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Schon die ersten Lebenstage Eliza Sommers sind reich an tragikomischen
Zügen. Sie wird in einer Seifenschachtel, nur von einer Männerweste
umwickelt, vor der Tür eines Geschwisterhaushaltes in Valparaiso gefunden.
Jeremy, John und nicht zuletzt Rose Sommers hatten Anfang der 30er Jahre
des vorigen Jahrhunderts London verlassen und sich hierher zurückgezogen.
Aus gewissen Gründen. Während der moralinsaure Jeremy zu Ansehen
in der chilenischen Vertretung der British Trading Company kommt, hält
sich John als Kapitän nur hin und wieder bei seinen Zwischenaufenthalten
in Valparaiso auf. Für das gesellschaftliche Leben und die Haushaltsführung
der drei ist die "gefallene" Rose zuständig. Rose war es dann
auch, die Jeremy schließlich von der Adoption dieses Babys überzeugte
und Eliza im Lauf der Jahre zu einer gebildeten jungen Frau heranzog. Nur
in einem versagte "Miss Rose": Eliza die Erfahrungen ihrer Jugend
zu ersparen. Noch keine 17 Jahre alt, nimmt Eliza die für sie fast
tödlichen Gefahren als blinde Passagierin auf sich, um ihren verschwundenen
Geliebten in San Francisco zu suchen. Dort versinkt gerade nahezu alles
im berühmt-berüchtigten "Goldrausch"...
Isabel Allende hat sich mit einem Roman zurückgemeldet, der, was
Aberwitz und Fabulierkunst angeht, direkt beim "Geisterhaus" anknüpft.
Sie beweist darin einmal mehr, daß das klassische Motiv odysseehafter
Irrfahrten und den Suchen nach dem einen "Schatz" noch längst
nicht ausgereizt ist. Dazu muß man allerdings auch ein schier unerschöpfliches
Reservoir von Biographien im Kopf haben (oder sich ausdenken können),
und in der Lage sein, diese in fesselnde Netzwerke menschlicher Beziehungen
einzuarbeiten. Selbst die Nebenfiguren strotzen geradezu vor Plastizität
und lassen keinen unberührt. Und natürlich haben hier auch wieder,
wohldosiert, Geister ihren Auftritt. Gleich einem Bindeglied begegnen sich
in diesem Werk ihre südamerikanischen Vertreter mit chinesischen.
Isabel Allende gibt mit "Fortunas Tochter" der puren Leselust Zucker und
spielt mit so manchem Klischee, nur um es alsbald wieder aufzubrechen.
Ihre Gabe auf einer breiten Klaviatur die Leserschaft und insbesondere
deren Zwerchfelle zu berühren, geht einher mit dem unverkrampften
Umgang von Weisheit und der daraus resultierenden Forderung nach Toleranz
und dem Respekt vor jedem Individuum.
Weitere Besprechungen zu Werken von Isabel Allende siehe:
Isabel Allende: Der unendliche Plan (1992)
Isabel Allende: Paula (1995)
Isabel Allende: Fortunas Tochter (1999)
Isabel Allende: Die Stadt der wilden Götter (2002)