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Anfang der 1970er war "A Clockwork Orange" dank Stanley Kubrik ein Kultfilm,
das Buch dazu schrieb Anthony Burgess bereits 1962. Nach dreißig
Jahren legt der Klett-Cotta Verlag nun die erste Hardcover-Ausgabe dieses
Romans in der autorisierten Übersetzung von Wolfgang Krege vor. Krege
hat das scheinbar Unmögliche vollbracht und die Geschichte von Alex
nahezu authentisch ins Deutsche übertragen. Alex erzählt nämlich
in Nadsat, einer Sprache, vergleichbar der Ganovensprache des 19.Jahrhunderts,
die sich vor allem durch ihre Lautmalerei auszeichnet, dabei aber die Comic-Kürzel
für Geräusche (Boingboing etc.) bei weitem übertrifft.
Alex berichtet nun in diesem Nadsat von den Überfällen und
Mißhandlungen, die er mit seiner Gang (Droogs) an harmlosen Bürgern
begangen hat. So ungeheuerlich diese Gewalttaten im Film anzusehen waren,
so eigentümlich gefiltert dringen sie beim Lesen durch. Das Nadsat
wirkt wie eine Maske und man schlüpft in die "Logik" von Droogs, mit
der man das Ausleben dieser Exzesse vorerst nahezu unberührt nachvollziehen
kann. Gewalt erzeugt Gegengewalt, und die Regierung hat deshalb eine "Therapie"
entwickelt, die Gefängniskosten etc. sparen helfen soll. In einem
zweiwöchigem Programm werden die in den 60igern durch Skinner populär
gewordenen Erkenntnisse der Verhaltenskonditionierung "konsequent" umgesetzt,
und Alex hat daraufhin keine freie Willensentscheidung mehr. Alles was
mit Gewalt zusammenhängt, löst fortan Übelkeit und Schlimmeres
bei ihm aus. Zum Schluß sorgt Burgess für eine faustdicke, letztlich
aber nur folgerichtige Überraschung, die hier nicht verraten werden
soll.
Nicht nur angesichts der Hemmungslosigkeit vieler Jugendlicher von
heute ist DIE UHRWERK-ORANGE von beklemmender Aktualität. Auch die
in diesem Roman beschriebene Herangehensweise der Gesetzeshüter hat
offenbar eine zeitlose Komponente. Stichwort: Symptombekämpfung. Was
auf den ersten 10 Seiten noch befremdlich erscheint, das Lesen dieses Nadsat-slangs,
hindert einen schließlich nicht daran, diesen Roman in einem Zug
auslesen zu wollen. Das Packende ist nicht die Gewalt, sondern das Vorführen
dieser Gewalt und ihrer Mechanismen, was einen spätestens am Schluß
zur differenzierten Stellungnahme zwingt. Daß Buch und verfilmtes
Buch zweierlei sind, ist eine Binsenweisheit, aber in diesem Fall ist das
Buch, bei aller Wertschätzung für Kubrick, dem Film vorzuziehen.
Weitere Besprechungen zu Werken von Anthony Burgess siehe:
Anthony Burgess: Die Uhrwerk-Orange (1993)
Anthony Burgess: Belsazars Gastmahl (1996)