Autorenportrait Ulrich Karger

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Familie Habakuk und die Ordumok-Gesellschaft | Textprobe


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Der Anfang von

Familie Habakuk und die Ordumok-Gesellschaft

Eine Höhle im Kinderzimmer
(in neuer Rechtschreibung analog zu S. 40 f. Bücherwurm / Mein Lesebuch 3,
Ernst Klett Grundschulverlag. Leipzig-Stuttgart-Düsseldorf 1998
S. 62 f. in der Bearbeitung für Bayern, Leipzig-Stuttgart-Düsseldorf 2002)

Wer noch nie vor unserer Wohnungstür gestanden hat, liest zuerst das Namensschild, und das dauert eine kleine Weile. Ganz oben stehe ich, Astrid Habakuk, weil mein Name mit "A" anfängt. Neben meinen Namen habe ich eine Batman-Maske gemalt, weil ich den so toll finde.

Darunter steht: Cäcilie Habakuk. So heißt meine "große" Schwester, aber wir nennen sie alle "Cilli". Cilli hat sich irgendwelche Schlagersänger ausgeschnitten und neben ihren Namen geklebt.

Unter Cilli steht der Name meiner Mama: Dorothee Habakuk. Mama hat neben ihren Namen eine Tuba gemalt, denn Mama ist erste Basstubabläserin der städtischen Blaskapelle und sie muss jeden Tag auf der Tuba üben. Wenn sie übt, muss ich aus ihrem Zimmer verschwinden. Mama kann es nicht leiden, dass ich immer lache. Dabei sieht es wirklich komisch aus, wenn sie dicke Backen macht, um einen Ton aus der riesigen Tuba herauszukriegen.

Ganz unten steht dann der Name von Papa: Hannes Habakuk. Papa ist ein Schriftsteller und schreibt alle möglichen Geschichten. Neben seinen Namen hat er eine Schreibmaschine gemalt. In letzter Zeit jedoch hört man sie immer nur kurz klappern, dann macht es gleich wieder RRRATSCH, und Papa schimpft ganz laut, weil er wieder nicht zufrieden war. Papa soll ein lustiges Geschichtenbuch für Kinder schreiben. Eine der Geschichten hat er Cilli und mir vorgelesen.

Als wir ihn schließlich fragten, wann es denn endlich lustig wird, ging er wütend wie ein alter Drache in sein Arbeitszimmer und knallte die Tür zu. WUMM.

Dann riss Mama die Tür auf und rief, wie sie bei dem Krach vernünftig üben solle, wo doch morgen das große Platzkonzert sei und dann schlug sie ihre Tür auch zu. WUMM!

Nun riss Papa seine Tür auf und brüllte, dass er bei dem BA- BU-BA-BA ja auch wirklich keine lustigen Geschichten schreiben könne. Das sei ja nicht zum Aushalten, schrie er und knallte seine Tür so heftig zu, dass das kleine gerahmte Bild von Oma von der Wand fiel und in Scherben ging. WUMM und KLIRR machte das, und schon stand Mama wieder im Flur und schrie: "Was hast du bloß gegen Oma? Immer knallst du ihr Bild in Scherben."

Und dann riss sie Papas Zimmertür auf und schlug die Tür gleich wieder hinter sich zu. Wir Kinder brauchen nicht alles mitzubekommen. Damit meinten Mama und Papa, wir sollten nicht mitbekommen, dass sie genau so streiten und keifen können, wie wir Kinder, nur dass sie sich nicht hauen und mit Sand schmeißen.

Irgendwann waren Mama und Papa wieder still, ganz still und dann ging die Tür auf, und Papa sagte: "Es tut mir wirklich leid. Ich finde dein Spielen auf der Tuba eigentlich sehr schön, das weißt du doch. Ich bin einfach so unglücklich, weil mir nichts Gescheites einfällt."

"Ist gut Hannes", sagte dann Mama. "Du weißt doch, dass du immer erst ein paar Tage brauchst, damit dir etwas Gutes einfällt. Jetzt räum die Scherben weg und bring bitte Astrid ins Bett - ich muss üben!"

"Dorle?!" sagte Papa, und Mama gab ihm noch einen Kuss. Jetzt wusste Papa, dass es wirklich wieder gut war, und er holte seufzend Besen und Kehrschaufel.






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