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Annie Dunne lebt auf dem kleinen Hof ihrer Cousine Sarah in Kelsha, einem abgelegenen Ort zwischen den Bergen in der irischen Grafschaft Wicklow. Beide Frauen um die 60 Jahre alt, beaufsichtigt Annie im Sommer 1959 einmal mehr die beiden Kinder ihres Neffen - was Annie trotz ihrer mühseligen Arbeit bisher niemals als Belastung, sondern stets als große Freude erlebt hat. Doch dieses Mal scheint der Sommer für Annie von einer Art bedrohlichen Dunkelheit überlagert zu werden. Nicht zuletzt, weil sich ein Mann im Leben Sarahs breit macht, um an ihren Hof zu kommen - was womöglich auch zur Obdachlosigkeit Annies führen könnte …
Mit "Annie Dune" wird im Steidl Verlag nun auch (endlich!) die Übersetzung eines Romans von Sebastian Barry nachgereicht, der im Original bereits 2002 vorlag. Spielten dessen zuletzt auf Deutsch erschienenen Romane während und nach dem Bürgerkrieg in den USA und waren allein schon durch die äußeren Umstände samt dem allgegenwärtigen Rassismus voller Dramatik, scheint das Leben von Annie Dune auf dem einsam gelegenen Hof in einem rückständigen Irland weit beschaulicher gewesen zu sein. Aber das täuscht.
Allein die sich nach und nach mitteilende Lebensgeschichte zeugt von einem unverschuldet tiefen Fall aus einem angesehenen Elternhaus in Dublin, der Annie buchstäblich auf die Straße setzte. Am Ende musste Annie froh sein, immerhin von Sarah freundlich aufgenommen worden zu sein - wenn auch ohne jeden Komfort, wie er auch schon Ende der 1950er genossen werden konnte. Und nun bedrohte der um Sarah herumscharwenzelnde Billy Kerr selbst dieses kleine Glück …
Denn so unscheinbar dieses Dasein auch war, barg es doch viele kleine Glücksmomente, die ein Lächeln hervorzurufen vermochten.
Und so geht es einem auch dank der Übersetzungskünste von Claudia Glenewinkel und Hans-Christian Oeser, die Sebastian Barrys pointierte und klischeefreien Figurenzeichnungen genauso treffend wiederzugeben vermögen wie auch deren Beziehungen untereinander. Diese Beziehungen schillern in nahezu allen Farben einer Gefühlspallette und können vom trockenen Witz bis zur reinen Panik alles an- und aussprechen.
Ein meisterhaft angerichteter, sprachlicher Hochgenuss!
Weitere Besprechungen zu Werken von Sebastian Barry siehe:
Sebastian Barry: Tage ohne Ende (2018)
Sebastian Barry: Tausend Monde (2020)
Sebastian Barry: Annie Dunne (2021)