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Dieses Jahr wurde er 65 und denen, die seine Bücher längst schätzen und lieben, reicht es anzusagen: Es liegen zwei neue Bücher von Herbert Rosendorfer vor. Wer sich dennoch vergewissern will, was er da möglichst nicht versäumen sollte, sei zusätzlich auf das Nachfolgende verwiesen.
In Leinen gebunden und gleich mit zwei Vorworten versehen, sind 'Die Schönschreibübungen des Gilbert Hasdrubal' nachzulesen. Das erste Vorwort offenbart gleich einer Ouvertüre den Horizont, der sich in den Schönschreibübungen auftut, und macht uns mit den Ein- und Absichten Gilbert Hasdrubals bekannt. Diese Camouflage, die Rosendorfer zum Herausgeber seiner eigenen Geschichten macht, ist weniger Koketterie als Teil einer durchdachten Strategie des (zumindest) doppelten Bodens. Und so, wie die Lebensskizze Hasdrubals angelegt ist, durchzieht auch die Schönschreibübungen eine Melancholie, die von sich und der Mitwelt keine großen Überraschungen mehr erwartet. Aber keine Angst: Seine altersgemäße Abgeklärtheit hat nichts mit Resignation zu schaffen. Zum Einen strotzen diese abgründigen Geschichten von überraschenden Wendungen, die sich aber eben nur im quergebürsteten Detail des Alltags entdecken lassen, und zum Anderen gibt es da noch die Schönheit, z.B. die einer Prinzessin, die auf einem Delphin durch das Meer tanzt - wer soll da noch Angst vorm Tod haben? Die 54, eigentlich 55 Schönschreibübungen - eine wurde in einem Safe zurückgehalten, damit sich der bislang verschwundene Hasdrubal mit der Kenntnis ihres Inhalts ausweisen und die ihm zustehenden Tantiemen beziehen kann - sind allesamt von berückender Brillanz und machen von Anfang an klar, daß es hier nicht um die vorgeblich in Sütterlinhandschrift gehaltenen Manuskripte Hasdrubals als vielmehr um den Wortsinn von Belletristik geht. Einer Belletristik allerdings, die im deutschsprachigen Raum noch viel zu wenige Liebhaber hat und wegen ihrer Schwarzhumorigkeit sehr leicht 'übelgenommen' wird. Dabei sind die hier versammelten Grotesken und philosophisch mäandernden Wortspiele die Ausbeute eines Meisters der Kurzprosa. Ihn mit Vorläufern vergleichen wollen, würde zu einem 'name-dropping', das bei Franz Kafka beginnen und bei Karl Valentin noch nicht aufhören würde. Ach ja, die letzte Schönschreibübung ist zugleich das zweite Vorwort, das von einem Herrn Schniller erzählt, der nur Vor- und Nachwörter liest. Und da diese Geschichte Schniller gewidmet ist, sieht der Autor davon ab, diesem Vorwort ein Buch folgen zu lassen.
Wer sich an Herbert Rosendorfer erstmal vorsichtig herantasten will, dem sei eine preiswerte Taschenbuch-Kostprobe empfohlen. 'Der China-Schmitt' versammelt fünf neue Geschichten, die jede für sich ein Kleinod alltäglich grausamer Beiläufigkeit vorstellt. Von wegen es gäbe keine nennenswerte deutschsprachige Literatur: Warum z.B. den Hausmeister Seilinger beinah ein zehn Pfund schwerer Fußabstreifer getroffen hätte, das muß man einfach gelesen haben.
Weitere Besprechungen zu Werken von Herbert Rosendorfer siehe:
Herbert Rosendorfer: Absterbende Gemütlichkeit (1999)
Herbert Rosendorfer: Die Schönschreibübungen des Gilbert Hasdrubal (1999)
Herbert Rosendorfer: Der China-Schmitt (1999)
Herbert Rosendorfer: Die Erscheinung im Weißen Hotel (2000)