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Büchernachlese-Extra: Biblische Geschichten für Kinder und Jugendliche

Rainer Oberthür

Die Ostererzählung

Bilderbuch ab 5 Jahre. Illustrationen: Renate Seelig. Gabriel Verlag, Stuttgart-Wien 2007. 32 Seiten. 12,90 Euro. ISBN: 978-3-522-30097-1, >>> Amazon
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Rainer Oberthür, der mit seinen Nele-Büchern bereits einige Anerkennung gefunden hat, legt dieses Jahr nun auch noch "Die Ostererzählung" vor - und tatsächlich: Es ist die Ostererzählung und nicht nur ein vage "Annäherung" an sie.
Ein echtes Novum, entzieht sich doch die Ostergeschichte einem der Weihnachtsgeschichte vergleichbaren Sentiment. Selbst das zugehörige Brauchtum des Eiersuchens und noch mehr das neuerdings auch am Ostersonntag Konjunktur antreibende Geschenkeverteilen kann nur sehr über Bande mit den von den Evangelisten bezeugten Ereignissen der Osterwoche in Verbindung gebracht werden. Von daher scheint es nicht weiter verwunderlich, dass es als Bilderbuch zwar einen von Gennady Spirin meisterlich illustrierten Luthertext der Passionsgeschichte gibt - aber keine für sich allein stehende, kindgemäß nacherzählte Ostergeschichte. Denn welche Textabschnitte wären für Kinder ab 5 Jahren auszuwählen? Wie bei Gennady Spirin ein Mix aus drei Evangelien mit dem Schwerpunkt auf die Leidensgeschichte Jesu?
Rainer Oberthür, seines Zeichens katholischer Religionspädagoge und stellvertretender Leiter des Katechetischen Instituts im Bistum Aachen, hat für sich einen nahe liegenden, ja, bestechenden Zugang gefunden - pädagogisch bzw. didaktisch in den Rahmen eines die Mutter fragenden Kindes gesetzt, erzählt er diese Glaubensgeschichte(n) durchaus theologisch korrekt in auch für Kinder anschaulichen und nachvollziehbaren Worten nach. Davor aber hat er für zwei Fragen Lösungen gefunden, vor denen man angesichts ihrer im Nachhinein so zwingenden Brillanz nur den Hut ziehen kann.
Grundlage seiner Nacherzählung ist ausschließlich das Evangelium nach Markus - eine äußerst kluge Entscheidung! Nicht nur, weil Markus das nachweislich älteste Evangelium vorstellt, sondern weil dieses auch am wenigsten "spekulativ", sehr prägnant und ohne antijudaistische Abgrenzungen erzählt. Ganz abgesehen davon, dass mit nur einer Vorlage auch stilistisch ein literarisch in sich stimmiger Grundton zum Tragen kommt.
Darüber hinaus hat Oberthür eine sinnfällige Dramaturgie entwickelt: Die Osterwoche, die ja genau genommen acht Tage währt, wird bei ihm zum Spannungsbogen des Erinnerns, die der Sprachlosigkeit vor dem leeren Grab Jesu bereits Einiges entgegenzusetzen vermag. Er akzentuiert jeden Tag der Kar- bzw. Osterwoche, also nicht nur Psalmsonntag, Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag und Ostern, mit einer Geschichte und füllt so auch die namenlosen Lückentage mit Leben.
Dieses Bilderbuch gibt eine Fragehaltung nach Jesus vor: Zu Anfang des über die Evangeliengeschichte hinausgehenden Erzählrahmens will ein Kind von seiner Mama eine Geschichte von Jesus hören - aber nicht die bekannte Weihnachtsgeschichte oder jene Geschichten, die Jesus selbst erzählt. Nein, es soll die sein, in der Jesus stirbt.
Gleichsam als Prolog wird dann die Ostergeschichte mit dem Bartimäus-Wunder eröffnet, die stellvertretend für das vorangegangene Wirken Jesu den freudigen Empfang in Jerusalem (Palmsonntag) erklärt. Es folgen die Geschichten von der Vertreibung der Händler aus dem Tempel sowie der Hinweis auf die Gespräche Jesu mit den Schriftgelehrten, die im Einklang das "wichtigste Gebot" erörtern. Am vierten Tag heilt Jesus einen Kranken in Betanien, wird von einer Frau mit Öl gesalbt und von Judas verraten. Am fünften Tag feiert Jesus mit seinen Jüngern das Passahfest und teilt mit ihnen das letzte Abendmahl (Gründonnerstag). Nach unserer Zählung die Nacht vor Karfreitag erzählt von den Ängsten und dem Gefühl des Verlassenseins Jesu, seiner Verhaftung samt dem Verrat des Petrus. Die Vorgänge am Karfreitag mit Verhör durch Pilatus und sich anschließender Kreuzigung münden in den Scheidepunkt des siebten Tages, wo "nichts geschah", was zugleich mit dem Sabbat bzw. Ruhetag der Juden korrespondiert und schlussendlich in der Auferstehung, die mit dem Hinweis des "Jünglings" an die Frauen vor dem leeren Grab Jesu sein knappes und für weitere Gespräche offenes Ende findet. Denn auch wenn es das Kind der Rahmenhandlung doch schon anders gehört hat, Markus erzählt nicht mehr - und so heißt es am Ende:
"Jesus hat nicht weitergelebt wie vor seinem Tod. Aber den Jüngern wird klar: Jesus ist auferstanden und lebt für immer bei Gott. Diese schöne Erfahrung machte ihnen Mut. Nun verstanden und glaubten sie: Es geht weiter mit Jesus."
Nicht unerwähnt bleiben dürfen die Illustrationen von Renate Seelig, die bereits mit Die Weihnachtsgeschichte von Barbara Bartos-Höppner eine der m.E. besten Weihnachtsbilderbuch-Nacherzählungen gestaltet hat. Ihre Bilder sind auch hier von bestechender Anmutung und kindgemäßer Klarheit, die Vignetten zur Rahmenhandlung stoßen assoziative Gedankenspiele an, die auf den Kern des Haupttextes zielen.
Rainer Oberthür hat mit dem Text zu diesem Bilderbuch allen Eltern und Kindern, die an einer Kernaussage des christlichen Glaubensbekenntnisses interessiert sind, ein großes Geschenk gemacht - eines, das auch wegen seiner sich auf das Wesentliche beschränkenden aber keineswegs verengenden Erzählweise einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Ökumene leistet. Und vor allem zur neuerlichen Sinnstiftung der Osterwoche. Gratulation!

Weitere Besprechungen zu Werken von Rainer Oberthür siehe:
Rainer Oberthür: Neles Buch der großen Fragen (2002)
Rainer Oberthür: Neles Tagebuch (2006)
Rainer Oberthür: Die Ostererzählung (2007)
Rainer Oberthür: Die Weihnachtserzählung (2011)
Rainer Oberthür: Die Pfingsterzählung (2014)

Buechernachlese © Ulrich Karger


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