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Einmal mehr meldet sich Peter Glotz mit einem Buch zu Wort. Sein politisches
Tagebuch beginnt mit dem Ambiente einer Dreikönigsrede 1993 in seinem
Münchner Wahlkreis und endet mit dem Abgesang zur Bundestagswahl am
16. Oktober 1994. Überschrieben ist es mit DIE JAHRE DER VERDROSSENHEIT.
Diese zwei Jahre waren "übrigens nichts Besonderes. Ich wollte
die bleierne Zeit, das stickige Zeitalter erfassen". Diese Aussage
im Vorspann nimmt angesichts des Superwahljahres '94 schon Wunder, trifft
allerdings in ihrer Ambivalenz auch den Kern dieses Werkes. Seine Analysen
über die globalen Zusammenhänge zwischen neuen Kommunikationsmedien,
der Wirtschaft und staatspolitischer Hilflosigkeit sind stichhaltig und
nicht so leicht vom Tisch zu wischen. Diesbezügliche Auszüge
aus den Reden vor dem Bundestag oder aus den zahlreichen, bereits in Zeitungen
veröffentlichten Artikeln, sind durchaus mit Gewinn zu lesen. Auch
einige der eingeschobenen Miniaturen über Land bzw. Stadtbezirk und
Leute rühren zuweilen an, aber dann...
Schilderungen gehetzten
Pendlerdaseins oder parteispezifischer Intrigenspiele zielen mehr auf Mitleid
denn auf Information. So streift er z.B. Engholms Rücktritt nur in
zwei, drei dürren Sätzen. Dabei scheint sich Glotz doch jetzt
aus der Politik zurückzuziehen. Warum hat er die Chance nicht genutzt
und uns unverschlüsselte Einblicke in die entfremdete Betriebsamkeit
eines Abgeordneten und die derzeitige Konzeptionslosigkeit der SPD gewährt?
Und wenn schon so leichte Kost, warum dann mit der Blöße des
ewig Verkannten, der schwermütig seinen Doderer zitiert anstatt seinen
Hang zu höheren Weihen und dem kultivierten Who's Who mit gehöriger
Selbstironie zu feiern?
Weitere Besprechungen zu Werken von Peter Glotz siehe:
Peter Glotz: Im Kern verrottet? (1996)
Peter Glotz: Die Jahre der Verdrossenheit (1996)