buechernachlese.de
|
Eines haben sie beide gemeinsam: Sie entführen uns in eine von
'christlich'-religiösen Spitzfindigkeiten zerriebene Epoche, zwischen
deren Mühlsteinen mehr Menschen das Leben ausgequetscht wurde, als
es die Augusti und Caesaren der ersten 4 Jahrhunderte n.Chr. mit ihren
Christenverfolgungen vermocht hätten. Den Bewertungen zu Eccos Millionenseller
DER NAME DER ROSE ist nichts weiter hinzufügen. Außerdem hat
Noah Gordon seinen Roman DER MEDICUS ganz anders aufgebaut.
1021 hatte der 9-jährige Robert (Rob) Jeremy Cole Glück im
Unglück. Da Rob zwar essen, aber noch nicht so hart arbeiten konnte
wie ein Erwachsener, wäre er nach dem Tode seiner Eltern wohl als
'Unfreier' verkauft worden, wenn nicht der durch London reisende Henry
Croft ihm die zwar ungewisse, aber gerade deswegen immer noch beschütztere
Zukunft eines Baderlehrlings angeboten hätte. Zusammen vollführten
sie dann eine standesgemäße Gratwanderung, denn machten sie
ihre Arbeit zu gut, mußten sie schnell fliehen. Dem Klerus war die
'Ärzteschaft' sowieso ein Dorn im Auge, griff sie doch ständig
in den 'Willen Gottes' und damit in dessen schwarzbemäntelte Machtbefugnis
ein. Rob wollte noch mehr von der Heilkunst lernen, zuoft waren er und der Bader an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gestoßen. Bei einem 'chirurgus' oder einem
'richtigen' medicus in die Lehre zu gehen, war aber sinnlos, da diese,
außer von den Honorarforderungen, zumeist noch weniger vom Heilen
wußten, als der alte Bader. Als dieser nun, der ihm zuletzt ein gleichberechtigter
Partner war, stirbt, setzt Rob einen verwegenen Plan in die Tat um, und
erreicht schließlich sein Ziel, über den Tellerrand seiner englisch-christlichen
Kollegen zu schauen.
Von London bis Isfahan in Persien und zurück breitet Noah Gordon
seine Bühne aus. In der Begegnung Robs 'mit dem kleinen Manne auf
der Straße' - sei es nun Christ, Jude oder Muslim - zeichnet Gordon
deren jeweiligen Eigenheiten und Größe sowie den sie beeinflußenden,
allumfassenden Irrwitz machtpolitisch-religiöser Interessen auf, der
die meisten in ihren gewohnten Nicht-Denkschemata gefangen hält.
Vor diesem Buch muß gewarnt werden. Noah Gordon erzählt
so fesselnd, daß einem schon mal beim 'Zwischendurchlesen' die Milch
anbrennt. Vom Zeitgeist unabhängig hält DER MEDICUS ein weiteres
nach wie vor notwendiges P1ädoyer der Toleranz.
Weitere Besprechungen zu Werken von Noah Gordon siehe:
Noah Gordon: Der Diamant des Salomon (1993)
Noah Gordon: Der Medicus von Saragossa (1999)
Medicus-Trilogie
Noah Gordon: Der Medicus (1987)
Noah Gordon: Der Schamane (1992)
Noah Gordon: Die Erben des Medicus (1995)