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Büchernachlese | Kurzhinweise 2016 Neben denen des aktuellen Erscheinungsjahrs können auch noch siehe Links oben insgesamt 632 Kurzhinweise zu den Jahren 2003 bis 2024 abgerufen werden: Sortiert nach Genre und dem Alphabet der Autorennamen führen die verlinkten Genrebezeichnungen zum jeweils ersten Kurzhinweis. (Nachfolgend mit >>> Amazon gekennzeichnete Links sind sogenannte Affiliate Links. Kommt über einen solchen Link ein Einkauf zustande, wird die Büchernachlese mit einer kleinen Provision beteiligt. Für Sie/Dich entstehen dabei keine Mehrkosten. Das Wo, Wann und Wie eines Produkterwerbs bleibt natürlich Ihnen/Dir überlassen.) |
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Belletristik
![]() Mit Macht legt Karen Duve nach ihrem Essay "Warum die Sache schief geht" einen darauf gründenden Thesenroman vor, d.h. laut Wikipedia also einen Roman, dessen "Inhalt von einer ideologischen, wissenschaftlichen oder religiösen These bestimmt ist" und dessen Protagonisten eine untergeordnete Rolle spielen bzw. lediglich dazu dienen, "bestimmte philosophische oder politische Ideen zu illustrieren." Da nützt es auch nichts, wenn die Autorin am Ende des Buches "der Redlichkeit halber" darauf hinweist, dass es von "Fremdeinflüssen und mehr oder weniger stark veränderten Zitaten nur so wimmelt." Das hätte Brecht auch schreiben können, doch seine "geistigen Übernahmen" erbrachten halt dann in der Summe einen weit beachtlicheren literarischen Mehrwert als Duves Kolportagen. So könnte Manches, wie die Szenen eines 50. Klassentreffens Ephebo verjüngter Mitschüler, durchaus als witzig durchgehen, aber in dem eintönig zynisch schwarz-weißen und deshalb belanglosem Gesamtkontext, der u.a. auch den Haupthelden zum tragikomischen Helden färben und den Männern als "typische" Identifikationsfigur andrehen will, wiewohl er seine Ehefrau seit Jahren gefangen und wie eine Sklavin hält, evoziert das keine neue Einsichten, sondern lediglich ein Lachen unter Niveau. Wie in ihrem vorangegangenen Essay meint es die Autorin offenbar bierernst mit ihrer alsbald wahr werdenden Weltuntergangsprognose - aber wenn schon kein Ephebo, dann will sie wenigstens noch mal ganz vegan mit Wurst nach der Speckseite werfen und einen Bestseller mit links gestrickten Verkürzungen auf Pegida-Niveau einheimsen. Ganz davon abgesehen, dass 2031 ja schon in 15 Jahren wäre und etwas wie Ephebo wohl einen längeren Vorlauf benötigte, wird hier ein dann für den Plot wichtiges, immer noch existierendes telefonisches Festnetz vermutet, wiewohl dessen Abschaffung schon längst Thema ist. Und auch sonst kommt hier zwar kein Gott, aber immer wieder deus ex machina ins Spiel, der u.a. die mit tödlicher Dosis an Betäubungsmitteln ruhig gestellte, gefesselte und mit einer der letzten Plastiktüten über dem Kopf und am Hals verklebte Ehefrau noch Minuten später vom Tode errettet und schon kurz danach in nahezu alter Frische wiederauferstehen lässt. Das ist einfach nur noch Quark! Ob Literatur heutzutage noch viel bewegen kann, mag man zu Recht bezweifeln. Aber sie hat bereits weit beeindruckendere Dystopien hervorgebracht, die zumindest kurzfristig zu schockieren und im aufklärerischen Sinn zur Umkehr zu bewegen - und auf alle Fälle, weil in sich und in der vorgehaltenen Realsatire stimmiger, besser zu unterhalten vermögen! Ulrich Karger (Karen Duve: Macht. Roman. Galiani Berlin Verlag, Köln 2016. 416 Seiten. 21,99 Euro. ISBN: 978-3-86971-008-2) >>> Amazon ![]() Rabenseele von Alexandra Kui ist ein Roman, der ein Psychokrimi sein könnte, wenn seine Heldin Lua nicht so eingeschränkt im Denken, die Abläufe und die Rollenverteilung der Protagonisten nicht so vorhersehbar wären. Vor 30, 40 Jahren hätte der Roman mit seiner Täter-Opfersicht auf Lua und die von Klischees triefende Männer-Umwelt noch zum Ausleuchten feministischer Thesen dienen mögen, heute wirkt das nur noch sehr einschichtig. Damit das Ende dann doch nicht völlig dem Vorhersehbaren entspricht, bemüht die Autorin einige Zufälle, die noch weniger zu überzeugen vermögen. Das Treffendste an diesem insgesamt in jeder Hinsicht deprimierenden Leseerlebnis sind noch die beiden, das Ganze einrahmenden, lyrischen Betrachtungen, die einem für die Handlung wichtigen Gewässer in die Wellen gelegt werden: Schickt die Verlorenen zu uns. Sie werden sich finden. Ulrich Karger (Alexandra Kui: Rabenseele. Roman. Bloomsbury Berlin Verlag, Berlin 2016. 208 Seiten. 12,99 Euro. ISBN: 978-3-8270-1218-0 >>> Amazon ![]() Mit Still - Chronik eines Mörders hat der bereits durch seine Kriminalromane um den Restaurator Willibald Adrian Metzger bekannt gewordene Thomas Raab einen Bestseller vorgelegt, der nun auch als Taschenbuch erschienen ist. Die bereits in anderen Rezensionen gezogenen Vergleiche dieses Werkes mit Schlafes Bruder und Das Parfum sind mehr nachvollziehbar, da abgesehen von der Zeit der Handlung ab der Geburt Karl Heidemanns Ende 1982 der parabelhafte Sprachduktus und das Durchdeklinieren eines mit einem hypersensiblen Sinn geschlagenen Menschen in einer stumpfen Gesellschaft auch qualitativ den beiden Romanvorgängern nicht nur ähnelt, sondern mit ihnen gleichzieht. In jeder Hinsicht spannungsgeladen, steht das Literarische hier weit mehr im Vordergrund als die "nur" auf Spannung bedachte Genreliteratur mit ihren bekannten Versatzstücken. Wer sich also nicht scheut, in eine literarische Welt eintauchen, in der Moralkonzepte völlig auf den Kopf gestellt werden und dennoch ohne Kitsch in einem friedlichen Finale münden, wird mit dem Buch bestens bedient sein. Ulrich Karger (Thomas Raab: Still - Chronik eines Mörders. Droemer Verlag, München 2016. 358 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-426-30511-9) >>> Amazon ![]() Robert Williams legt mit Tief in den Wald hinein einen Roman vor, der einen Wald zum geheimnisvollen Rückzugsort macht, für den Einiges aufzugeben aber auch Einiges zu gewinnen ist. Die Handlung spielt nicht von ungefähr in den Zeiten der 1980er und 1990er, als die Menschheit u.a. noch ohne Smartphone auskommen musste. Wiewohl einige Elemente aus Mystery und Krimi zum Tragen kommen, gewinnt der Roman vor allem aus der Entwicklung seiner Figuren an Spannung, auch wenn sie zuweilen nur eng typisiert sind. Somit insgesamt eher Parabel als Roman, birgt das Buch durchaus Einiges an Unterhaltung der anderen Art. Ulrich Karger (Robert Williams: Tief in den Wald hinein. Roman. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Berlin Verlag, Berlin 2016. 300 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-8333-1047-8) >>> Amazon Krimis / Thriller ![]() Paolo Bacigalupi hat mit Water - Der Kampf beginnt eine Dystopie vorgelegt, deren Grundannahme von Wasserknappheit angesichts der längst noch nicht abgewendet erscheinenden Klimakatastrophe und den bereits jetzt alle Gesellschaft herausfordernden Flüchtlingsströmen von großer Brisanz ist. Doch der Autor verhandelt in seinem vom Verlag als "Thriller" eingeordneten Werk nicht ein globales Problem, sondern vor allem ein allein auf die USA bezogenes SF-Actiondrama mit den üblichen Versatzstücken eines unverwüstlichen Helden, der trotz aller blutrünstiger Widerstände einfach seinen Job macht und nach seiner alsbaldigen Verfilmung schreit. Wer's mag Ulrich Karger (Paolo Bacigalupi: Water - Der Kampf beginnt. Thriller. Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Müller. Blessing Verlag, München 2016. 464 Seiten. 19,99 Euro. ISBN: 978-3-89667-530-9) >>> Amazon ![]() Linwood Barclay hat mit Lügennest - Promise Falls I den ersten Roman einer Thriller-Trilogie vorgelegt. Aus der Ich-Perspektive David Harwoods tut sich in Promise Falls ein Abgrund nach dem anderen auf. Der Autor versteht es, mit seinen weiteren eingeführten Charakteren die hinter der Fassade gehaltenen Geheimnisse einer Kleinstadt nachzuzeichnen und erinnert dabei nicht wenig an die besten (früheren!) Romane von Stephen King. Spannend bis zur letzten Seite heißt es anschließend geduldig zu warten, bis die beiden Folgebände erscheinen Ulrich Karger (Linwood Barclay: Lügennest - Promise Falls I. Thriller. Aus dem Englischen von Silvia Visintini. Knauer Verlag, München 2016. 503 Seiten. 12,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51868-7) >>> Amazon ![]() Mit Lügennest - Promise Falls II von Linwood Barclay liegt nun auch der zweite Roman der Thriller-Trilogie vor. Einige Handlungsträger sind bereits bekannt, andere kommen hinzu. Zudem wird nun auch unübersehbar, dass bei einigen schrecklichen Ereignissen die Zahl 23 von großer Bedeutung ist. Bleibt hier nur noch anzumerken, dass der dritte Band im April 2017 vorliegen soll - den Termin geduldig abzuwarten, fällt allerdings schwer Ulrich Karger (Linwood Barclay: Lügennest - Promise Falls II. Thriller. Aus dem Englischen von Silvia Visintini. Knauer Verlag, München 2016. 497 Seiten. 12,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51869-4) >>> Amazon ![]() Ewiges Eis von Giles Blunt ist der sechste Band der John Cardinal-Reihe und wurde ausgezeichnet als bester kanadischer Kriminalroman - zu Recht! Cardinals und Delormes Ermittlungen, die durch interne Auseinandersetzungen mit einem sich als Chef aufspielenden Kollegen gestört werden, werden wie immer handwerklich sauber durchdekliniert. Allesamt auf ihre Art überzeugende Charaktere, dazu ein großartiger Plot, dessen Spannung nicht zuletzt auch durch eine parallel laufende Nebenhandlung immer weiter angezogen wird, kann man nur hoffen, dass es nicht wieder vier Jahre dauert, bis ein neuer Band dieser Thriller-Reihe vorliegt. Ulrich Karger (Giles Blunt: Ewiges Eis. Thriller. Aus dem Englischen von Charlotte Breuer und Norbert Möllemann. Knaur Verlag, München 2016. 444 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51403-0) >>> Amazon ![]() Thomas Bogenberger hat mit Hattinger und die Schatten seinen 3. Band um den Kommissar Hattinger vorgelegt und darin einmal mehr einen spannungsreichen Plot fesselnd zu entfalten gewusst. Dabei ist er nicht nur mit der Schlagzahl seiner Mordopfer, sondern auch mit dem Aufgreifen von geschichtlichen Bezügen, wie der von Nazis geraubten "Beutekunst", dem gegenwärtig bestenfalls ungeschickt zu nennenden Treiben des Verfassungsschutzes samt seiner V-Leute unter Neo-Nazis sowie der sehr aktuellen Situation von u.a. aus Afrika nach Bayern gekommenen Flüchtlingen das Risiko einer Überfrachtung eingegangen. Nicht zuletzt dank seiner überzeugenden Perspektivwechsel, die einem neben Hattinger und seinem sich gut verstehenden Team u.a. auch den Haupttäter durch kleine Details "vor Augen führen", werden all die Bezüge aber eben nicht wie die Überschriften einer Metadiskussion abgehandelt, sondern sehr konkret und nachvollziehbar geerdet - was dann auch nicht nur nicht den Fluss der vordergründigen Krimihandlung stört, sondern ihn, derart bereichert, umso plausibler macht. Darauf der I-Punkt ist wie bei den beiden Vorgängerromanen der auch für Preißn verständliche bayerische Grundton, der das Ganze auf sehr eigene Weise mit Lebensphilosophien, Wortwitz und Situationskomik unterfüttert. Auf die Verfilmung auch dieses Romans darf sich ebenfalls schon gefreut werden. Bleibt nur zu hoffen, dass spätestens in zwei Jahren der vierte Hattinger-Roman erscheint ... Ulrich Karger (Thomas Bogenberger: Hattinger und die Schatten. Kriminalroman. Pendragon Verlag, Bielefeld 2016. 388 Seiten. 15,00 Euro. ISBN: 978-3-86532-551-8) >>> Amazon ![]() Michael Connelly legt mit Götter der Schuld nach etwas zähflüssigem Beginn einmal mehr einen fesselnden Gerichtsthriller der Extraklasse vor. Auch hier wird das Unwägbare und z.T. auch sehr irrational wirkende US-Gerichtssystem vor Augen geführt, dass ein Streben nach "Gerechtigkeit" offenbar nur noch in Anführungszeichen setzt und dafür das "Recht bekommen" zum beinharten Wettkampf mit "geschickt" eingesetzten Mitteln macht. Connellys sympathische und zuweilen auch durchaus mit Selbstzweifeln geplagte Figur des Mickey Haller ist im Gegensatz zu seinem Halbbruder Harry Bosch, der hier auch einen kleinen Gastauftritt hat, nicht nur gewitzt, sondern auch teamfähig. Beste Voraussetzungen, nicht nur neue Erkenntnisse, sondern auch einen Prozess zu gewinnen. Ulrich Karger (Michael Connelly: Götter der Schuld. Thriller. Aus dem Amerikanischen von Sepp Leeb. Droemer Verlag, München 2016. 509 Seiten. 19,99 Euro. ISBN: 978-3-426-28121-5) >>> Amazon ![]() Michael Connelly legt mit Scharfschuss erneut einen durchgängig lesenswerten Harry-Bosch-Roman vor. Seit Bosch in der Abteilung für alte ungeklärte Fälle auf die Rente hinarbeitet und sich zugleich noch um seine erst 17-jährige Tochter kümmern muss, geht er weniger brachial, dafür um einiges gewitzter vor. Was ihn aber dennoch nicht vor Suspendierung schützt. Das wiederum kommt den Bürokraten des LAPD sehr gelegen, denen die Zuwendungen für eigentlich schon ausgemusterte Beamte innerhalb des DROP-Programms längst zu teuer erscheinen. Überhaupt sind im Rahmen der in seiner Abteilung oft jahre- und jahrzehnte zurückliegenden Fälle Boschs Schilderungen gesellschaftlicher Veränderungen mindestens so spannend (und verstörend) wie die Kriminalfälle selbst - gerade wenn nun auch vermehrt hierzulande rechtspopulistische Entwicklungen, "Lügenpresse"-Geschrei und Demokratiefeindlichkeit zu erleben sind. Für die USA entdeckt Bosch im Rückblick bereits in den 1970ern und 1980ern erste Vorboten davon. Der Mord an Orlando Mercer führt in die Abgründe weiterer Verbrechen, die auch höchste Kreise betreffen und Boschs Gerechtigkeitssinn aufs Schärfste herausfordern. Und was ist schon eine Entlassung, wenn ein Fall wenigstens halbwegs zu seiner Zufriedenheit gelöst ist? Spannend und unterhaltsam bis zur letzten Seite - auch wenn es nach dem Finale kaum noch möglich scheint, bleibt die Hoffnung auf mehr davon! Ulrich Karger (Michael Connelly: Scharfschuss. Thriller. Aus dem Amerikanischen von Sepp Leeb. Droemer Verlag, München 2016. 461 Seiten. 22,99 Euro. ISBN: 978-3-426-28143-7) >>> Amazon ![]() Nachdem seine Kriminalromane um Kommissar Wallner und seinen subversiven Kollegen Kreuthner nach sechs Bänden offenbar auserzählt sind, legt Andreas Föhr mit Eisenberg den ersten Band seiner neuen Krimireihe vor, die abgesehen von ihrer erneuten Verortung in Oberbayern gänzlich neue Wege geht. Und das gar nicht mal schlecht. Dr. Rachel Eisenberg ist gut situiert und kann sich als alleinerziehende Mutter einer 13-jährigen Pupertistin durchaus Unterstützung leisten - und diese dann auch ohne schlechtes Gewissen in Anspruch nehmen. Notfalls auch in Form ihres Ex-Mannes, der nach wie vor als Anwalt für Wirtschaftsrecht Teilhaber ihrer gemeinsamen Kanzlei ist. Ihren Wohlstand hat sie sich hart erarbeitet und weiß ihn zu genießen, ohne dabei skrupellos zu sein. Als Anwältin kennt sie die Haken und Ösen, denen man auszuweichen hat, um vor Gericht und seinen nicht selten allzumenschlich auftretenden Protagonisten samt Richtern und Staatsanwälten erfolgreich zu sein. Das schlägt zuweilen auch einige situationskomische Funken. Der Plot um den Mord der Studentin und den verdächtigen Obdachlosen wird geschickt und zusätzliche Spannung erzeugend von einem zweiten Erzählfaden um eine aus Syrien geflüchtete Frau bis zum voltenreichen Finale getragen. Die Syrerin gerät mit ihrem Kind an zwei Streifenpolizisten in Grenznähe zu Österreich, deren kriminelle Energie allerdings weit weniger komisch, nichtsdestotrotz ebenso glaubhaft auserzählt ist, wie die von Kreuthner. Insgesamt also ein durchaus unterhaltsamer Krimi mit Potential, der neugierig auf weitere Folgen und die Entwicklung der Kanzlei Eisenberg macht. Ulrich Karger (Andreas Föhr: Eisenberg. Kriminalroman. Knaur Verlag, München 2016. 509 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-426-65396-8) >>> Amazon ![]() Das Thrillerdebüt 13 Tage von V.M. Giambanco liegt nach der großformatigeren Broschurausgabe von 2014 nun in einer preiswerteren Taschenbuchausgabe vor. Die plastisch in Szene gesetzte Brutalität des Täters, die zuweilen an Hannibal Lecter gemahnt, wird wettgemacht durch einen doppelbödigen Plot und ein trotz einiger Genre immanenter Stilisierungen facettenreiches Figurenensemble, bei dem Detective Alice Madison im Zentrum steht. Erfreulich die Ankündigung, dass sie noch in den Übersetzungen weiterer Bänden eine Rolle spielen soll. Ulrich Karger (V.M. Giambanco: 13 Tage. Thriller. Aus dem Englischen von Elke Link. Knaur Verlag, München 2016. 576 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51595-2) >>> Amazon ![]() Der Psychothriller Du wirst nicht wissen warum von Karine Giebel hat einen durchaus spannenden Plot, der allerdings von einer wenig überzeugenden Hauptperson getragen wird. Benoît Lorand wirkt wie ein Macho à la Jean Paul Belmondo, doch ohne dessen Charme, so dass über lange Strecken mehr Ärger über seine Dummheit als Mitgefühl für seine Lage aufkommt. Auch die Motive seiner Entführerin haben zwar eine gewisse Plausibilität, die lange Vorlaufzeit für ihr Vorgehen ist aber wenig glaubhaft. In den 1980ern hätte das wohl noch unter feministischen Vorzeichen für Diskussionsstoff sorgen können, jetzt aber ist es nur noch abgeschmackt. Immerhin ziehen die letzten 50 Seiten dann merklich an und das Ende hat es in sich. Ulrich Karger (Karine Giebel: Du wirst nicht wissen warum. Psychothriller. Aus dem Französischem von Eliane Hagedorn u. Bettina Runge. Berlin Verlag, Berlin 2016. 300 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-8333-1000-3) >>> Amazon ![]() Jürgen Heimbach hat mit Offene Wunden den dritten Roman um den in Mainz ermittelnden Kommissar Paul Koch vorgelegt. Sein zuweilen penetrant moralinsauer angelegter Koch ist das Gegenüber jener Grauzonen, die sich in der jungen Demokratie zu Anfang der 1950er auftun. Neben den Globkes in der Adenauerregierung ist es konkret die nun in Absicht stehende Begründung eines Bundeskriminalamts, bei der für Koch nicht nachvollziehbare Differenzierungen getroffen werden sollen, wenn hierfür ebenfalls auf alte NS-Kader zurückgegriffen und zugleich womöglich ein überwunden geglaubtes System sich neu einnisten könnte. Doch Heimbach hat Koch zugunsten seines ehemaligen Assistenten Siggi und mit der Einführung anderer Charaktere etwas mehr in den Hintergrund gerückt, was den zuvor allzu platten Schlagabtausch verhindern und die Qualität des Romans insgesamt erheblich steigern hilft. So ergibt sich eine gute Balance zwischen Kochs privaten Ermittlungen während seiner Flucht und den parallel dazu laufenden Ermittlungen der Kollegen. Fazit: Ein spannender historischer Krimi, der ein Eintauchen in den detaillierten und offenbar sehr gut recherchierten Alltag von Polizei, Verbrechern und ihren Opfern jener Zeit spiegelt - und zudem einen unübersehbaren Akzent zu den aktuellen Flüchtlingsfragen setzt. Weiter so! Ulrich Karger (Jürgen Heimbach: Offene Wunden. Roman. Pendragon Verlag, Bielefeld 2016. 696 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-86532-526-6) >>> Amazon ![]() Schuld bist du von Jutta Maria Herrmann ist ein Psychothriller, der sich in Aufbau und Sprache wohltuend von dem Genre-Einheitsbrei abhebt - und einen bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt! Im Wechsel mit Auerbachs verzweifelter Suche nach Frau und Tochter, bei der er durch obskure Telefonanrufe und SMS-Mitteilungen immer mehr in die Irre geführt und seiner selbst immer unsicherer wird, erzählt eine Frau am Krankenbett einem Komapatienten ihre Geschichte. Schon bald wird klar, dass beides eng miteinander zusammenhängt - aber wie, löst sich erst im voltenreichen Finale auf. Nichts für Herzkranke, macht einen dieser erst zweite Roman der Autorin sehr neugierig auf Weiteres von ihr. Ulrich Karger (Jutta Maria Herrmann: Schuld bist du. Psychothriller. Knaur Verlag, München 2016. 349 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51851-9) >>> Amazon ![]() Der Galgenvogel von Antonia Hodgson firmiert als "historischer Thriller" und schließt direkt an ihr äußerst erfolgreiches und empfehlenswertes Debüt Das Teufelsloch an. Erneut fundiert recherchiert, überzeugt auch dieser Roman durch seine mitreißenden Charaktere - bis auf Tom Hawkins, der hier nach seinen Erfahrungen zuvor eher absichtsvoll als plausibel eine Dummheit nach der anderen begeht. Trotzdem verfängt auch hier immerhin sein Charme und nicht zuletzt die glaubhafte Darstellung der schon damals beinhart auf den eigenen Vorteil bedachten Politik seiner Kontrahenten. Und natürlich auch die spannende Frage, ob er seiner mehr als aussichtslosen Situation einmal mehr zu entkommen vermag. Wiewohl als Zweitwerk nicht ganz so stark wie das Debüt, kann es dennoch als Schmöker mit einigem Unterhaltungswert empfohlen werden. Ulrich Karger (Antonia Hodgson: Der Galgenvogel. Historischer Thriller. Aus dem Englischen von Katharina Volk und Sonja Rebernik-Heidegger. Knaur Verlag, München 2016. 460 Seiten. 19,99 Euro. ISBN: 978-3-426-65346-3) >>> Amazon ![]() Marc Kayser legt mit Schwarzer Falter einen Ostseekrimi vor, der trotz spannungsgeladener Thematik verärgert. Die Hauptfigur ist ein Transsexueller, dem als Jugendlichen die Wahrnehmung seiner eigentlichen Persönlichkeit als Mann und entsprechende körperliche Anpassungen verwehrt wurden. Nach Ansicht des Autors Grund genug zum Psychopathen zu werden, der sich 25 Jahre Vorbereitungszeit für einen akribisch ausgetüftelten Plan nimmt, um nun alle, die ihn und seine Wünsche missachteten, auf grausame Weise umzubringen. Der Dank des Autors an alle Transsexuellen, die ihn unterstützt und mit Details versorgt haben, klingt da am Ende des Romans wie der reine Hohn. Hinzu kommen neben der fehlenden Glaubwürdigkeit und Plausibilität des Plots auch noch Schwächen in seiner Entfaltung. Nahezu alles geschieht mit Ansage, ohne jeden Sinn für die Entwicklung von "Suspense" geschweige denn Subtilität. Und die Charaktere, bis auf eine Randfigur allesamt keine Sympathieträger, bleiben plakative, mit entsprechenden Adjektiven eng geführte Schablonen ihrer selbst, denen man auch nach der letzten kleinen Volte nicht hinterhertrauert. Als Rezensent muss man da zuweilen durch, aber nur um Andere vor einer Lebenszeitverschwendung mit dieser Lektüre zu warnen ... Ulrich Karger (Marc Kayser: Schwarzer Falter - Tatort: Weststrand. Ostseekrimi. Hinstorff Verlag, Rostock 2016. 317 Seiten. 12,99 Euro. ISBN: 978-3-356-02012-0) >>> Amazon ![]() Sven Koch hat nach Dünengrab, Dünentod und Dünenkiller nun mit Dünenfeuer den vierten Band um (s)ein ostfriesisches Ermittlerquartett vorgelegt. Da sich hier auch gleich mehrere Nebenhandlungen aus den Vorläuferbänden schließen, könnte es der letzte dieser Serie sein - was aber sehr schade wäre! Eingebunden in die Nordsee-Region, ohne jedoch übertrieben mit den regionalen Klischees hausieren zu gehen, stimmt auch hier wieder einfach alles: überzeugende Charaktere, ein von der ersten Seite an fesselnder Plot bis zum voltenreichen Finale, fühlt man sich bis zum Ende bestens unterhalten. Ulrich Karger (Sven Koch: Dünenfeuer. Kriminalroman. Knaur TB-Verlag, München 2016. 397 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51857-1) >>> Amazon ![]() Knochenjob vom Autorenduo Christian Klier und Tessa Korber bezieht seine Spannung vor allem aus den historischen Bezügen seiner Mordfälle. Was da zu DDR-Zeiten offenbar gang und gäbe war, verschlägt einem zuweilen den Atem. Doch die hier als Hauptfigur eingeführte Katja Schlichthorn überzeugt nur wenig bzw. ist in ihrer Beratungsresistenz und Borniertheit unglaubwürdig und taugt noch nicht einmal zur tragischen Figur. Insgesamt hat von den Charakteren einzig der Vater noch so etwas wie authentisches Fleisch an den Rippen. Fazit: Kein Muss-Krimi, aber wegen der spannungsgeladenen Historie immerhin noch lesbar Ulrich Karger (Christian Klier, Tessa Korber: Knochenjob. Kriminalroman. Berlin Verlag, Berlin 2016. 287 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-8333-1030-0) >>> Amazon ![]() Anna Karolina Larsson legt mit Der Pavian ein fesselndes Thrillerdebüt vor, dass die Organisation eines schwedisches Bandenmilieus samt seiner Brutalität in Sachen Sexdienstleistungen und damit verbundener Korruption thematisiert. Besonders bemerkenswert an diesem Thriller sind seine Perspektivwechsel nach jedem Kapitel, in denen sich jeweils aus der Sicht von Amanda, Adnan und Magnus der Fortlauf der Ereignisse spiegelt und die Autorin dafür auch jeweils eine authentische Sprachregelung findet. Das zieht einen von der ersten Seite bis zum ausgeklügelten Finale in seinen Bann - und macht neugierig auf weitere Werke von ihr! Ulrich Karger (Anna Karolina Larsson: Der Pavian. Thriller. Aus dem Schwedischen von Max Stadler. Berlin Verlag, Berlin 2016. 558 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-8333-1017-1) >>> Amazon ![]() Bernard Minier legt mit Wolfsbeute den dritten Thriller um Martin Servaz vor - der jedoch im Gegensatz zu seinen Vorgängerbänden stark abfällt. Dabei fehlt es nicht an Spannung und mehreren überraschenden Wendungen. Doch abgesehen von Servaz sind die Figuren nicht überzeugend - paradoxerweise gerade weil ihr Gefühlsleben so sehr aufgeladen wird. Vorbild hierfür sind offenbar jene Opern, deren CDs Christine nach jedem Übergriff bei sich findet und jedes Mal das I-Tüpfelchen für ihren Schrecken setzen sollen. Derart redundant gerät am Ende selbst das in die Irreschicken des Lesers zu plakativ. Auch die Übersetzung ist längst nicht so rund wie die vorherigen. Nach "Schwarzer Schmetterling" und "Kindertotenlied" also besser auf einen besseren vierten Band hoffen ... Ulrich Karger (Bernard Minier: Wolfsbeute. Thriller. Aus dem Französischen von Antoinette Gittinger. Droemer Verlag, München 2016. 635 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-426-30458-7) >>> Amazon ![]() Die Eisheilige von Susanne Mischke, erstmals erschienen 1998 und vom ZDF verfilmt, liegt nun als TB-Neuausgabe vor. Dabei handelt es sich weniger um einen Krimi als um die Satire eines Kleinstadtmilieus, das zwischen Eindruck machen, Gerüchteküche und Aberglauben changiert. Über die Jahre hinweg wirkt Manches zwar ein wenig angestaubt und der Roman (ursprünglich ein Drehbuch) nicht durchgängig in sich konsistent, aber so manche Szene darin ist noch immer für ein herzhaftes Auflachen gut - und für ausreichend Spannung bis zur letzten Seite ist ebenfalls gesorgt. Ulrich Karger (Susanne Mischke: Die Eisheilige. Kriminalroman. Berlin Verlag, Berlin 2016. 294 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-8333-1051-5) >>> Amazon ![]() Steve Mosby hat mit Nachtschatten einen äußerst fesselnden Psychothriller vorgelegt, der sich aus mehreren Perspektiven entwickelt, u.a. aus der der Kriminalbeamtin Zoe Dolan, die das Milieu von Opfer und Täter aus Kindertagen nur allzu kennt. Auch wenn der eigentliche Täter für die Leser relativ bald kenntlich ist, nimmt das nichts von der Spannung, denn entscheidend wird, wann und ob die Polizei noch Schlimmeres verhüten kann. Nichts für schwache Nerven - aber wieder ein Genre-Glanzstück dieses Autors! Ulrich Karger (Steve Mosby: Nachtschatten. Psychothriller. Aus dem Englischen von Ulrike Clewing. Droemer Verlag, München 2016. 411 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-426-30468-6) >>> Amazon ![]() Verfolgt in Paradise ist Ein Fall für Jesse Stone von Robert B. Parker (1932-2010). Der Autor hat insgesamt neun Bände mit Jesse Stone als Helden geschrieben, die mit Tom Selleck (u. a. "Magnum") auch verfilmt wurden. Der vorliegende Band ist der vorletzte der Reihe und im Original erstmals 2009 vorgelegt worden. Das Aufspüren und die Verfolgung des Täters stehen hier weniger im Vordergrund als das ironisch gebrochene Sittenbild einer Kleinstadt und seinem nicht weniger selbstironischen Polizeichef, der zwar bei sich selbst relativ lang seine blinden Flecke pflegt, aber der sich, was seine Stadt angeht, nichts vormachen lässt. Das Thema (sexuelle) Selbstbestimmung ist nach wie vor aktuell und wird hier machohaft charmant, aber letztlich angemessen durchdekliniert. Die klaren Verhältnisse von Paradise und Jesse Stone sind den Märchen gewiss näher als der Realität, doch wohl genau deshalb dürfte dieser Roman vielen eine entspannende Lektüre bieten und sie auch die anderen Bände nachfragen lassen. Ulrich Karger (Robert B. Parker: Verfolgt in Paradise. Ein Fall für Jesse Stone. Roman. Aus dem Amerikanischen von Bernd Gockel. Pendragon Verlag, Bielefeld 2016. 318 Seiten. 12,99 Euro. ISBN: 978-3-86532-525-9) >>> Amazon ![]() Kurz nach dem literarischen Werk Still - Chronik eines Mörders (s.o. unter Belletristik) legt Thomas Raab mit Der Metzger einen weiteren Band seiner Krimireihe um den Möbelrestaurator Willibald Adrian Metzger vor. Der Rezensent kannte bislang nur das zuerst erwähnte Werk und den Willibald Adrian Metzger nur aus den durchaus ansprechenden Verfilmungen - und war von diesem Band dann doch einigermaßen enttäuscht. Nicht dass es an Schmäh und Feinsinnigkeiten wie auch an einigen spannenden Momenten fehlen würde, aber offenbar scheint der Autor bei diesem "Thriller" noch nicht richtig aus seinem zuvor erschienenen Werk aufgetaucht zu sein. So fehlt es nicht nur an sprachlicher Konsistenz, sondern auch der Aufbau mit seinen willkürlich und zusammenhanglos wirkenden Perspektivwechseln ist weder Fisch noch Fleisch - was den Lesefluss erheblich stört. Die Zuckerl zwischendurch waren da nur ein geringer Trost, und dürften selbst den Fans vom Metzger zuwenig sein. Vielleicht am besten die Verfilmung abwarten, da muss der Stoff ja noch mal überarbeitet und aufs Wesentliche verdampft werden Ulrich Karger (Thomas Raab: Der Metzger. Thriller. Droemer Verlag, München 2016. 336 Seiten. Euro. ISBN: 978-3-426-28136-9) >>> Amazon ![]() Chris Tvedt setzt mit Der vierte Kreis der Hölle als 2. Band die Krimireihe um den eher wortkargen Kommissar Edvard Matre fort. Die Ermittlungen zum Banküberfall und dessen etwaige Verbindung zum Rechtsextremismus werden aber noch erweitert um eine sehr persönliche Fehde zwischen seiner früheren Kollegin Solveig und dem beim aktuellen Fall sehr eigene Wege gehenden Tommy, was am Ende ein höchst dramatisches Ende finden wird und zugleich ein verbliebenes Rätsel aus dem ersten Band auflöst. Das Gleiche gilt auch für Matres Beziehung zu seiner neuen Freundin Victoria. Spannend und fesselnd sowieso, sorgt auch dieser Krimi für einige Überraschungen. Wäre schön, wenn da noch mehr kommt Ulrich Karger (Chris Tvedt: Der vierte Kreis der Hölle. Kriminalroman. Aus dem Norwegischen von Maike Dörries und Günther Frauenlob. Knaur Verlag, München 2016. 399 Seiten. 9,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51875-5) >>> Amazon ![]() Don Winslow (siehe u.a. auch Pacific Private) hat mit Germany den zweiten Krimi um den Ermittler Frank Decker vorgelegt, der als Irakveteran und "hardboiled detective" nur ein Ziel vor Augen hat - nämlich vermisste Personen wieder zu finden. Aus der Ich-Perspektive erzählt, entwickelt das erneut von der ersten Seite an einen actionreichen Sog - auch wenn Manches dann doch ziemlich vorhersehbar ist und längst nicht an andere Winslow-Veröffentlichungen heranreicht. Nichtsdestotrotz: In den USA offenbar nicht veröffentlicht, ist die Übersetzung weit besser als die des ersten Bandes der Krimireihe. Und als Schmöker für zwischendurch, in dem dank eines unverwüstlich schmerzunempfindlichen Helden im letzten Drittel sogar in heimischen Städten das Gute trotz Überzahl des Bösen siegt, bietet das Genre gemäß passable Unterhaltung. Ulrich Karger (Don Winslow: Germany. Roman. Aus dem Amerikanischen von Conny Lösch. Droemer Verlag, München 2016. 379 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-426-30430-3) >>> Amazon SF / Fantasy /Mystery ![]() Joseph Fink und Jeffrey Cranor haben in Willkommen in Night Vale eine gleichnamige, laut Patrick Rothfuss "eine der weltbesten" Podcast-Serien zu einem Roman verarbeitet. Night Vale wird darin als Städtchen in der Wüste, irgendwo in der Weite des amerikanischen Südwestens eingeführt. Geister, Engel, Aliens oder ein Haus, das nachdenkt, gehören hier zum Alltag. Doch wer nun eine lineare und in sich schlüssige Geschichte erwartet, wird enttäuscht. Stattdessen wird hier Mut zum Experiment gezeigt, das vor allem auf metaphorischer Ebene für absurde Konstellationen sorgt. So wird das Unstete eines pubertierenden Jugendlichen nicht einfach interpretiert, sondern der Jugendliche verändert je nach Stimmungslage seine Gestalt - das erzeugt zuweilen durchaus komische Wirkung, wobei angesichts des Erfolges im angelsächsischen Raum stark zu vermuten ist, dass das Original und insbesondere die Podcasts vorneweg noch über einige Subtextebenen verfügen, die in einer Übersetzung nicht nachzuvollziehen sind. Doch nach 150 Seiten hatte der Rezensent von dem letztlich dann doch immer gleichen Witz genug und blätterte ans Ende, ob sich da irgendein Höhepunkt oder ein Schluss abzeichnet. Scheint so zu sein, aber daraufhin auch den Rest nachzulesen, fehlte dann ihm der Anreiz. Wer hingegen auch ohne treibenden Plot auskommt bzw. nichts dagegen hat, wenn eine Kurzgeschichte auf 378 gestreckt wird und in der Hauptsache Vergnügen an absurden, weil nicht weiterführenden Dialogen à la Beckett hat oder wie es Denis Scheck formulierte, an der "poetischen Kraft des Absurden, die sich in Sätzen von herzzerreißender Wahrheit und Klarheit äußert", dem sei das Buch gern empfohlen. Ulrich Karger (Joseph Fink, Jeffrey Cranor: Willkommen in Night Vale. Roman. Aus dem Englischen von Wieland Freund und Andrea Wandel. Hobbit Presse / Klett-Cotta Verlag, 2016. 378 Seiten. 19,95 Euro. ISBN: 978-3-608-96137-9) >>> Amazon ![]() William Gibson legt mit Peripherie einen Sci-Fi-Thriller vor, der auch von der hiesigen Presse bereits hochgelobt wurde. Doch wer die hier ins Denglish übersetzte Computer-Game-Sprache und die Bedeutung ihrer Symbole nicht beherrscht, ist da schnell außen vor. So können auch die eigentlich interessanten, in die Zukunft weisenden Sprachschöpfungen des Autors nach 100-seitigem Bemühen nur sehr bedingt nachvollzogen werden. Aber andere können dies offenbar besser, und sie seien an dieser Stelle gern ebenfalls auf diesen Roman aufmerksam gemacht. Ulrich Karger (William Gibson: Peripherie. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Cornelia Holfelder-von der Tann. Tropen c/o Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2016. 616 Seiten. Euro. ISBN: 978-3-608-50124-7) >>> Amazon ![]() Diesmal muss Atticus der Navajo-Trickser-Gottheit Coyote eine Gegenleistung für seinen eigenen Schein-Tod erbringen, damit er der Rache des germanischen Rest-Götterhimmels entgehen und endlich in Ruhe die Ausbildung von Granuaile zur Druidin fortsetzen kann. Doch in Coyote hat er einen nur unzuverlässigen, sehr auf seine eigenen Interessen bedachten Verbündeten und selbst beste Freunde wie den Vampir Leif muss Atticus abschreiben. So bleiben ihm nur Granuaile und sein Hund Oberon, um trotz solcher, eigentlich unüberwindlicher Feinde wie Hel und die von ihr aufgestachelten Skinwalker wenigstens noch eine Weile zu überleben Kevin Hearne legt mit Getrickst den vierten Band seiner "Chronik des eisernen Druiden" vor. Auch dieser Band lebt von einem anarchischen Dialogwitz, der in seiner wilden Mischung alter Mythen und ihrer göttlichen Protagonisten diesmal die der amerikanischen Ureinwohner keineswegs nur von ihrer besten Seite zeigt. Und am Ende kann man nur hoffen, dass es noch ein weitere Fortsetzung mit Atticus gibt Ulrich Karger (Kevin Hearne: Die Chronik des eisernen Druiden 4 - Getrickst. SF-Roman. Aus dem Englischen von Friedrich Mader. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2016. 384 Seiten. 16,95 Euro. ISBN: 978-3-608-96134-8) >>> Amazon ![]() Es war klar, dass Atticus seine Tarnung als Totgeglaubter nicht allzu lange aufrechterhalten kann - doch dass gerade jetzt der römische Gott Bacchus Rache an ihm zu nehmen müssen glaubt, kommt höchst ungelegen. Denn nach zwölf Jahren geheimer Druidenausbildung ist es endlich soweit, und seine Auszubildende Granuaile soll an Gaia bzw. die Erde gebunden werden. Nur so kann sie die magischen Fertigkeiten eines Druiden erlangen und damit deren Anzahl verdoppeln. Doch irgendwer all seiner zahlreichen Feinde hat für diese Bindung auf der ganzen Erde nur noch den Fuß des Olymps übrig gelassen. Und prompt stört dort immer wieder einer - keineswegs nur Bacchus - das notwendige, sich über drei Monate hinziehende Ritual Nach wie vor von einem herrlich anarchischen Dialogwitz gekennzeichnet, dessen bester Stichwortgeber neben Atticus und Granuaile sein Wolfshund Oberon ist, geht es in dieser wilden Mischung alter Mythen und ihrer göttlichen Protagonisten wieder drunter und drüber. Und soviel sei schon verraten: Auch diesmal überleben die drei wider Erwarten - aber wie immer hat das seinen Preis, der im nächsten Band zu zahlen ist. Wobei sich der konkret erst in einem dem eigentlichen Buch angehängten Kurzroman abzeichnet, der während des sechsten Ausbildungsjahres von Granuaile spielt. So oder so ist aber nun sicher, dass es noch ein weitere Fortsetzung mit Atticus gibt - geben muss!! Ulrich Karger (Kevin Hearne: Die Chronik des eisernen Druiden 5 - Erwischt. SF-Roman. Aus dem Amerikanischen von Friedrich Mader. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2016. 384 Seiten. 16,95 Euro. ISBN: 978-3-608-96135-5) >>> Amazon ![]() Markus Heitz hat mit Wédora - Staub und Blut hoffentlich den Start einer Fantasy-Reihe gelegt. Denn dieser Band erzählt zwar eine in sich abgeschlossene Geschichte, kann aber neben den beiden Helden noch eine Vielzahl weiterer ansprechender Charaktere und Wesen wie Sandmenschen und unterschätzte Reitechsen ins Feld führen, die zusammen mit der ausgeklügelt inszenierten Wédora-Metropole noch eine Menge Potential für weitere Geschichten um Macht, Intrigen, Kämpfe jedweder Art inkl. Zauberei und natürlich auch die Liebe haben. Das liest sich so gut weg, dass man so wie der Autor auch selbst die logischerweise erst eingeführte Sprachbarriere in einer fremden Welt beinah wieder vergisst - denn ausnahmslos alle, auf die Liothan und Tomeija treffen, sprechen in Wédora dann unlogischerweise problemlos ihre Sprache. Aber vielleicht findet ja Heitz dafür im Nachfolgeband noch eine einleuchtende Erklärung - schön wär's! Ulrich Karger (Markus Heitz: Wédora - Staub und Blut. SF-Fantasy. Knaur Verlag, München 2016. 608 Seiten. 16,99 Euro. ISBN: 978-3-426-65403-3) >>> Amazon ![]() Mit Frostflamme - Die Chroniken der Sphaera eröffnet Christopher Husberg eine viel versprechende High-Fantasy-Reihe. Menschen, von diesen verachtete, an Elfen gemahnende Tiellan und auch Vampire bevölkern diese Welt. Einige seiner Bewohner verfügen über magische Fähigkeiten, meist allerdings nur mit Hilfe der süchtig machenden Droge "Frostflamme". Zudem werden die weltlichen Regenten von der Priesterschaft der Göttin Canta dominiert und den Glauben nicht achtende auch von deren Inquisitoren verfolgt. Die Charaktere sind überzeugend, darunter auch eine Jahrhunderte alte Vampirin namens Astrid, die mit viel Selbstironie und Dialogwitz ausgestattet ist. Wie Alles zusammenhängt, vordergründig wie auch im Verborgenen, ist das eigentliche Thema des ersten Bandes, der natürlich auch Liebe und Eifersucht nicht ausspart. Am Ende bleiben natürlich noch einige Fragen offen und so wartet man gespannt auf den Folgeband. Ulrich Karger (Christopher Husberg: Frostflamme - Die Chroniken der Sphaera. SF-Roman. Aus dem Amerikanischen von Kerstin Fricke. Knaur Verlag, München 2016. 701 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51920-2) >>> Amazon ![]() Ken Liu hat mit Seidenkrieger - Die Schwerter von Dara den ersten Band einer Romantrilogie vorgelegt, die im besten Sinne als ein Werk der "High-Fantasy" zu klassifizieren ist. In diesem Epos, das auf Elementen der chinesischen Mythologie basiert, wirken Götter ähnlich eifersüchtig wie in den griechischen Sagen auf das Schicksal der Menschen ein, und Fabelwesen zu Wasser wie auch in der Luft lassen sich (manchmal) von den Menschen für ihre Zwecke einspannen. Doch im Vordergrund steht das Mit- und Gegeneinander der Menschen, die bis zur Sitzhaltung Alles in Rituale fassen. Die Entwicklungsgeschichte der beiden Helden Kuni Garu und Mata Zyndu spiegelt zugleich sehr fesselnd das Auf und Ab politischer Beziehungen - nichts ist gewiss, Alles kann sich jederzeit ändern, aus Feinden können Freunde, aus Freunde (wieder) Feinde werden. Und das wird eben nicht nur an den beiden, sondern auch am Alltag der Bevölkerung sichtbar - und damit bekommt dieser Fantasy-Roman eine durchaus sehr aktuelle Note, scheint unsere global-vernetzte Welt doch ebenfalls vor Umbrüchen zu stehen, die noch vor wenigen Jahren undenkbar schienen und ebenfalls weniger dem Verstand als sinistren Ritualen folgen Neugierig machend auf die Folgebände, ist die in sich abgeschlossene Geschichte des ersten Bandes bereits ein so ungewöhnlicher wie fesselnder Farbtupfer in diesem Genre, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Ulrich Karger (Ken Liu: Seidenkrieger - Die Schwerter von Dara. Roman. Aus dem Amerikanischen von Katharina Naumann. Knaur Verlag, München 2016. 734 Seiten. 19,99 Euro. ISBN: 978-3-426-65399-9) >>> Amazon ![]() Das Fest von Aquesta setzt nach Der Thron von Melengar, Der Turm von Avempartha, Der Aufstieg Nyphrons und An Bord der Smaragdsturm als fünfter und vorletzter Band die Riyria-Reihe von Michael J. Sullivan fort. Der Autor zieht noch einmal die Spannungsschrauben an und zwingt seine Helden wieder in eigentlich völlig aussichtslose Situationen. Doch diesmal bringt er, kurz vor einer alles entscheidenden Wende, einem von ihnen einen schrecklichen unwiderbringlichen Verlust bei So sehr man nun erst recht die Fortsetzung herbeisehnt, trauert man schon jetzt um das damit erreichte Ende dieses mit Brutalität, Edelmut und sehr viel schwarzem Humor ausgezeichnete Fantasy-Epos. Ulrich Karger (Michael J. Sullivan: Das Fest von Aquesta - Riyria 5. SF-Roman. Aus dem Englischen von Wolfram Ströle. Klett Cotta Verlag, Stuttgart 2016. 379 Seiten. 16,95 Euro. ISBN: 978-3-608-96016-7) >>> Amazon P.S.: Die wieder ausführlichere Besprechung zu Die verborgene Stadt Percepliquis als 6. und letztem Band der Riyria-Reihe von Michael J. Sullivan ist zusammen mit allen anderen Kurzhinweisen zu den Bänden 2-5 der Rezension zum 1. Band Der Thron von Melengar angefügt worden. Sehr, sehr empfehlenswert! Ulrich Karger ![]() In Mr. Sapien träumt vom Menschsein von Ariel S. Winter wird die Sicht auf Menschen und ihre Zukunft auf den Kopf gestellt. Während die Menschen nur noch Randfiguren sind, spielt sich unter den Androiden eine Tragödie ab, die angesichts ihrer Selbstwahrnehmung und Wahrnehmung der anderen mit der Frage "Wozu leben wir?" für durchaus bedenkenswerte Verstörung sorgt. Ulrich Karger (Ariel S. Winter: Mr. Sapien träumt vom Menschsein. SF-Roman. Aus dem Amerikanischen von Oliver Plaschka. Knaur Verlag, München 2016. 234 Seiten. 14,99 Euro. ISBN: 978-3-426-51932-5) >>> Amazon |
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