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Alan Alexander Milne

Pu der Bär - Pu baut ein Haus

Illustrationen: Ernest H. Shepard. Erzählungen ab 8 Jahre. Aus dem Englischen von Harry Rowohlt. Dressler Verlag, Hamburg 2006. 320 Seiten. 35,00 Euro. ISBN: 3-7915-1320-6, >>> Amazon

Es gibt Bücher, die hat man einfach gelesen, muss man einfach gelesen haben. Und dann gibt es Bücher, die müsste man längst gelesen haben, aber sie witschen einem irgendwie immer weg und es drängeln sich dann wieder andere vor. "Pu der Bär" von A. A. Milne feiert dieses Jahr seinen 80. Geburtstag und der Dressler Verlag legt eine schwergewichtig prächtige Gesamtausgabe der Pu-Geschichten vor, die nicht mehr so leicht wegwitschen kann. Endlich!
Es gibt ja Kinderbücher, wie z.B. Erich Kästners Die Konferenz der Tiere, die bleiben noch für so manche ernsthafte Germanistengeneration von Bedeutung, sind aber nicht mehr völlig bedenkenlos in Kinderhände zu geben. Winnie-der-Pu dagegen hat nichts von seiner einstigen Frische verloren, wofür hierzulande nicht zuletzt der relativ neuen und absolut bezaubernden Übersetzung Harry Rowohlts zu danken ist.
Worum geht es aber in dem Buch? Was macht es so hinreißend?
A. A. Milne soll seinem Sohn Christopher Robin Geschichten erzählen - und zwar über Christopher Robin selbst und über seine für ihn höchst lebendig agierenden Stofftiere. Eduard Bär wird gleich im ersten Kapitel in Winni-der-Pu umgetauft. Er ist zwar nicht sonderlich klug, verfügt dafür aber über eine genialisch vereinfachende Intuition - z.B. wann es Zeit ist, sich wieder etwas Honig einzuverleiben - sowie über eine große Liebe zur Dichterei. Ferkel dagegen ist sehr klein, sehr abwartend und dennoch zu großem Heldentum fähig. Klein Ruh, das Kind von Känga, ist noch kleiner als Ferkel. Kaninchen ist ziemlich klug, aber auch ziemlich nervend, Tieger - nicht Tiger! - ist sehr ungestüm, aber auch hilfsbereit, Eule spielt in langen Zischlauten sehr geschickt schwierige Fragen an den Fragesteller zurück und I-Ah der Esel schließlich steht in Sachen Lebensfreude diametral zu Pu und personifiziert mit seiner melancholischen Skepsis das sprichwörtlich "halbleere Glas".
"Pu der Bär" setzt seinen zehn Kapiteln ein "Vorstellung" voran, der abschließende zweite Band "Pu baut ein Haus" seinen wiederum zehn Kapiteln eine "Rückstellung". Ganz am Ende dieser Gesamtausgabe gibt es noch anstelle eines Vorworts ein Nachwort von Harry Rowohlt.
Aus Erwachsenensicht haben die Geschichten etwas von der zuweilen durchaus harschen Absurdität der Commedia dell'Arte eines Dario Fo, aus Kindersicht dürften sie genau solche Abenteuer widerspiegeln, wie sie sie selbst ganz alltäglich finden - sofern sie sich überhaupt noch je Zeit zum Spielen mit ihren Stofftieren genommen haben. Und genau daran knüpft sich denn doch noch ein Aber an dieses Buch.
Diese Geschichten sollten erstmal am besten vorgelesen werden - und zwar Kindern, die schon genügend lesen können, damit sie die außergewöhnlich kreativen Schreibkünste und den köstlichen Wortwitz der besagten Helden zu würdigen in der Lage sind. Nach dem Vorlesen wird der Reiz für das Kind gewiss groß genug sein, sich das Buch auch immer wieder selbst vorzunehmen. Nicht zuletzt auch wegen der wunderbaren, noch nachträglich von ihm selbst kolorierten Illustrationen Ernest H. Shepards.
Der Zeitpunkt zum Vorlesen bzw. das ideale Vorlesealter ist allerdings nicht so einfach zu bestimmen. Ein mögliches Alter wäre jener Zeitpunkt kurz bevor sich ein Kind von seinen Stofftieren verabschiedet. Aber heutzutage sollen ja selbst Erwachsene noch mit Stofftieren zusammenleben - es ist also wirklich nicht so einfach, diesen Zeitpunkt herauszufinden. Außer man liest sowieso einfach gerne und vergisst nie, wie schön und lebensnah es sein kann, "gar nichts" zu tun.
Fazit: Ein besonderes Buch für besondere Vorleser und Leser. Ganz anders und viel besser als die plattgesichtigen Disney-Comicverfilmungen.

Weitere Besprechungen zu Werken von Harry Rowohlt siehe:
Harry Rowohlt (Übersetzung) - Alan Alexander Milne: Pu der Bär - Pu baut ein Haus (2006)
Harry Rowohlt: Der Kampf geht weiter! - Nicht weggeschmissene Briefe (2006)
Harry Rowohlt (Text): Ich, Kater Robinson (2011
Harry Rowohlt (Übersetzung) - Philip Ardagh: Familie Grunz hat Ärger (2013)

Buechernachlese © Ulrich Karger


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