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Im Sommer 1943 entscheidet sich Fritz Kolbe für den Widerstand gegen das Naziregime. Als Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes hat er Zugang zu streng geheimen Dokumenten und er muss des Öfteren Kurierfahrten in die Schweiz unternehmen. Dort nimmt er Kontakt zu den Amerikanern auf und übergibt ihnen hochbrisantes Material, u.a. zu Geheimcodes oder den genauen Lageplan der Wolfsschanze. Die Alliierten nutzen jedoch nicht alle seine Informationen und Kolbe beginnt mehr und mehr an seiner Mission zu zweifeln. Aber Marlene, die Frau, die ihm alles bedeutet, ermutigt ihn zum Weitermachen. Bis es zu einem folgenschweren Unfall kommt …
Andreas Kollender hat mit "Kolbe" einen Roman vorgelegt, der sich auf reale Begebenheiten und mit Fritz Kolbe auf einen Mann bezieht, der erst lange nach seinem Tod rehabilitiert und 2005 durch den damaligen Außenminister Joschka Fischer mit einer Rede und der Benennung eines Saals innerhalb des Ministeriums nach ihm geehrt wurde.
Dieser Roman hingegen bleibt leider unter den Möglichkeiten seiner Gattung. Ein Roman kann insbesondere Lücken schließen bzw. füllen, wenn die Quellenlage schlecht oder nicht eindeutig ist. Aber in diesem Fall gibt es die Kolbe-Biografie des französischen Journalisten Lucas Delattre, die einerseits Joschka Fischer zu seiner Ehrung angeregt hatte und die auch Kollender ausdrücklich dankend als seine Hauptquelle einführt. Doch der Autor nutzt sie offenbar nicht konsequent und verändert ohne weitere Erläuterung Namen wichtiger Protagonisten wie Kolbes zweiter Ehefrau, die selbst im Wikipedia-Artikel zu Fritz Kolbe ohne Pseudonym eingeführt sind. Was bei "Marlene" noch wegen eines Schutzes der Persönlichkeitsrechte erklärt werden könnte, ist bei ihrem Arbeitgeber (lt. Wikipedia: Ferdinand Sauerbruch) und dem direkten Vorgesetzten von Kolbe (lt. Wikipedia: der als Kriegsverbrecher verurteilte Diplomat Karl Ritter) nicht einzusehen.
Die Sprachregelung des Autors ist sichtlich bemüht, den damaligen Zeitgeist widerzuspiegeln, was jedoch dazu führt, dass man beim Lesen denkt, eine "knarrende" Schwarte aus den 1950ern in Händen zu halten. (Harald Gilbers ist im Vergleich dazu in seinen Romanen Germania und Odins Söhne weit geschmeidiger!) Dennoch entwickelt sich wegen des Handlungsablaufs, der ja auf realen Gegebenheiten beruhen soll, ein Spannungsbogen, der bis zum Ende trägt - nur um dann einen vorzeitigen Abbruch zu erleben. Geschuldet ist dieser offenbar der sich selbst gemachten Vorgabe, vor allem einen "Spionageroman" zu verfassen anstelle eines biografischen Romans, der ggf. auch Lücken in der Biografie Delattres nach Kriegsende füllt. Doch selbst der "Spionageroman" weist logische bzw. unaufgelöste Brüche auf, da selbst die wahrscheinlich sogar belegten Tatsachen im Handeln Kolbes nicht immer plausibel entfaltet werden.
Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht - immerhin macht dieser Roman nun neugierig auf die auch ins Deutsche übersetzte Biografie von Lucas Delattre, die derzeit jedoch leider nur gebraucht zu erwerben ist (s.a. Angebote bei >>> Amazon).
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