzfristig zu schockieren und im aufklärerischen Sinn zur Umkehr zu bewegen - und auf alle Fälle, weil in sich und in der vorgehaltenen Realsatire stimmiger, besser zu unterhalten vermögen! U.K.
    (Karen Duve: Macht. Roman. Galiani Berlin Verlag, Köln 2016. 416 Seiten. 21,99 Euro. ISBN: 978-3-86971-008-2)
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    Nachdem zwischen Lua und David ein Streit eskaliert ist und sich aus dem Jagdgewehr in Luas Händen ein Schuss gelöst hat, musste sie wegen Totschlags für viele Jahre ins Gefängnis. Und dies nach einem reinen Indizienprozess, denn die Leiche von David war spurlos verschwunden. Nach ihrer Entlassung versucht Lua einen Neuanfang als Kassiererin in einer Kleinstadt nahe dem Harz - nicht zuletzt auch, um dem Tatort und den damit verbundenen Erinnerungen nahe zu sein …
    Rabenseele von Alexandra Kui ist ein Roman, der ein Psychokrimi sein könnte, wenn seine Heldin Lua nicht so eingeschränkt im Denken, die Abläufe und die Rollenverteilung der Protagonisten nicht so vorhersehbar wären. Vor 30, 40 Jahren hätte der Roman mit seiner Täter-Opfersicht auf Lua und die von Klischees triefende Männer-Umwelt noch zum Ausleuchten feministischer Thesen dienen mögen, heute wirkt das nur noch sehr einschichtig. Damit das Ende dann doch nicht völlig dem Vorhersehbaren entspricht, bemüht die Autorin einige Zufälle, die noch weniger zu überzeugen vermögen. Das Treffendste an diesem insgesamt in jeder Hinsicht deprimierenden Leseerlebnis sind noch die beiden, das Ganze einrahmenden, lyrischen Betrachtungen, die einem für die Handlung wichtigen Gewässer in die Wellen gelegt werden: Schickt die Verlorenen zu uns. Sie werden sich finden. U.K.
    (Alexandra Kui: Rabenseele. Roman. Bloomsbury Berlin Verlag, Berlin 2016. 208 Seiten. 12,99 Euro. ISBN: 978-3-8270-1218-0
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    Kaum auf der Welt, schreit Karl Heidemann als Säugling in einem fort und lässt sich nicht beruhigen. Erst als seine Mutter ihn vor lauter Verzweiflung in der Badewanne untertaucht, ist er still, und als sie ihn ebenso verzweifelt wieder herausnimmt, bleibt er still. Vorerst. Sie und der Vater des Kindes wissen nun aber, dass Karl einfach zuviel hört und die Summe all des Gehörten nicht erträgt. Stille ist und bleibt für Karl lange Zeit das einzig Erstrebenswerte auf der Welt. Und als Kind und Jugendlicher scheint ihm konsequenterweise der Tod das beste Geschenk, das er andern zu geben vermag. Zuerst seiner Mutter, dann auch anderen. Doch dann lernt er Marie kennen und sein Verhältnis zu Tod und Stille verändert sich - sein Töten erfolgt nun unter anderen Vorzeichen …
    Mit Still - Chronik eines Mörders hat der bereits durch seine Kriminalromane um den Restaurator Willibald Adrian Metzger bekannt gewordene Thomas Raab einen Bestseller vorgelegt, der nun auch als Taschenbuch erschienen ist. Die bereits in anderen Rezensionen gezogenen Vergleiche dieses Werkes mit Schlafes Bruder und Das Parfum sind mehr nachvollziehbar, da abgesehen von der Zeit der Handlung ab der Geburt Karl Heidemanns Ende 1982 der parabelhafte Sprachduktus und das Durchdeklinieren eines mit einem hypersensiblen Sinn geschlagenen Menschen in einer stumpfen Gesellschaft auch qualitativ den beiden Romanvorgängern nicht nur ähnelt, sondern mit ihnen gleichzieht. In jeder Hinsicht spannungsgeladen, steht das Literarische hier weit mehr im Vordergrund als die "nur" auf Spannung bedachte Genreliteratur mit ihren bekannten Versatzstücken.
    Wer sich also nicht scheut, in eine literarische Welt eintauchen, in der Moralkonzepte völlig auf den Kopf gestellt werden und dennoch ohne Kitsch in einem friedlichen Finale münden, wird mit dem Buch bestens bedient sein. U.K.
    (Thomas Raab: Still - Chronik eines Mörders. Droemer Verlag, München 2016. 358 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-426-30511-9)
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    Der Bleasdale Forest bei Abbeystead im Norden Englands zieht aus sehr unterschiedlichen Gründen ganz unterschiedliche Menschen an. Der leitende Bankangestellte Thomas entdeckt hier zum ersten Mal eine Stelle, bei der sein "Schreikind" Harriet ohne weitere Umstände ein- und durchschläft, der riesige Raymond findet hier zu Ausgeglichenheit und Ruhe als unterbezahlter Landwirtschaftsgehilfe und der allzu kleingeratene Keith mit anderen Kumpeln eine gute Gelegenheit für eine Geiselnahme …
    Robert Williams legt mit Tief in den Wald hinein einen Roman vor, der einen Wald zum geheimnisvollen Rückzugsort macht, für den Einiges aufzugeben aber auch Einiges zu gewinnen ist. Die Handlung spielt nicht von ungefähr in den Zeiten der 1980er und 1990er, als die Menschheit u.a. noch ohne Smartphone auskommen musste.
    Wiewohl einige Elemente aus Mystery und Krimi zum Tragen kommen, gewinnt der Roman vor allem aus der Entwicklung seiner Figuren an Spannung, auch wenn sie zuweilen nur eng typisiert sind. Somit insgesamt eher Parabel als Roman, birgt das Buch durchaus Einiges an Unterhaltung der anderen Art. U.K.
    (Robert Williams: Tief in den Wald hinein. Roman. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Berlin Verlag, Berlin 2016. 300 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-8333-1047-8)
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    Krimis / Thriller

    Der US-amerikanische Südwesten wird von heftigen Sandstürmen heimgesucht, was neben einer nie abklingenden Hitze auch zu Existenz bedrohender Wasserknappheit führt. Ganze Millionenstädte verelenden, aber auch jetzt gibt es noch Profiteure, die dank Korruption und immens krimineller Energie Geld und Macht aus den Kämpfen um die letzten Wasserreserven gewinnen. Angel Velasquez gehört zu einem Spezialeinsatzkommando der Wasserbehörde von Nevada, das die Reservoirs des Bundesstaates verteidigt und notfalls auch mit illegalen Methoden erweitert. Als das Gerücht aufkommt, dass in Phoenix eine neue Wasserquelle aufgetaucht ist, wird er dort hingeschickt, um zu ermitteln und sich am Ende im Fadenkreuz seiner eigenen Leute zu sehen …
    Paolo Bacigalupi hat mit Water - Der Kampf beginnt eine Dystopie vorgelegt, deren Grundannahme von Wasserknappheit angesichts der längst noch nicht abgewendet erscheinenden Klimakatastrophe und den bereits jetzt alle Gesellschaft herausfordernden Flüchtlingsströmen von großer Brisanz ist.
    Doch der Autor verhandelt in seinem vom Verlag als "Thriller" eingeordneten Werk nicht ein globales Problem, sondern vor allem ein allein auf die USA bezogenes SF-Actiondrama mit den üblichen Versatzstücken eines unverwüstlichen Helden, der trotz aller blutrünstiger Widerstände einfach seinen Job macht und nach seiner alsbaldigen Verfilmung schreit. Wer's mag … U.K.
    (Paolo Bacigalupi: Water - Der Kampf beginnt. Thriller. Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Müller. Blessing Verlag, München 2016. 464 Seiten. 19,99 Euro. ISBN: 978-3-89667-530-9)
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    Der nach dem Tod seiner Frau alleinerziehende Reporter David Harwood hat erneutes Pech - erst kündigt er in Boston, um für seinen Sohn mehr Zeit zu haben und näher bei seinen Eltern zu sein -, dann macht die Zeitung in Promise Falls dicht. Überhaupt scheint die Kleinstadt an der US-Ostküste kaum noch Perspektiven zu haben. Das heißt aber nicht, dass nichts los wäre: So behauptet seine Kusine Marla, ein Engel hätte ihr ein fremdes Baby gegeben. Doch die blutige Spur an Marlas Tür verweist ans andere Ende der Stadt und dort auf einen brutalen Mord an einer Frau. Und das ist keineswegs das einzige Verbrechen in Promise Falls …
    Linwood Barclay hat mit Lügennest - Promise Falls I den ersten Roman einer Thriller-Trilogie vorgelegt.
    Aus der Ich-Perspektive David Harwoods tut sich in Promise Falls ein Abgrund nach dem anderen auf. Der Autor versteht es, mit seinen weiteren eingeführten Charakteren die hinter der Fassade gehaltenen Geheimnisse einer Kleinstadt nachzuzeichnen und erinnert dabei nicht wenig an die besten (früheren!) Romane von Stephen King. Spannend bis zur letzten Seite heißt es anschließend geduldig zu warten, bis die beiden Folgebände erscheinen … U.K.
    (Linwood Barclay: Lügennest - Promise Falls I. Thriller. Aus dem Englischen von Silvia Visintini. Knauer Verlag, München 2016. 503 Seiten. 12,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51868-7)
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    Das Autokino von Promise Falls lädt zur allerletzten Vorstellung ein. Doch kurz bevor der Film beginnt, kippt die schwere Leinwandkonstruktion auf die Zuschauer, von denen vier in der ersten Autoreihe das nicht überleben. Unter den Opfern ist auch Adam Chalmer, in dessen Haus am nächsten Tag eingebrochen wird. Seine Tochter sucht deshalb den Privatermittler Cal auf - der entdeckt ein der Tochter bis dahin unbekanntes Zimmer mit einem riesigen Bett und dass daraus offenbar eine Menge DVDs gestohlen wurden, die Adam mit seiner letzten Ehefrau und anderen Personen im einvernehmlichen Sex zeigten. Aber das ist noch einer der kleineren Abgründe, die sich in Promise Falls wieder auftun …
    Mit Lügennest - Promise Falls II von Linwood Barclay liegt nun auch der zweite Roman der Thriller-Trilogie vor. Einige Handlungsträger sind bereits bekannt, andere kommen hinzu. Zudem wird nun auch unübersehbar, dass bei einigen schrecklichen Ereignissen die Zahl 23 von großer Bedeutung ist.
    Bleibt hier nur noch anzumerken, dass der dritte Band im April 2017 vorliegen soll - den Termin geduldig abzuwarten, fällt allerdings schwer … U.K.
    (Linwood Barclay: Lügennest - Promise Falls II. Thriller. Aus dem Englischen von Silvia Visintini. Knauer Verlag, München 2016. 497 Seiten. 12,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51869-4)
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    In einer kalten kanadischen Winternacht werden die Detectives John Cardinal und Lise Delorme zu einem Parkplatz eines Motels in Algonquin Bay gerufen. Dort liegt eine Männerleiche mit einem Stiefelabdruck an der Kehle. Kurz darauf wird, die Frau eines Politikers aus Ottawa erfroren und in einem verlassenen Hotel im Wald angekettet aufgefunden. Es dauert eine Weile, bis zwischen beiden Toten eine Verbindung hergestellt werden kann. Cardinals und Delormes Ermittlungen führen zu einem Verbrechen während einer Polarexpedition, das seit Jahrzehnten ungesühnt ist …
    Ewiges Eis von Giles Blunt ist der sechste Band der John Cardinal-Reihe und wurde ausgezeichnet als bester kanadischer Kriminalroman - zu Recht!
    Cardinals und Delormes Ermittlungen, die durch interne Auseinandersetzungen mit einem sich als Chef aufspielenden Kollegen gestört werden, werden wie immer handwerklich sauber durchdekliniert. Allesamt auf ihre Art überzeugende Charaktere, dazu ein großartiger Plot, dessen Spannung nicht zuletzt auch durch eine parallel laufende Nebenhandlung immer weiter angezogen wird, kann man nur hoffen, dass es nicht wieder vier Jahre dauert, bis ein neuer Band dieser Thriller-Reihe vorliegt. U.K.
    (Giles Blunt: Ewiges Eis. Thriller. Aus dem Englischen von Charlotte Breuer und Norbert Möllemann. Knaur Verlag, München 2016. 444 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51403-0)
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    Einen Tag, nachdem in Hattingers direkter Nachbarschaft ein Ehedrama tödlich endete, wird im Chiemsee eine Wasserleiche entdeckt. Und kaum ist Hattinger mit seinem Team dabei, die Identität des Opfers zu klären, wird eine weitere Leiche vor dem in der Nähe des Sees liegenden Anwesens eines Kunsthistorikers entdeckt, der selber wiederum bereits seit einiger Zeit nicht mehr gesehen wurde. Wie mit seiner Tochter Lena abgesprochen, einen neuen Herd zu kaufen und sich ein wenig mehr um sie zu kümmern, daran ist gar nicht mehr zu denken. Mit fatalen Folgen, denn sie kümmert sich dann stattdessen um den aus Eritrea geflohenen Senai, auf den es eine Horde jugendlich-rassistischer Dumpfbacken abgesehen haben …
    Thomas Bogenberger hat mit Hattinger und die Schatten seinen 3. Band um den Kommissar Hattinger vorgelegt und darin einmal mehr einen spannungsreichen Plot fesselnd zu entfalten gewusst. Dabei ist er nicht nur mit der Schlagzahl seiner Mordopfer, sondern auch mit dem Aufgreifen von geschichtlichen Bezügen, wie der von Nazis geraubten "Beutekunst", dem gegenwärtig bestenfalls ungeschickt zu nennenden Treiben des Verfassungsschutzes samt seiner V-Leute unter Neo-Nazis sowie der sehr aktuellen Situation von u.a. aus Afrika nach Bayern gekommenen Flüchtlingen das Risiko einer Überfrachtung eingegangen. Nicht zuletzt dank seiner überzeugenden Perspektivwechsel, die einem neben Hattinger und seinem sich gut verstehenden Team u.a. auch den Haupttäter durch kleine Details "vor Augen führen", werden all die Bezüge aber eben nicht wie die Überschriften einer Metadiskussion abgehandelt, sondern sehr konkret und nachvollziehbar geerdet - was dann auch nicht nur nicht den Fluss der vordergründigen Krimihandlung stört, sondern ihn, derart bereichert, umso plausibler macht. Darauf der I-Punkt ist wie bei den beiden Vorgängerromanen der auch für Preißn verständliche bayerische Grundton, der das Ganze auf sehr eigene Weise mit Lebensphilosophien, Wortwitz und Situationskomik unterfüttert.
    Auf die Verfilmung auch dieses Romans darf sich ebenfalls schon gefreut werden. Bleibt nur zu hoffen, dass spätestens in zwei Jahren der vierte Hattinger-Roman erscheint ... U.K.
    (Thomas Bogenberger: Hattinger und die Schatten. Kriminalroman. Pendragon Verlag, Bielefeld 2016. 388 Seiten. 15,00 Euro. ISBN: 978-3-86532-551-8)
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    Vor Jahren hatte Mickey Haller das Callgirl Gloria Dayton erfolgreich vor Gericht verteidigt, indem er eine Anklage gegen sie wegen Kokainschmuggels nach Preisgabe ihrer Hintermänner abwehren konnte. Eigentlich hätte sie seither ihm Rahmen eines Zeugenschutzes auf Hawaii sein sollen, doch nun ist sie tot in Los Angeles aufgefunden worden und ihr "Online-Administrator" wird des Mordes beschuldigt. Der Mann beteuert seine Unschuld, und Haller glaubt ihm immer mehr, je mehr er postum immer neue Seiten nicht nur an Gloria Dayton entdecken muss …
    Michael Connelly legt mit Götter der Schuld nach etwas zähflüssigem Beginn einmal mehr einen fesselnden Gerichtsthriller der Extraklasse vor.
    Auch hier wird das Unwägbare und z.T. auch sehr irrational wirkende US-Gerichtssystem vor Augen geführt, dass ein Streben nach "Gerechtigkeit" offenbar nur noch in Anführungszeichen setzt und dafür das "Recht bekommen" zum beinharten Wettkampf mit "geschickt" eingesetzten Mitteln macht. Connellys sympathische und zuweilen auch durchaus mit Selbstzweifeln geplagte Figur des Mickey Haller ist im Gegensatz zu seinem Halbbruder Harry Bosch, der hier auch einen kleinen Gastauftritt hat, nicht nur gewitzt, sondern auch teamfähig. Beste Voraussetzungen, nicht nur neue Erkenntnisse, sondern auch einen Prozess zu gewinnen. U.K.
    (Michael Connelly: Götter der Schuld. Thriller. Aus dem Amerikanischen von Sepp Leeb. Droemer Verlag, München 2016. 509 Seiten. 19,99 Euro. ISBN: 978-3-426-28121-5)
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    Der mexikanische Mariachi-Musikers Orlando Mercer wird bei einem Live-Auftritt von einer Pistolenkugel an der Wirbelsäule schwer verletzt. Seinerzeit vermutete man darin den Irrläufer einer sich beschießenden Drogenbande. Zehn Jahre später stirbt Orlando Mercer an einer durch die Kugel bedingten Blutvergiftung, und damit wird das Ganze zu einem nicht verjährten Mord, den Harry Bosch und seine Partnerin Lucia Soto vom Los Angeles Police Department aufklären sollen. Nach all den Jahren sehr schwierig, noch dazu weil Lucia ihre Aufmerksamkeit am liebsten auf einen ganz anderen, sie sehr persönlichen Fall lenken würde …
    Michael Connelly legt mit Scharfschuss erneut einen durchgängig lesenswerten Harry-Bosch-Roman vor.
    Seit Bosch in der Abteilung für alte ungeklärte Fälle auf die Rente hinarbeitet und sich zugleich noch um seine erst 17-jährige Tochter kümmern muss, geht er weniger brachial, dafür um einiges gewitzter vor. Was ihn aber dennoch nicht vor Suspendierung schützt. Das wiederum kommt den Bürokraten des LAPD sehr gelegen, denen die Zuwendungen für eigentlich schon ausgemusterte Beamte innerhalb des DROP-Programms längst zu teuer erscheinen. Überhaupt sind im Rahmen der in seiner Abteilung oft jahre- und jahrzehnte zurückliegenden Fälle Boschs Schilderungen gesellschaftlicher Veränderungen mindestens so spannend (und verstörend) wie die Kriminalfälle selbst - gerade wenn nun auch vermehrt hierzulande rechtspopulistische Entwicklungen, "Lügenpresse"-Geschrei und Demokratiefeindlichkeit zu erleben sind. Für die USA entdeckt Bosch im Rückblick bereits in den 1970ern und 1980ern erste Vorboten davon.
    Der Mord an Orlando Mercer führt in die Abgründe weiterer Verbrechen, die auch höchste Kreise betreffen und Boschs Gerechtigkeitssinn aufs Schärfste herausfordern. Und was ist schon eine Entlassung, wenn ein Fall wenigstens halbwegs zu seiner Zufriedenheit gelöst ist?
    Spannend und unterhaltsam bis zur letzten Seite - auch wenn es nach dem Finale kaum noch möglich scheint, bleibt die Hoffnung auf mehr davon! U.K. (Michael Connelly: Scharfschuss. Thriller. Aus dem Amerikanischen von Sepp Leeb. Droemer Verlag, München 2016. 461 Seiten. 22,99 Euro. ISBN: 978-3-426-28143-7)
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    In München wird eine ermordete Studentin aufgefunden, deren abgetrennte Hände an ihren Kopf genagelt sind. Als Mörder wird sehr schnell ein Obdachloser ausgemacht, von dem an der Toten DNA-Anhaftungen nachzuweisen sind. Als Mitinhaberin einer angesehenen Münchner Kanzlei übernimmt Rachel Eisenberg "blind" dessen Verteidigung - erst nur, weil sie sich von dem Fall etwas Medienpräsenz verspricht, dann aber lernt sie den Obdachlosen als einen kennen, mit dem sie in ihrer Studentenzeit einige Zeit liiert und der später Professor der Quantenphysik war …
    Nachdem seine Kriminalromane um Kommissar Wallner und seinen subversiven Kollegen Kreuthner nach sechs Bänden offenbar auserzählt sind, legt Andreas Föhr mit Eisenberg den ersten Band seiner neuen Krimireihe vor, die abgesehen von ihrer erneuten Verortung in Oberbayern gänzlich neue Wege geht. Und das gar nicht mal schlecht.
    Dr. Rachel Eisenberg ist gut situiert und kann sich als alleinerziehende Mutter einer 13-jährigen Pupertistin durchaus Unterstützung leisten - und diese dann auch ohne schlechtes Gewissen in Anspruch nehmen. Notfalls auch in Form ihres Ex-Mannes, der nach wie vor als Anwalt für Wirtschaftsrecht Teilhaber ihrer gemeinsamen Kanzlei ist. Ihren Wohlstand hat sie sich hart erarbeitet und weiß ihn zu genießen, ohne dabei skrupellos zu sein. Als Anwältin kennt sie die Haken und Ösen, denen man auszuweichen hat, um vor Gericht und seinen nicht selten allzumenschlich auftretenden Protagonisten samt Richtern und Staatsanwälten erfolgreich zu sein. Das schlägt zuweilen auch einige situationskomische Funken.
    Der Plot um den Mord der Studentin und den verdächtigen Obdachlosen wird geschickt und zusätzliche Spannung erzeugend von einem zweiten Erzählfaden um eine aus Syrien geflüchtete Frau bis zum voltenreichen Finale getragen. Die Syrerin gerät mit ihrem Kind an zwei Streifenpolizisten in Grenznähe zu Österreich, deren kriminelle Energie allerdings weit weniger komisch, nichtsdestotrotz ebenso glaubhaft auserzählt ist, wie die von Kreuthner.
    Insgesamt also ein durchaus unterhaltsamer Krimi mit Potential, der neugierig auf weitere Folgen und die Entwicklung der Kanzlei Eisenberg macht. U.K.
    (Andreas Föhr: Eisenberg. Kriminalroman. Knaur Verlag, München 2016. 509 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-426-65396-8)
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    In Seattle wird eine ganze Familie grausam ermordet. Im Türrahmen hat der Täter als einzige Spur "13 Tage" eingeritzt. Und wenig später finden sich weitere Opfer. Detective Alice Madison, die ganz am Anfang ihrer Karriere steht, muss sich zuletzt Hilfe holen bei einem so skrupellosen wie erfolgreichen Strafverteidiger und seinem wichtigsten Mandanten und Freund aus Kindheitstagen, dem die Polizei zahlreiche Morde zur Last legt, aber noch keinen einzigen nachweisen konnte …
    Das Thrillerdebüt 13 Tage von V.M. Giambanco liegt nach der großformatigeren Broschurausgabe von 2014 nun in einer preiswerteren Taschenbuchausgabe vor.
    Die plastisch in Szene gesetzte Brutalität des Täters, die zuweilen an Hannibal Lecter gemahnt, wird wettgemacht durch einen doppelbödigen Plot und ein trotz einiger Genre immanenter Stilisierungen facettenreiches Figurenensemble, bei dem Detective Alice Madison im Zentrum steht.
    Erfreulich die Ankündigung, dass sie noch in den Übersetzungen weiterer Bänden eine Rolle spielen soll. U.K.
    (V.M. Giambanco: 13 Tage. Thriller. Aus dem Englischen von Elke Link. Knaur Verlag, München 2016. 576 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51595-2)
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    Hauptkommissar Benoît Lorand gilt in seinem Beruf als durchsetzungsfähig und erfolgreich, daneben liebt er seine Frau und sein Kind - und auch immer wieder mal ein Abenteuer mit anderen Frauen. Und jetzt erwacht er in einem Kellerverlies, nur um nun immer wieder von einer Frau gequält und gedemütigt zu werden. Doch schlimmer als alle Schmerzen ist die Ungewissheit, warum er sich überhaupt in dieser Situation befindet. Die Frau sagt, er müsse selber draufkommen. Lorand kann nur hoffen, dass seine Kollegen ihn bald finden …
    Der Psychothriller Du wirst nicht wissen warum von Karine Giebel hat einen durchaus spannenden Plot, der allerdings von einer wenig überzeugenden Hauptperson getragen wird. Benoît Lorand wirkt wie ein Macho à la Jean Paul Belmondo, doch ohne dessen Charme, so dass über lange Strecken mehr Ärger über seine Dummheit als Mitgefühl für seine Lage aufkommt. Auch die Motive seiner Entführerin haben zwar eine gewisse Plausibilität, die lange Vorlaufzeit für ihr Vorgehen ist aber wenig glaubhaft. In den 1980ern hätte das wohl noch unter feministischen Vorzeichen für Diskussionsstoff sorgen können, jetzt aber ist es nur noch abgeschmackt. Immerhin ziehen die letzten 50 Seiten dann merklich an und das Ende hat es in sich. U.K.
    (Karine Giebel: Du wirst nicht wissen warum. Psychothriller. Aus dem Französischem von Eliane Hagedorn u. Bettina Runge. Berlin Verlag, Berlin 2016. 300 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-8333-1000-3)
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    Nach seiner Heirat mit Dorle scheint Hauptkommissar Paul Koch endlich ruhiger zu werden. Doch dann werden im April 1950 alle alten Wunden wieder aufgerissen und ihm neue hinzugefügt. Es beginnt mit dem neuen Fall des ausgeraubten und ermordeten Albert Roth. Alle bis auf Koch sind sich angesichts der Indizienlage einig, dass er von einem einquartierten Flüchtling umgebracht wurde. Aber Koch lässt sich nicht von der Hetze gegen die Flüchtlinge anstecken und ermittelt weiter. Dann passiert das Unfassbare: Dorle wird ermordet. Erst wird Koch als "befangen" von dem Fall abgezogen, wenig später gerät er selbst unter Verdacht und muss untertauchen …
    Jürgen Heimbach hat mit Offene Wunden den dritten Roman um den in Mainz ermittelnden Kommissar Paul Koch vorgelegt. Sein zuweilen penetrant moralinsauer angelegter Koch ist das Gegenüber jener Grauzonen, die sich in der jungen Demokratie zu Anfang der 1950er auftun. Neben den Globkes in der Adenauerregierung ist es konkret die nun in Absicht stehende Begründung eines Bundeskriminalamts, bei der für Koch nicht nachvollziehbare Differenzierungen getroffen werden sollen, wenn hierfür ebenfalls auf alte NS-Kader zurückgegriffen und zugleich womöglich ein überwunden geglaubtes System sich neu einnisten könnte. Doch Heimbach hat Koch zugunsten seines ehemaligen Assistenten Siggi und mit der Einführung anderer Charaktere etwas mehr in den Hintergrund gerückt, was den zuvor allzu platten Schlagabtausch verhindern und die Qualität des Romans insgesamt erheblich steigern hilft. So ergibt sich eine gute Balance zwischen Kochs privaten Ermittlungen während seiner Flucht und den parallel dazu laufenden Ermittlungen der Kollegen.
    Fazit: Ein spannender historischer Krimi, der ein Eintauchen in den detaillierten und offenbar sehr gut recherchierten Alltag von Polizei, Verbrechern und ihren Opfern jener Zeit spiegelt - und zudem einen unübersehbaren Akzent zu den aktuellen Flüchtlingsfragen setzt. Weiter so! U.K.
    (Jürgen Heimbach: Offene Wunden. Roman. Pendragon Verlag, Bielefeld 2016. 696 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-86532-526-6)
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    Als der Journalist Jakob Auerbach von einer Dienstreise aus Vietnam zurückkehrt, findet er eine leergeräumte Wohnung und an einer Fensterscheibe die Botschaft "Schuld bist du!" vor. Darüber hinaus fehlt von seiner Frau und der kleinen Tochter jede Spur …
    Schuld bist du von Jutta Maria Herrmann ist ein Psychothriller, der sich in Aufbau und Sprache wohltuend von dem Genre-Einheitsbrei abhebt - und einen bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt!
    Im Wechsel mit Auerbachs verzweifelter Suche nach Frau und Tochter, bei der er durch obskure Telefonanrufe und SMS-Mitteilungen immer mehr in die Irre geführt und seiner selbst immer unsicherer wird, erzählt eine Frau am Krankenbett einem Komapatienten ihre Geschichte. Schon bald wird klar, dass beides eng miteinander zusammenhängt - aber wie, löst sich erst im voltenreichen Finale auf.
    Nichts für Herzkranke, macht einen dieser erst zweite Roman der Autorin sehr neugierig auf Weiteres von ihr. U.K.
    (Jutta Maria Herrmann: Schuld bist du. Psychothriller. Knaur Verlag, München 2016. 349 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51851-9)
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    1728 wird Tom Hawkins auf einem offenen Karren zum Galgen nach Tyburn gebracht. Er ist unschuldig, aber die Menge am Straßenrand beschimpft ihn als Mörder. Nur einige Wochen nachdem er dem Schuldgefängnis "The Marshalsea" entronnen war, platzte er in Anwesenheit des gefährlichsten Kriminellen Londons damit heraus, dass er nach wie vor auf Abenteuer aus sei. Damit beschwor er sein Schicksal genauso, wie er niemals der Mätresse von King George Hilfe hätte anbieten dürfen und der so scharfsinnigen wie berechnenden Queen Caroline trauen sollen. Sie versprach ihm für sein Schweigen einen königlichen Straferlass - doch letztlich schweigt niemand besser als ein Toter ...
    Der Galgenvogel von Antonia Hodgson firmiert als "historischer Thriller" und schließt direkt an ihr äußerst erfolgreiches und empfehlenswertes Debüt Das Teufelsloch an. Erneut fundiert recherchiert, überzeugt auch dieser Roman durch seine mitreißenden Charaktere - bis auf Tom Hawkins, der hier nach seinen Erfahrungen zuvor eher absichtsvoll als plausibel eine Dummheit nach der anderen begeht. Trotzdem verfängt auch hier immerhin sein Charme und nicht zuletzt die glaubhafte Darstellung der schon damals beinhart auf den eigenen Vorteil bedachten Politik seiner Kontrahenten. Und natürlich auch die spannende Frage, ob er seiner mehr als aussichtslosen Situation einmal mehr zu entkommen vermag.
    Wiewohl als Zweitwerk nicht ganz so stark wie das Debüt, kann es dennoch als Schmöker mit einigem Unterhaltungswert empfohlen werden. U.K.
    (Antonia Hodgson: Der Galgenvogel. Historischer Thriller. Aus dem Englischen von Katharina Volk und Sonja Rebernik-Heidegger. Knaur Verlag, München 2016. 460 Seiten. 19,99 Euro. ISBN: 978-3-426-65346-3)
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    In Kühlungsborn rast einer mit seinem Motorrad über die Seebrücke und gilt seither als verschollen. 25 Jahre später wählt jemand die Notrufnummer der Polizei und behauptet, der Verschollene zu sein und drei Menschen umgebracht zu haben. David Lux, ein pensionierter Polizeireporter, der nach wie vor mit Hauptkommissar Karl Delgado befreundet ist, sieht hier die Chance, sich mal wieder mit einer Veröffentlichung hervortun zu können. Doch der Anrufer hat alles von langer Hand geplant, darunter auch die Ermordung von Lux und Delgado ...
    Marc Kayser legt mit Schwarzer Falter einen Ostseekrimi vor, der trotz spannungsgeladener Thematik verärgert.
    Die Hauptfigur ist ein Transsexueller, dem als Jugendlichen die Wahrnehmung seiner eigentlichen Persönlichkeit als Mann und entsprechende körperliche Anpassungen verwehrt wurden. Nach Ansicht des Autors Grund genug zum Psychopathen zu werden, der sich 25 Jahre Vorbereitungszeit für einen akribisch ausgetüftelten Plan nimmt, um nun alle, die ihn und seine Wünsche missachteten, auf grausame Weise umzubringen. Der Dank des Autors an alle Transsexuellen, die ihn unterstützt und mit Details versorgt haben, klingt da am Ende des Romans wie der reine Hohn.
    Hinzu kommen neben der fehlenden Glaubwürdigkeit und Plausibilität des Plots auch noch Schwächen in seiner Entfaltung. Nahezu alles geschieht mit Ansage, ohne jeden Sinn für die Entwicklung von "Suspense" geschweige denn Subtilität. Und die Charaktere, bis auf eine Randfigur allesamt keine Sympathieträger, bleiben plakative, mit entsprechenden Adjektiven eng geführte Schablonen ihrer selbst, denen man auch nach der letzten kleinen Volte nicht hinterhertrauert. Als Rezensent muss man da zuweilen durch, aber nur um Andere vor einer Lebenszeitverschwendung mit dieser Lektüre zu warnen ... U.K.
    (Marc Kayser: Schwarzer Falter - Tatort: Weststrand. Ostseekrimi. Hinstorff Verlag, Rostock 2016. 317 Seiten. 12,99 Euro. ISBN: 978-3-356-02012-0)
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    Die SOK um Femke Folkmer und Tjark Wolf hat es diesmal mit dem gleich mehrfach tödlichen Ausgang eines missglückten "Truck Robberys" zu tun, die wiederum mit einigen Morden an Polizisten in Verbindung zu bringen sind und auf Abgründe aus Korruption und Verrat verweist. Am Ende kommt es zu einem fesselnden Showdown auf dem überfrorenen Wattenmeer, der Tjark mit seiner Meeresphobie wieder an seine Grenzen stoßen lässt …
    Sven Koch hat nach Dünengrab, Dünentod und Dünenkiller nun mit Dünenfeuer den vierten Band um (s)ein ostfriesisches Ermittlerquartett vorgelegt. Da sich hier auch gleich mehrere Nebenhandlungen aus den Vorläuferbänden schließen, könnte es der letzte dieser Serie sein - was aber sehr schade wäre!
    Eingebunden in die Nordsee-Region, ohne jedoch übertrieben mit den regionalen Klischees hausieren zu gehen, stimmt auch hier wieder einfach alles: überzeugende Charaktere, ein von der ersten Seite an fesselnder Plot bis zum voltenreichen Finale, fühlt man sich bis zum Ende bestens unterhalten. U.K.
    (Sven Koch: Dünenfeuer. Kriminalroman. Knaur TB-Verlag, München 2016. 397 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51857-1)
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    Auf einer Baustelle in Erfurt wird das Skelett eines Kindes ausgegraben. Sein Todeszeitpunkt lag vor 25 Jahren und es ist offenbar brutal ermordet worden. Für Kommissarin Katja Schlichthorn kommen drei in jener Zeit vermisste Jungen als Opfer in Frage, zugleich beschäftigt sie der Mord an einem ehemaligen Heimleiter von Kindern, die politisch Verfolgten entzogen worden sind. Bei ihren Ermittlungen trifft Katja auch auf ihren Vater, der von den Eltern eines verschwundenen Heimkindes als Privatdetektiv angeheuert wurde und zu dem sie alles andere als ein gutes Verhältnis hat ...
    Knochenjob vom Autorenduo Christian Klier und Tessa Korber bezieht seine Spannung vor allem aus den historischen Bezügen seiner Mordfälle. Was da zu DDR-Zeiten offenbar gang und gäbe war, verschlägt einem zuweilen den Atem. Doch die hier als Hauptfigur eingeführte Katja Schlichthorn überzeugt nur wenig bzw. ist in ihrer Beratungsresistenz und Borniertheit unglaubwürdig und taugt noch nicht einmal zur tragischen Figur. Insgesamt hat von den Charakteren einzig der Vater noch so etwas wie authentisches Fleisch an den Rippen.
    Fazit: Kein Muss-Krimi, aber wegen der spannungsgeladenen Historie immerhin noch lesbar … U.K.
    (Christian Klier, Tessa Korber: Knochenjob. Kriminalroman. Berlin Verlag, Berlin 2016. 287 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-8333-1030-0)
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    Amanda wurde allein deshalb Polizistin, um Rache an denjenigen zu nehmen, die für den Selbstmord ihrer Schwester verantwortlich sind. Zwei Männern ist sie bereits auf der Spur: Der Drogendealer Adnan wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen und Magnus ist ein älterer Polizeikollege, der sich ihr als Mentor und noch mehr anbietet …
    Anna Karolina Larsson legt mit Der Pavian ein fesselndes Thrillerdebüt vor, dass die Organisation eines schwedisches Bandenmilieus samt seiner Brutalität in Sachen Sexdienstleistungen und damit verbundener Korruption thematisiert.
    Besonders bemerkenswert an diesem Thriller sind seine Perspektivwechsel nach jedem Kapitel, in denen sich jeweils aus der Sicht von Amanda, Adnan und Magnus der Fortlauf der Ereignisse spiegelt und die Autorin dafür auch jeweils eine authentische Sprachregelung findet. Das zieht einen von der ersten Seite bis zum ausgeklügelten Finale in seinen Bann - und macht neugierig auf weitere Werke von ihr! U.K.
    (Anna Karolina Larsson: Der Pavian. Thriller. Aus dem Schwedischen von Max Stadler. Berlin Verlag, Berlin 2016. 558 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-8333-1017-1)
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    Es beginnt mit einem anonymen Brief, der einen Selbstmord ankündigt, doch der Radio-Moderatorin Christine Steinmeyer keine Chance lässt, helfend einzugreifen. Am nächsten Tag wird sie in ihrer Live-Sendung von einem Zuhörer für den Tod eines Menschen verantwortlich gemacht - und so geht es immer weiter fort, bis sie Alles verliert, was ihr wichtig ist. Parallel zu diesen Ereignissen erhält Kommissar Martin Servaz in seinem Sanatorium einen Hotelzimmerschlüssel zugeschickt, der zu einem Zimmer gehört, in dem sich ein Jahr zuvor eine Künstlerin auf grauenvolle Art das Leben genommen hatte. Was das soll, weiß er nicht. Er ist in Therapie und leidet unter schrecklichen Alpträumen. Und so ist es fast zu spät, bis er eine Verbindung von diesem Fall zu dem von Christine ziehen kann …
    Bernard Minier legt mit Wolfsbeute den dritten Thriller um Martin Servaz vor - der jedoch im Gegensatz zu seinen Vorgängerbänden stark abfällt. Dabei fehlt es nicht an Spannung und mehreren überraschenden Wendungen.
    Doch abgesehen von Servaz sind die Figuren nicht überzeugend - paradoxerweise gerade weil ihr Gefühlsleben so sehr aufgeladen wird. Vorbild hierfür sind offenbar jene Opern, deren CDs Christine nach jedem Übergriff bei sich findet und jedes Mal das I-Tüpfelchen für ihren Schrecken setzen sollen. Derart redundant gerät am Ende selbst das in die Irreschicken des Lesers zu plakativ. Auch die Übersetzung ist längst nicht so rund wie die vorherigen.
    Nach "Schwarzer Schmetterling" und "Kindertotenlied" also besser auf einen besseren vierten Band hoffen ... U.K.
    (Bernard Minier: Wolfsbeute. Thriller. Aus dem Französischen von Antoinette Gittinger. Droemer Verlag, München 2016. 635 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-426-30458-7)
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    Sophie kann zwar nicht lesen, hat dafür aber ganz andere Talente. Zuerst gewinnt sie ihre so neugierigen wie selbstsüchtigen Nachbarinnen mit für sie maßgeschneiderten Kleidern, aber noch faszinierender ist die offenbar gewordene Koinzidenz, von steigender Sterberate und den von Sophie mit Todeswünschen verfluchten Personen im Viertel. Das bringt so manche auf Ideen und bereitet Sophies Ehemann nicht von ungefähr allergrößtes Kopfzerbrechen …
    Die Eisheilige von Susanne Mischke, erstmals erschienen 1998 und vom ZDF verfilmt, liegt nun als TB-Neuausgabe vor.
    Dabei handelt es sich weniger um einen Krimi als um die Satire eines Kleinstadtmilieus, das zwischen Eindruck machen, Gerüchteküche und Aberglauben changiert. Über die Jahre hinweg wirkt Manches zwar ein wenig angestaubt und der Roman (ursprünglich ein Drehbuch) nicht durchgängig in sich konsistent, aber so manche Szene darin ist noch immer für ein herzhaftes Auflachen gut - und für ausreichend Spannung bis zur letzten Seite ist ebenfalls gesorgt. U.K.
    (Susanne Mischke: Die Eisheilige. Kriminalroman. Berlin Verlag, Berlin 2016. 294 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-8333-1051-5)
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    Detective Inspector Zoe Dolan und ihr Team sind auf der Jagd nach einem Stalker, der nachts lautlos in die Wohnungen von jungen Frauen eindringt, um sie immer brutaler zu misshandeln und zu vergewaltigen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er eines seiner Opfer auch tötet - und der Druck seitens der Öffentlichkeit wird immer stärker …
    Steve Mosby hat mit Nachtschatten einen äußerst fesselnden Psychothriller vorgelegt, der sich aus mehreren Perspektiven entwickelt, u.a. aus der der Kriminalbeamtin Zoe Dolan, die das Milieu von Opfer und Täter aus Kindertagen nur allzu kennt.
    Auch wenn der eigentliche Täter für die Leser relativ bald kenntlich ist, nimmt das nichts von der Spannung, denn entscheidend wird, wann und ob die Polizei noch Schlimmeres verhüten kann.
    Nichts für schwache Nerven - aber wieder ein Genre-Glanzstück dieses Autors! U.K.
    (Steve Mosby: Nachtschatten. Psychothriller. Aus dem Englischen von Ulrike Clewing. Droemer Verlag, München 2016. 411 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-426-30468-6)
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    Erst ist der Nachtfalke nur als Spanner in der Kleinstadt Paradise unterwegs, doch dann zwingt er eine Frau, sich vor ihm auszuziehen. Polizeichef Jesse Stone ahnt zwar bald, um wen es sich bei dem maskierten Nachfalken handelt, doch er kann es ihm nicht beweisen. Bevor der Triebtäter weitere Grenzen überschreitet, muss Stone ihm eine riskante Falle stellen …
    Verfolgt in Paradise ist Ein Fall für Jesse Stone von Robert B. Parker (1932-2010). Der Autor hat insgesamt neun Bände mit Jesse Stone als Helden geschrieben, die mit Tom Selleck (u. a. "Magnum") auch verfilmt wurden.
    Der vorliegende Band ist der vorletzte der Reihe und im Original erstmals 2009 vorgelegt worden. Das Aufspüren und die Verfolgung des Täters stehen hier weniger im Vordergrund als das ironisch gebrochene Sittenbild einer Kleinstadt und seinem nicht weniger selbstironischen Polizeichef, der zwar bei sich selbst relativ lang seine blinden Flecke pflegt, aber der sich, was seine Stadt angeht, nichts vormachen lässt. Das Thema (sexuelle) Selbstbestimmung ist nach wie vor aktuell und wird hier machohaft charmant, aber letztlich angemessen durchdekliniert.
    Die klaren Verhältnisse von Paradise und Jesse Stone sind den Märchen gewiss näher als der Realität, doch wohl genau deshalb dürfte dieser Roman vielen eine entspannende Lektüre bieten und sie auch die anderen Bände nachfragen lassen. U.K.
    (Robert B. Parker: Verfolgt in Paradise. Ein Fall für Jesse Stone. Roman. Aus dem Amerikanischen von Bernd Gockel. Pendragon Verlag, Bielefeld 2016. 318 Seiten. 12,99 Euro. ISBN: 978-3-86532-525-9)
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    Hansi Woplatek, der Sohn eines Fleischerei-Inhabers will zur Schande des Vaters weder Rindviecher filetieren, noch Würste stopfen, sondern Schriftsteller werden. Und noch bevor Hansi sich selber umbringt, ist er schon enterbt. Das ist die Vorgeschichte, auf die der Möbelrestaurator Willibald Adrian Metzger stößt, um alsbald festzustellen, dass es nicht nur in einer Fleischerei, sondern auch in der Literaturbranche blutig zugehen kann …
    Kurz nach dem literarischen Werk Still - Chronik eines Mörders (s.o. unter Belletristik) legt Thomas Raab mit Der Metzger einen weiteren Band seiner Krimireihe um den Möbelrestaurator Willibald Adrian Metzger vor.
    Der Rezensent kannte bislang nur das zuerst erwähnte Werk und den Willibald Adrian Metzger nur aus den durchaus ansprechenden Verfilmungen - und war von diesem Band dann doch einigermaßen enttäuscht.
    Nicht dass es an Schmäh und Feinsinnigkeiten wie auch an einigen spannenden Momenten fehlen würde, aber offenbar scheint der Autor bei diesem "Thriller" noch nicht richtig aus seinem zuvor erschienenen Werk aufgetaucht zu sein. So fehlt es nicht nur an sprachlicher Konsistenz, sondern auch der Aufbau mit seinen willkürlich und zusammenhanglos wirkenden Perspektivwechseln ist weder Fisch noch Fleisch - was den Lesefluss erheblich stört. Die Zuckerl zwischendurch waren da nur ein geringer Trost, und dürften selbst den Fans vom Metzger zuwenig sein.
    Vielleicht am besten die Verfilmung abwarten, da muss der Stoff ja noch mal überarbeitet und aufs Wesentliche verdampft werden … U.K.
    (Thomas Raab: Der Metzger. Thriller. Droemer Verlag, München 2016. 336 Seiten. Euro. ISBN: 978-3-426-28136-9)
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    Der Banküberfall war ins Kleinste geplant, scheiterte dann aber an einer Kleinigkeit, was einen der Kriminellen ausrasten und eine Kassenangestellte auf brutale Weise mit seinem Baseballschläger töten ließ. Da die Täter einer Gruppe gewalttätiger Rechtsextremisten anzugehören scheinen, verlangt der norwegische Geheimdienst schon bald, dass sich das Team um Kommissar Edvard Matre aus den Ermittlungen heraushält. Doch Matre kommt auch aus anderen Gründen nicht umhin, bei diesem Fall am Ball zu bleiben …
    Chris Tvedt setzt mit Der vierte Kreis der Hölle als 2. Band die Krimireihe um den eher wortkargen Kommissar Edvard Matre fort. Die Ermittlungen zum Banküberfall und dessen etwaige Verbindung zum Rechtsextremismus werden aber noch erweitert um eine sehr persönliche Fehde zwischen seiner früheren Kollegin Solveig und dem beim aktuellen Fall sehr eigene Wege gehenden Tommy, was am Ende ein höchst dramatisches Ende finden wird und zugleich ein verbliebenes Rätsel aus dem ersten Band auflöst. Das Gleiche gilt auch für Matres Beziehung zu seiner neuen Freundin Victoria.
    Spannend und fesselnd sowieso, sorgt auch dieser Krimi für einige Überraschungen.
    Wäre schön, wenn da noch mehr kommt … U.K.
    (Chris Tvedt: Der vierte Kreis der Hölle. Kriminalroman. Aus dem Norwegischen von Maike Dörries und Günther Frauenlob. Knaur Verlag, München 2016. 399 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51875-5)
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    Als die Frau seines besten Freundes verschwindet, nimmt Frank Decker die Suche auf und gelangt dabei vom heimatlichen Florida bis nach Deutschland, das er bereits während der verletzungsbedingten Rehabilitation nach seinem Einsatz im Irak kennengelernt hatte. Doch diesmal lernt er das Deutschland der Rotlichtbezirke, des Mädchenhandels und der Drogen kennen und muss so manches Mal AUCH um sein eigenes Leben kämpfen …
    Don Winslow (siehe u.a. auch Pacific Private) hat mit Germany den zweiten Krimi um den Ermittler Frank Decker vorgelegt, der als Irakveteran und "hardboiled detective" nur ein Ziel vor Augen hat - nämlich vermisste Personen wieder zu finden. Aus der Ich-Perspektive erzählt, entwickelt das erneut von der ersten Seite an einen actionreichen Sog - auch wenn Manches dann doch ziemlich vorhersehbar ist und längst nicht an andere Winslow-Veröffentlichungen heranreicht.
    Nichtsdestotrotz: In den USA offenbar nicht veröffentlicht, ist die Übersetzung weit besser als die des ersten Bandes der Krimireihe. Und als Schmöker für zwischendurch, in dem dank eines unverwüstlich schmerzunempfindlichen Helden im letzten Drittel sogar in heimischen Städten das Gute trotz Überzahl des Bösen siegt, bietet das Genre gemäß passable Unterhaltung. U.K.
    (Don Winslow: Germany. Roman. Aus dem Amerikanischen von Conny Lösch. Droemer Verlag, München 2016. 379 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-426-30430-3)
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    SF / Fantasy /Mystery

    Jackie Fierro betreibt schon lange das örtliche Pfandhaus in Night Vale. Warum, weiß sie nicht, und dass sie trotz der langen Zeit immer noch erst 19 Jahre zählt, wundert sie auch nicht wirklich. Doch eines Tages verpfändet ein Fremder einen Zettel, auf dem in Bleistift die zwei Worte 'King City' geschrieben stehen. Kaum ist er in Richtung Wüste verschwunden, erinnert sich niemand an ihn - aber Jackie kann das Papier buchstäblich nicht mehr aus der Hand legen. Denn egal ob sie es wegwirft oder verbrennt, klebt es alsbald wieder an ihrer Hand. Schließlich zieht sie zusammen mit der alleinerziehenden Mutter eines jugendlichen Gestaltwandlers los, um dem Rätsel von 'King City' auf die Spur zu kommen. Ihr Weg führt die beiden in die Bibliothek von Night Vale, die allerdings noch kaum jemand wieder lebend verlassen hat ...
    Joseph Fink und Jeffrey Cranor haben in Willkommen in Night Vale eine gleichnamige, laut Patrick Rothfuss "eine der weltbesten" Podcast-Serien zu einem Roman verarbeitet.
    Night Vale wird darin als Städtchen in der Wüste, irgendwo in der Weite des amerikanischen Südwestens eingeführt. Geister, Engel, Aliens oder ein Haus, das nachdenkt, gehören hier zum Alltag. Doch wer nun eine lineare und in sich schlüssige Geschichte erwartet, wird enttäuscht. Stattdessen wird hier Mut zum Experiment gezeigt, das vor allem auf metaphorischer Ebene für absurde Konstellationen sorgt. So wird das Unstete eines pubertierenden Jugendlichen nicht einfach interpretiert, sondern der Jugendliche verändert je nach Stimmungslage seine Gestalt - das erzeugt zuweilen durchaus komische Wirkung, wobei angesichts des Erfolges im angelsächsischen Raum stark zu vermuten ist, dass das Original und insbesondere die Podcasts vorneweg noch über einige Subtextebenen verfügen, die in einer Übersetzung nicht nachzuvollziehen sind.
    Doch nach 150 Seiten hatte der Rezensent von dem letztlich dann doch immer gleichen Witz genug und blätterte ans Ende, ob sich da irgendein Höhepunkt oder ein Schluss abzeichnet. Scheint so zu sein, aber daraufhin auch den Rest nachzulesen, fehlte dann ihm der Anreiz.
    Wer hingegen auch ohne treibenden Plot auskommt bzw. nichts dagegen hat, wenn eine Kurzgeschichte auf 378 gestreckt wird und in der Hauptsache Vergnügen an absurden, weil nicht weiterführenden Dialogen à la Beckett hat oder wie es Denis Scheck formulierte, an der "poetischen Kraft des Absurden, die sich in Sätzen von herzzerreißender Wahrheit und Klarheit äußert", dem sei das Buch gern empfohlen. U.K.
    (Joseph Fink, Jeffrey Cranor: Willkommen in Night Vale. Roman. Aus dem Englischen von Wieland Freund und Andrea Wandel. Hobbit Presse / Klett-Cotta Verlag, 2016. 378 Seiten. 19,95 Euro. ISBN: 978-3-608-96137-9)
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    An der amerikanischen Ostküste jobbt Flynne in einem 3D-Kopierladen und springt eines Tages für ihren Bruder Burton ein, der um seine Invalidenrente aufzubessern, heimlich Computerspiele testet. Doch das Computerspiel erweist sich als Zugang in ein London der Zukunft, in der die Menschheit erheblich dezimiert wurde. In diesem London wird eine Kundin des PR-Manns Wilf ermordet und Flynn zur einzigen Zeugin. Wilf nimmt mithilfe eines Peripherals Kontakt zu ihr auf …
    William Gibson legt mit Peripherie einen Sci-Fi-Thriller vor, der auch von der hiesigen Presse bereits hochgelobt wurde.
    Doch wer die hier ins Denglish übersetzte Computer-Game-Sprache und die Bedeutung ihrer Symbole nicht beherrscht, ist da schnell außen vor. So können auch die eigentlich interessanten, in die Zukunft weisenden Sprachschöpfungen des Autors nach 100-seitigem Bemühen nur sehr bedingt nachvollzogen werden. Aber andere können dies offenbar besser, und sie seien an dieser Stelle gern ebenfalls auf diesen Roman aufmerksam gemacht. U.K.
    (William Gibson: Peripherie. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Cornelia Holfelder-von der Tann. Tropen c/o Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2016. 616 Seiten. Euro. ISBN: 978-3-608-50124-7)
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    Nachdem der Druide Atticus - siehe Bd.1 Die Hetzjagd - mit seinen 2100 Lebensjahren in Notwehr eine hohe keltische Gottheit getötet hat, wollen ihn plötzlich überraschend viele mythische Wesen als Killer für so manch andere Gottheit oder eines der zahlreichen Ungeheuer anwerben.
    Diesmal muss Atticus der Navajo-Trickser-Gottheit Coyote eine Gegenleistung für seinen eigenen Schein-Tod erbringen, damit er der Rache des germanischen Rest-Götterhimmels entgehen und endlich in Ruhe die Ausbildung von Granuaile zur Druidin fortsetzen kann. Doch in Coyote hat er einen nur unzuverlässigen, sehr auf seine eigenen Interessen bedachten Verbündeten und selbst beste Freunde wie den Vampir Leif muss Atticus abschreiben. So bleiben ihm nur Granuaile und sein Hund Oberon, um trotz solcher, eigentlich unüberwindlicher Feinde wie Hel und die von ihr aufgestachelten Skinwalker wenigstens noch eine Weile zu überleben …
    Kevin Hearne legt mit Getrickst den vierten Band seiner "Chronik des eisernen Druiden" vor. Auch dieser Band lebt von einem anarchischen Dialogwitz, der in seiner wilden Mischung alter Mythen und ihrer göttlichen Protagonisten diesmal die der amerikanischen Ureinwohner keineswegs nur von ihrer besten Seite zeigt. Und am Ende kann man nur hoffen, dass es noch ein weitere Fortsetzung mit Atticus gibt … U.K.
    (Kevin Hearne: Die Chronik des eisernen Druiden 4 - Getrickst. SF-Roman. Aus dem Englischen von Friedrich Mader. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2016. 384 Seiten. 16,95 Euro. ISBN: 978-3-608-96134-8)
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    Und mit Erwischt wird von Kevin Hearne dieses Jahr auch noch der fünfte Band seiner "Chronik des eisernen Druiden" vorgelegt.
    Es war klar, dass Atticus seine Tarnung als Totgeglaubter nicht allzu lange aufrechterhalten kann - doch dass gerade jetzt der römische Gott Bacchus Rache an ihm zu nehmen müssen glaubt, kommt höchst ungelegen. Denn nach zwölf Jahren geheimer Druidenausbildung ist es endlich soweit, und seine Auszubildende Granuaile soll an Gaia bzw. die Erde gebunden werden. Nur so kann sie die magischen Fertigkeiten eines Druiden erlangen und damit deren Anzahl verdoppeln. Doch irgendwer all seiner zahlreichen Feinde hat für diese Bindung auf der ganzen Erde nur noch den Fuß des Olymps übrig gelassen. Und prompt stört dort immer wieder einer - keineswegs nur Bacchus - das notwendige, sich über drei Monate hinziehende Ritual …
    Nach wie vor von einem herrlich anarchischen Dialogwitz gekennzeichnet, dessen bester Stichwortgeber neben Atticus und Granuaile sein Wolfshund Oberon ist, geht es in dieser wilden Mischung alter Mythen und ihrer göttlichen Protagonisten wieder drunter und drüber. Und soviel sei schon verraten: Auch diesmal überleben die drei wider Erwarten - aber wie immer hat das seinen Preis, der im nächsten Band zu zahlen ist. Wobei sich der konkret erst in einem dem eigentlichen Buch angehängten Kurzroman abzeichnet, der während des sechsten Ausbildungsjahres von Granuaile spielt. So oder so ist aber nun sicher, dass es noch ein weitere Fortsetzung mit Atticus gibt - geben muss!! U.K.
    (Kevin Hearne: Die Chronik des eisernen Druiden 5 - Erwischt. SF-Roman. Aus dem Amerikanischen von Friedrich Mader. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2016. 384 Seiten. 16,95 Euro. ISBN: 978-3-608-96135-5)
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    Liothan ist ein leibhaftiges Paradoxon - als dreister Halunke sind seine größten Gegner die Ordnungshüter, aber dennoch verbindet ihn seit Kindheitstagen eine tiefe Freundschaft mit Tomeija, die als eine der besten und kampfstärksten Ordnungshüterinnen der Baronie Walfor gilt. Als beide wegen seines Einbruchs bei einem Hexer in eine andere Welt verzaubert werden, gelangen sie in die Stadt Wédora, in der zu überleben alles andere als ein Kinderspiel ist. Doch beide erlangen hier unverhoffte Gaben und Begabungen, die sie für viele in dieser Handelsmetropole interessant machen - was ihre Überlebenschancen aber nicht unbedingt erhöht …
    Markus Heitz hat mit Wédora - Staub und Blut hoffentlich den Start einer Fantasy-Reihe gelegt. Denn dieser Band erzählt zwar eine in sich abgeschlossene Geschichte, kann aber neben den beiden Helden noch eine Vielzahl weiterer ansprechender Charaktere und Wesen wie Sandmenschen und unterschätzte Reitechsen ins Feld führen, die zusammen mit der ausgeklügelt inszenierten Wédora-Metropole noch eine Menge Potential für weitere Geschichten um Macht, Intrigen, Kämpfe jedweder Art inkl. Zauberei und natürlich auch die Liebe haben.
    Das liest sich so gut weg, dass man so wie der Autor auch selbst die logischerweise erst eingeführte Sprachbarriere in einer fremden Welt beinah wieder vergisst - denn ausnahmslos alle, auf die Liothan und Tomeija treffen, sprechen in Wédora dann unlogischerweise problemlos ihre Sprache. Aber vielleicht findet ja Heitz dafür im Nachfolgeband noch eine einleuchtende Erklärung - schön wär's! U.K.
    (Markus Heitz: Wédora - Staub und Blut. SF-Fantasy. Knaur Verlag, München 2016. 608 Seiten. 16,99 Euro. ISBN: 978-3-426-65403-3)
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    Nachdem Noth von Fischern schwerverletzt aus dem Golf von Nahl gezogen wurde, kann er sich an nichts mehr erinnern - doch wenn irgendetwas zu tun war, weiß er gleich, wie es geht. Und als er am Tag seiner Hochzeit mit dem Tiellan-Mädchen Winter um ihrer beider Leben kämpfen muss, tötet er ein Dutzend Bewaffneter - und bekommt Angst vor seinen eigenen Fähigkeiten. Um seiner Vergangenheit auf die Spur zu kommen, verlässt er Winter. Doch Winter macht sich auf die Suche nach ihm. Und als sie sich wiederfinden, geraten sie in eine Verschwörung, die die ihnen bekannte Welt in den Abgrund zu stürzen droht …
    Mit Frostflamme - Die Chroniken der Sphaera eröffnet Christopher Husberg eine viel versprechende High-Fantasy-Reihe.
    Menschen, von diesen verachtete, an Elfen gemahnende Tiellan und auch Vampire bevölkern diese Welt. Einige seiner Bewohner verfügen über magische Fähigkeiten, meist allerdings nur mit Hilfe der süchtig machenden Droge "Frostflamme". Zudem werden die weltlichen Regenten von der Priesterschaft der Göttin Canta dominiert und den Glauben nicht achtende auch von deren Inquisitoren verfolgt. Die Charaktere sind überzeugend, darunter auch eine Jahrhunderte alte Vampirin namens Astrid, die mit viel Selbstironie und Dialogwitz ausgestattet ist.
    Wie Alles zusammenhängt, vordergründig wie auch im Verborgenen, ist das eigentliche Thema des ersten Bandes, der natürlich auch Liebe und Eifersucht nicht ausspart. Am Ende bleiben natürlich noch einige Fragen offen und so wartet man gespannt auf den Folgeband. U.K.
    (Christopher Husberg: Frostflamme - Die Chroniken der Sphaera. SF-Roman. Aus dem Amerikanischen von Kerstin Fricke. Knaur Verlag, München 2016. 701 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51920-2)
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    Der Bauernsohn Kuni Garu und der einer einst sehr angesehenen Adelfamilie entstammende Mata Zyndu könnten unterschiedlicher nicht sein und werden dennoch zu freundschaftlich verbundenen Waffenbrüdern in einer Rebellion gegen die tyrannische Herrschaft des Kaisers. Doch am Ende kann nur einer von beiden den Thron von Dara besteigen - und das hat einen hohen Preis ...
    Ken Liu hat mit Seidenkrieger - Die Schwerter von Dara den ersten Band einer Romantrilogie vorgelegt, die im besten Sinne als ein Werk der "High-Fantasy" zu klassifizieren ist.
    In diesem Epos, das auf Elementen der chinesischen Mythologie basiert, wirken Götter ähnlich eifersüchtig wie in den griechischen Sagen auf das Schicksal der Menschen ein, und Fabelwesen zu Wasser wie auch in der Luft lassen sich (manchmal) von den Menschen für ihre Zwecke einspannen. Doch im Vordergrund steht das Mit- und Gegeneinander der Menschen, die bis zur Sitzhaltung Alles in Rituale fassen.
    Die Entwicklungsgeschichte der beiden Helden Kuni Garu und Mata Zyndu spiegelt zugleich sehr fesselnd das Auf und Ab politischer Beziehungen - nichts ist gewiss, Alles kann sich jederzeit ändern, aus Feinden können Freunde, aus Freunde (wieder) Feinde werden. Und das wird eben nicht nur an den beiden, sondern auch am Alltag der Bevölkerung sichtbar - und damit bekommt dieser Fantasy-Roman eine durchaus sehr aktuelle Note, scheint unsere global-vernetzte Welt doch ebenfalls vor Umbrüchen zu stehen, die noch vor wenigen Jahren undenkbar schienen und ebenfalls weniger dem Verstand als sinistren Ritualen folgen …
    Neugierig machend auf die Folgebände, ist die in sich abgeschlossene Geschichte des ersten Bandes bereits ein so ungewöhnlicher wie fesselnder Farbtupfer in diesem Genre, den man sich nicht entgehen lassen sollte. U.K.
    (Ken Liu: Seidenkrieger - Die Schwerter von Dara. Roman. Aus dem Amerikanischen von Katharina Naumann. Knaur Verlag, München 2016. 734 Seiten. 19,99 Euro. ISBN: 978-3-426-65399-9)
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    Beim traditionellen Winterfest will Saldur, der Regent des Neuen Imperiums, endlich die Ernte seiner Intrigen einholen. Um Arista und Gaunt vor Saldurs angedrohter Hinrichtung zu retten, soll Hadrian am großen Turnier von Aquesta teilnehmen und einen von ihm sehr geschätzten Ritter töten. Royce hingegen jagt Merrick Marius, seinen zum größten Feind gewordenen einst ältesten Freund. Und dies vor der buchstäblichen Krönung des Festes, wenn die Imperatorin Modina Saldur heiraten und ihm damit das Tor zur eigenen Herrschaft öffnen muss …
    Das Fest von Aquesta setzt nach Der Thron von Melengar, Der Turm von Avempartha, Der Aufstieg Nyphrons und An Bord der Smaragdsturm als fünfter und vorletzter Band die Riyria-Reihe von Michael J. Sullivan fort. Der Autor zieht noch einmal die Spannungsschrauben an und zwingt seine Helden wieder in eigentlich völlig aussichtslose Situationen. Doch diesmal bringt er, kurz vor einer alles entscheidenden Wende, einem von ihnen einen schrecklichen unwiderbringlichen Verlust bei …
    So sehr man nun erst recht die Fortsetzung herbeisehnt, trauert man schon jetzt um das damit erreichte Ende dieses mit Brutalität, Edelmut und sehr viel schwarzem Humor ausgezeichnete Fantasy-Epos. U.K.
    (Michael J. Sullivan: Das Fest von Aquesta - Riyria 5. SF-Roman. Aus dem Englischen von Wolfram Ströle. Klett Cotta Verlag, Stuttgart 2016. 379 Seiten. 16,95 Euro. ISBN: 978-3-608-96016-7)
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    P.S.: Die wieder ausführlichere Besprechung zu Die verborgene Stadt Percepliquis als 6. und letztem Band der Riyria-Reihe von Michael J. Sullivan ist zusammen mit allen anderen Kurzhinweisen zu den Bänden 2-5 der Rezension zum 1. Band Der Thron von Melengar angefügt worden.
    Sehr, sehr empfehlenswert! U.K.

    Nachdem sich der Android Mr. Sapien als ausgewiesener Menschenliebhaber ausgegrenzt sieht, zieht er sich in ein einsames Strandhaus an der englischen Küste zurück, um dort auf dringend benötigte Ersatzteile zu warten. Trotz eines Suizidversuchs, hängt er eigentlich am Leben. In dieser widersprüchlichen Stimmungslage lernt er direkt und mittelbar durch den Hauscomputer Dean die Asimovs-3000 kennen, eine rätselhafte Patchwork-Androidenfamilie, die mit einem Menschen leben …
    In Mr. Sapien träumt vom Menschsein von Ariel S. Winter wird die Sicht auf Menschen und ihre Zukunft auf den Kopf gestellt. Während die Menschen nur noch Randfiguren sind, spielt sich unter den Androiden eine Tragödie ab, die angesichts ihrer Selbstwahrnehmung und Wahrnehmung der anderen mit der Frage "Wozu leben wir?" für durchaus bedenkenswerte Verstörung sorgt. U.K.
    (Ariel S. Winter: Mr. Sapien träumt vom Menschsein. SF-Roman. Aus dem Amerikanischen von Oliver Plaschka. Knaur Verlag, München 2016. 234 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51932-5)
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