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Michael Roes

Der Coup der Berdache

Roman. Berlin Verlag, Berlin 1999, 492 S., ISBN: 3-8270-0313-X, >>> Amazon
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Der Polizeipsychologe Thor Voelcker soll ein Täterprofil entwerfen. Die Ausgangslage zu seinen Untersuchungen ist allerdings mehr als dürftig. Ihm wird lediglich mitgeteilt, daß in einem Nachtclub ein FBI-Agent skalpiert wurde. Das Opfer überlebte zwar den Anschlag, kann und will sich aber später nicht einmal darauf festlegen, ob der Täter ein Mann oder eine Frau war. Voelcker spürt, daß die Ungenauigkeit in diesem Punkt ausnahmsweise nicht nur mangelnden Kooperationwillen zwischen Vertretern zweier Behörden signalisiert, sondern auf einer tatsächlichen Unsicherheit des Befragten beruht. Er sucht daraufhin nach Insider-Wissen über die Neigung, die Geschlechterrolle zu wechseln. Die indianische Ethnologin Joan bzw. John Bayou sowie die Drag Queen Elektra sind aber bald nicht nur Informanten, sondern sehen sich in den Strudel eines Komplotts hineingesogen, der seine ersten Kreise bereits im Zweiten Weltkrieg zog.
Fesselnd wie ein Grisham und literarisch ambitioniert bzw. "pikaresk" wie Günter Grass beweist Michael Roes mit seinem neuen Roman "Der Coup der Berdache", daß "gute" Literatur im besten Sinne verwirrend und zugleich mitreißend sein kann. Drei sich einander abwechselnde Stimmen weben einen Erzählteppich, der so manche vermeintliche Gewißheit auf den Kopf stellt. Egal, ob es nun um die Geschlechterrollen geht oder die Integrität amerikanischer Behörden. Selbst die Dialoge verschwimmen hier zu einem, die einzelne Stimme zuweilen unkenntlich machenden Ganzen, da ja auch die Wechsel zwischen Täter- und Opferrolle fließend sind. Und diese Stimmen sind von einer wunderbaren Lakonie, daß einem immer wieder das Lachen im Halse stecken bleibt. Am Ende wird man dieses Buch voller Erwartung auch noch ein zweites Mal lesen - und wieder Neues entdecken, z.B. die punktgenaue Poesie, mit der Roes Orte wie einen Sexclub oder ein Indianerreservat beschreibt, oder solch kleine Anspielungen, wie den Namen Pauline Kerr für eine Kritikerin der Times. Das Verblüffendste aber dürfte sein, daß der Autor kein US-Amerikaner ist, so unaufdringlich vermochte Roes seine offenkundig fundierten Recherchen in Literatur umzusetzen.

Weitere Besprechungen zu Werken von Michael Roes siehe:
Michael Roes: Der Coup der Berdache (1999)
Michael Roes: Haut des Südens (2000)

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