buechernachlese.de
|
Nachdem sie 1984 ihre Ausbildung bei einer Versicherung abgebrochen hat, gelingt es Alex Herwig trotz ihres schlechten Gedächtnisses, die Prüfung für den Hamburger Taxischein zu bestehen. Ihr gutes Aussehen hat ihr hierbei gewiss nicht geschadet, erweist sich aber ansonsten keineswegs verlässlich von Vorteil. Vor allem wenn sie die von den Gästen genannten Zieladressen nicht kennt. Und dann ist da auch noch eine Macho-Kollegenschaft ähnlich verkrachter Existenzen, die stets absprungbereit noch auf die große, ganz andere Chance warten - zumeist jedoch vergeblich. Einziger Lichtblick ist da ein ehemaliger Mitschüler, der sich außerhalb dieses Zirkels bewegt. Er ist sehr intelligent, beruflich so zielstrebig wie aussichtsreich und sehr zärtlich - und leider auch extrem kleingewachsen.
Karen Duve kehrt mit ihrem neuen Roman "Taxi" wieder in die Lebensphase der unter 30-jährigen zurück, und hier insbesondere zu jenen, die unentschieden zwischen Baum und Borke, Ständig-unterwegs-sein-müssen und Noch-nicht-ankommen-wollen-können sind. Die Vita der Autorin weist wie im Roman für die Mitte der 80er bis Anfang der Neunziger Jahre eigene Erfahrungen als Taxifahrerin aus, aber inwiefern der Roman tatsächlich autobiographisch ist oder nicht, fällt angesichts des stringent in Szene gesetzten Themas kaum in Gewicht. Das, was hier in Episoden über das Erleben einer Taxifahrerin im Besonderen und Taxifahrer im Allgemeinen ausgebreitet wird, ist nicht wirklich neu, macht aber in dem lakonisch schwarzhumorigen Tonfall einer Karen Duve gerade auch als erinnernswertes Zeitbild durchaus noch mal Vergnügen. Duves ureigenes Thema ist hier jedoch einmal mehr die auf Unverbindlichkeit bedachte Gedächtnislosigkeit, mit der die Ängste vor einer Festlegung auf einen Beruf oder gar eine Partnerschaft in Schach gehalten werden sollen. Da wird sogar der Fall der Mauer lediglich zu einer in einem Satz gestreiften Nebensächlichkeit. Womöglich etwas zu versäumen oder dann doch nur enttäuscht zu werden, macht dieses Roadmovie im Kreisverkehr sich wiederholender Erlebnisse erst mit zunehmendem Alter bewusst. Genau am Scheitelpunkt dieser Krise kurz vorm 30. Geburtstag endet denn auch dieses Buch.
"Taxi" ist unterhaltsam, auch wenn einem die Protagonistin Alex Herwig mit ihrer zwar pointierten, aber letztlich doch sehr flachen Philosophie des geringsten Widerstands zuweilen ganz schön auf den Keks geht - nicht zuletzt auch weil diese Haltung in Duves Vorgängerromanen Dies ist kein Liebeslied und "Regenroman" und auch in dem satirisch-witzigen Fantasy-Roman Die entführte Prinzessin schon besser, weil emotional tiefschürfender und origineller abgehandelt worden ist. Es bleibt zu hoffen, dass der nächste Titel nun ebenfalls den Scheitelpunkt überwindet und dann mal etwas ganz Neues zu erzählen weiß.
Weitere Besprechungen zu Werken von Karen Duve siehe:
Karen Duve: Dies ist kein Liebeslied (2002)
Karen Duve: Die entführte Prinzessin (2005)
Karen Duve: Taxi (2008)
Karen Duve: Anständig essen (2011)
Karen Duve: Grrrimm (2012)