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Gerhard Schweizer

Indien

Ein Kontinent im Umbruch
Text + Fotos. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1995., 293 S., ISBN: 3-608-91410-2, >>> Amazon
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Die Grenze zwischen Orient und Okzident wird von vielen bereits schon innerhalb Europas gezogen. Wieviele Gemeinsamkeiten aber in Wahrheit zwischen muslimisch und christlich geprägten Staaten bestehen, wird einem erst klar, wenn man sich als Europäer mit dem Staaten- und Religionenkonglomerat Indiens auseinandersetzt.
Der Kulturwissenschaftler Gerhard Schweizer bereist diesen Subkontinent mit seinen ca. 950 Millionen Einwohnern bereits seit 1964, und so kann er auch dank eigener Anschauung Entwicklungen und gewisse Konstanten ausmachen. Von Indien als einem Staatengebilde läßt sich ja frühestens seit der Kolonialisierung durch die Briten sprechen. Knapp ein halbes Jahrhundert nach der Entlassung in die Unabhängigkeit bildet ironischerweise immer noch die Sprache der einstigen Herren den Kitt, der überhaupt eine Kommunikation untereinander ermöglicht:
15 Hauptsprachen, 720 Dialekte und 11 verschiedene Schriften lassen die Inder sowenig "indisch" sprechen wie uns Europäer "europäisch".
In vier Abschnitten mit insgesamt 14 Unterkapiteln gibt der Autor zuerst einen Überblick über aktuell zu machende Beobachtungen wie z.B. die sich zu hunderten vor Moscheen und Hindu-Tempeln verschanzenden Soldaten, die mehr als fragwürdige Interpretation der "Reinheit" des Ganges oder auch die nach wie vor gültige englische Wortwahl für bestimmte Begriffe trotz jahrzehntelanger Unabhängigkeit. Danach analysiert er sehr einfühlsam, was es mit der Toleranz zwischen den Religionsgemeinschaften in Indien auf sich hat. Hierbei ist vor allem festzuhalten, daß der Begriff "Toleranz" eine ganz andere Konnotation findet als bei uns. (Mahatma Ghandi zählte übrigens zu den Neo-Hinduisten.) Der dritte Abschnitt geht auf das Hauptproblem Indiens ein, und dies stellt demnach tatsächlich nicht die Anbetung unterschiedlicher Gottesvorstellungen dar, sondern das Befolgen des "Dharma", also die durch die "Kasten"-Einteilung geregelte Sozialordnung, der sich z.T. sogar indische Moslems und Christen unterwerfen. Schweizer belegt sehr eindrücklich, wie sehr dieses Kastensystem zur Erstarrung und (korruptiver) Aushöhlung des demokratischen Indien beiträgt. Der vierte Abschnitt reicht denn auch wieder sehr nah an die Gegenwart, da es hierin um die Radikalisierung der unterschiedlichen religiösen Gruppierungen geht, die ihre Benachteiligungen nicht mehr länger hinnehmen wollen.
Ausgestattet mit 15 Farbfotos und einem Anhang mit Quellenangaben und weiterführenden Literaturhinweisen, besticht dieses Buch vor allem durch Schweizers Gabe, diesem äußerst komplexen Thema mit klar verständlicher Sprachregelung zu begegnen. Seine Anfragen aber auch seine Irritationen machte er stets kenntlich. Seine spürbare Faszination, sich mit diesem Land im "fernen Osten" auseinanderzusetzen, wird nachvollziehbar.

Weitere Besprechungen zu Werken von Gerhard Schweizer siehe:
Gerhard Schweizer: Ungläubig sind immer die Anderen (1990)
Gerhard Schweizer: Indien (1995)
Gerhard Schweizer: Syrien (1998)

Buechernachlese © Ulrich Karger


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