www.buechernachlese.de
|
Im Dezember 1738 erleidet das Einwandererschiff Princess Augusta aus Rotterdam Schiffbruch nahe der Insel Block Island. David Van Roon, der auf Block Island gerade an der Erstellung einer Karte dieser Insel arbeitete, ist einer der wenigen, die kurzentschlossen hinausrudern, um zu helfen. Doch anschließend bleibt seine Erinnerung daran merkwürdig lückenhaft - und als ein Jahr später Gerüchte über ein vor der Insel aufgetauchtes Geisterschiff umgehen, treibt es ihn an, der Sache auf den Grund zu gehen. Nur um dann zu erkennen, wie groß das Ausmaß seiner eigenen Schuld an einer Katastrophe war …
Einmal mehr legt Alexander Pechmann mit "Die Insel des kleinen Gottes" einen dramaturgisch gekonnt inszenierten Schauerroman vor, der die Leserschaft in das Leben und die Denkweise der Menschen zu Anfang des 18. Jahrhunderts geradezu hineinzieht. Der Kern der Geschichte basiert auf historisch nachweisbaren Ereignissen an der Küste der etwa 16 km vor dem Festland des US-Bundesstaates Rhode Island liegenden Insel Block Island und einer damit verbundenen Legende.
Der Autor versteht es, damals bereits vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse skeptisch gegen das, was nicht zuletzt dank Aberglauben und Vorurteilen Legenden beflügelt, sprachlich vollendet in Stellung zu bringen - um am Ende dennoch allen Handlungsträgern gerecht zu werden.
Ein besonderer Kniff dabei ist, dass er neben der "eigentlichen" Erzählperspektive David Van Roons diesen auch noch als einzige weitere Erzählperspektive die von einer gewissen Long Kate zitieren lässt. Denn sie ist es letztlich auch, die zur Erhellung Van Roons beitragen wird, wiewohl sie stets "nur" als allseits verachtete Kartenlegerin ihr Überleben gesichert hat. Doch diese Kartenlegerin ist nicht nur keine Scharlatanin, wie die meisten anderen ihrer Zunft, sondern ihrer Zeit auch noch insofern voraus, als sie die Karten lediglich als per se stets wandelbare Interpretationsanregungen einer Geschichte oder einer Erinnerung oder von Gedanken vorstellt und gebraucht - und damit im Falle des David Van Roon am Ende den Nagel auf den Kopf trifft.
Für alle Liebhaber von Zeitreisen ins schaurig Schöne früherer Zeiten ein Muss, das sich zudem noch in farbenprächtig solider Ausstattung einer Leinenbindung samt Lesebändchen anbietet.
Weitere Besprechungen zu Werken von Alexander Pechmann siehe:
Alexander Pechmann: Die Nebelkrähe (2019)
Alexander Pechmann: Die zehnte Muse (2020)
Alexander Pechmann: Die Insel des kleinen Gottes (2024)