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Ob die Tigerente je derart weltweit ausgeschlachtet wird wie Micky
Maus? Vermutlich nicht. Ihr Erfinder Janosch lebt bereits seit 1980 auf
den Kanarischen Inseln und ist hierzulande zumeist nur noch durch das,
was er geschaffen hat, gegenwärtig. Neben den Bilderbüchern,
Zeichentrickfilmen und dem Trailer zur samstagnachmittäglichen (oder
sonntagmorgendlichen) Kinderfernsehpflichtsendung sind das auch Romane
für Erwachsene.
In "GASTMAHL AUF GOMERA" ist Janosch nahezu die Quadratur
des Kreises gelungen. An irgendeinem Montag erhält er den Brief eines
gewissen Jerzey Skral, einem polnischen Journalisten, der Janosch gerne
treffen würde, um eine Biographie über ihn zu schreiben. Nun
hat sich Janosch ja gerade wegen solcher Ansinnen auf die Kanaren zurückgezogen,
und deshalb antwortet er auf diesen und auch den nächsten Brief Skrals
nicht. Dann scheint Skral den richtigen Ton gefunden zu haben: Man könne
sich ja in einer Bar "zufällig" treffen und reden oder auch
nicht. Sie verbringen einige Tage zusammen, aber ob Skral irgendetwas verstanden
oder auch nur etwas "Brauchbares" erfahren hat, bleibt ungeklärt.
Das Buch hat Janosch dann auch nur für den Fall geschrieben, daß
der Journalist - so wie die meisten - sich am Ende nur Blödsinn aus
den Fingern saugen. Über bestimmte, nach seiner Meinung, sattsam bekannte
Details wie die Kurz-nach-dem-Krieg-Geschichten geht Janosch in knappen
Absätzen hinweg. Sein Antrieb ist der Drang nach Freiheit, und wenn
er sich grundsätzlich das Fleischessen versagt, dann muß er
mindestens einmal im Jahr gegen dieses Gebot sündigen, um nicht Sklave
einer, auch nicht der eigenen Weltanschauung zu sein. So erfährt man
schließlich doch Details, z.B. warum er sich nur noch Janosch nennt
und seine Eltern nicht nachträglich heiligsprechen kann oder warum
er kein Idylliker, sondern vielmehr darum bemüht ist, hundsgemein
zu sein und das unbemerkte Lügen zu lernen. Eine Autobiographie, die
keine sein will und auch keine ist, denn mit seinen Formulierungen des
kleinen Wahnsinns hält Janosch alles in der Schwebe und trifft so
mitten in den Kern seiner Wahrheiten. Ein Anarchist des Leben-und-leben-lassens.
Ein wunderbares Buch.
Weitere Besprechungen zu Werken von Janosch siehe:
Janosch: Schäbels Frau (1992)
Janosch: Gastmahl auf Gomera (1997)
Janosch: Riesenparty für den Tiger (2021, Neuausgabe)