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Henry Roth

Nenn es Schlaf

Roman. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 1998, 525 S., ISBN: 3-462-02700-X, >>> Amazon
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1907 übersiedelt der knapp zweijährige David Schearl mit seiner Mutter von Galizien in die Lower-East-Side New Yorks. Der vorausgezogene Vater erweist sich aber bereits beim ersten Kennenlernen als jähzornig und unberechbar. David klammert sich umso mehr an seine liebevolle Mutter, die sich wiederum wegen ihrer mangelnden Sprachkenntnisse nur noch auf das Kind konzentriert. Aber nicht nur die überfürsorgliche Mutter und der ihn stets verachtende Vater treiben David schließlich mit 8 Jahren zu einer Wahnsinnstat an. Die Lower-East-Side ist das Armenhaus New Yorks und alle Kinder sich selbst und ihren anerzogenen religiös-ethnischen Ressentiments (insbesondere zwischen Juden und Christen) ausgeliefert.
Daß Kiepenheuer & Witsch NENN ES SCHLAF nun wieder in neuer (hervorragender!) Übersetzung vorlegt, hat sicher auch mit den Erfolgen der beiden letzten im Beltz-Verlag erschienen Romane von Henry Roth zu tun. Zwischen diesen, von kommentierenden Einsprengseln durchbrochenen Werken und seinem Erstlingswerk veröffentlichte Roth immerhin 60 Jahre lang keine Romane mehr.
NENN ES SCHLAF hat über die Jahre hinweg nichts an seiner Aussagekraft verloren. Die Entschlüsselungen der letzten Romane im Kopf hat die Lektüre von NENN ES SCHLAF einen besonderen Reiz und beweist zugleich die frühe, nicht umsonst durch eine weltweite Millionenauflage gewürdigte Meisterschaft Roths. Seine Millieuschilderungen können sich in ihrer Genauigkeit mit Zilles Bilder messen, die Poesie in der Beschreibung kindlichen Ausgeliefertseins übertrifft sogar einen Hermann Hesse. Gerade auch die im Slang überlieferten Dialoge zwischen den Kindern dürften seiner Zeit um Jahre voraus gewesen sein. Man liest dieses Buch atemlos bis zu letzten Seite, stets um diesen Unglückswurm David bangend, der wie durch ein Wunder das permanente Schlingern zwischen Skylla und Charybdis überlebt - und mit seiner Überlebensgeneration die Generation unserer kriegerischen Vorväter bildete.

Siehe auch Rezensionen zu:
Henry Roth: Die Gnade eines wilden Stroms (1996)
Henry Roth: Ein schwimmender Fels am Ufer des Hudson (1997)
Henry Roth: Nenn es Schlaf (1998)

Buechernachlese © Ulrich Karger

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