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Patrick Rothfuss

Die Musik der Stille

Erzählung. Aus dem Englischen von Jochen Schwarzer. Illustrationen: Marc Simonetti. Hobbit Presse / Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2015. 173 Seiten. 17,95 Euro. ISBN: 978-3-608-96020-4, >>> Amazon
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Auri wartet. In sieben Tagen wird er zu ihr nach Unterding kommen. Bis dahin gilt es die Ordnung der sie umgebenden Dinge aufrechtzuerhalten oder zu verbessern - und ein, nein, besser drei Geschenke für ihn finden. Denn das hat er verdient …
Mit "Die Musik der Stille" zeigt Patrick Rothfuss, welch breites Spektrum sein schriftstellerisches Vermögen abzudecken vermag. Dass seine Verlage bereit sind, auch weniger kommerziell, dafür literarisch lohnende Titel von ihm zu veröffentlichen, spricht für sie - auch wenn sie mit der Aufmachung des Buches die Fans von Rothfuss wohl eher weniger unbeabsichtigt in die Irre führen werden. Denn Aufmachung wie auch Auri selbst verweisen auf die Trilogie der Königsmörder-Chronik, die 2008 mit Der Name des Windes auch im deutschsprachigen Raum einen fulminanten Start hingelegt hatte. Dass allerdings erst 2011 und 2012 mit Die Furcht des Weisen der gesplittete zweite Band folgte und der dritte Band noch immer aussteht, strapaziert die Geduld der Fans nicht wenig. Vorhersehbar, dass trotz eindeutigem Klappentext und frei zugänglicher Leseproben sie mit diesem Buch nun zumindest einen Nebenroman analog zu Aufbau und Erzählstil der Hauptbände erwarten. Die daraus resultierende Enttäuschung würde zwar zuallererst auf die eingeschränkte literarische Erwartungshaltung und die sich nur oberflächlich vor dem Erwerb eines Buches informierenden Leser zurückfallen - aber es sind die Fans, die ein Buch zum Bestseller machen, und sie werden diesem Marketing-Trick auch angesichts des relativ hohen Ladenverkaufspreises vermutlich nur einmal auf den Leim gehen.
Doch eine Enttäuschung hat dieses Buch nicht verdient, deshalb also auch hier noch einmal ganz deutlich: "Die Musik der Stille" ist ganz anders als Alles bisher aus der Königsmörder-Chronik erschienene und bezieht sich einzig und allein auf eine recht eigenartige, wenn auch liebenswerte Nebenfigur daraus und auf die sie umgebenden Dinge, Räume und Wege in "Unterding", einem unter der Universität von Imre sich ausbreitenden Labyrinth verlassener Räume und alter Gänge. Auri trifft auf keine anderen Personen, somit tritt sie auch in keinen Dialog, und es wird hierbei auch von keinem Geschehen des oberirdischen Imre berichtet oder von einem, dass sich in Unterding auf Imre bezieht. Imre scheint nur höchst indirekt in jener Person auf, die Auri ihren Namen gegeben hat und auf die sie wartet. Der Name Kvothe fällt jedoch nirgends.
Stattdessen wird der Leser auf eine Weise unvermittelt in die Gedanken- und Lebenswelt Auris hereingeholt, die sich Gattungsbezeichnungen entzieht. Rothfuss erzählt ausschließlich aus ihrer Perspektive, die Anmutung des Textes ist dabei jedoch in seiner Poesie eher lyrisch als prosaisch. Da ohne Referenz einer Perspektive durch einen anderen, bleibt dem Leser nur, sich auf Auris von allem Bekannten entrückte Sprachregelung einlassen um zu erfahren, was sie bewegt. Und das ist allerhand.
Losgelöst von der Ordnung der Oberwelt, ist es Auri sehr wichtig ihren Zufluchtsort Unterding in Ordnung zu halten. Doch die Dinge um sie herum sind zuweilen schüchtern oder zornig, und so gilt es stets aufs Neue herauszufinden, wo ihr angemessener Platz sein könnte und sie sich wohlfühlen. Zudem unterliegt Auri selbst unterschiedlichen Tagen, die u.a. Tage des Machens, des Brennens, Flickens oder eben ein Sende- oder Besuchstag sein können. Und ähnlich wie Kinder nicht eine bestimmte Ritze auf Gehsteigen betreten wollen, so gibt es auch bei Auri Dinge, die sie unbedingt vermeiden will, wie z.B. das ihre Decke den Boden berührt.
In seinem Nachwort charakterisiert der Autor Auri als "sonderbares, reizendes, geistig zerrüttetes Mädchen".
Es kennenzulernen, erlaubt also nicht von ungefähr auch eine Wiederentdeckung der Kindersicht, ihre Fähigkeit alles mit Magie aufzuladen und selbst schrecklichen Orten Heimeligkeit und zumindest zeitweiligen Frieden mit verdrängten und nicht weiter benannten Traumata abzugewinnen. Bleibt abzuwarten, welche Rolle Auri noch im letzten Band der Königsmörder-Chronik zukommen wird.
So oder so aber bietet "Die Musik der Stille" ein geradezu kontemplatives Leseerlebnis, das auch jenseits der Sehnsucht nach dem letzten Band der Königsmörder-Chronik lohnt.

Weitere Besprechungen zu Werken von Patrick Rothfuss siehe:
Patrick Rothfuss: Der Name des Windes (2008)
Patrick Rothfuss: Die Furcht der Weisen (2011/12)
Patrick Rothfuss: Die Musik der Stille (2015)

Buechernachlese © Ulrich Karger


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