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Madurer darf nicht nach draußen. Er ist schwerkrank. Sonnenstrahlen und kleinste Staubkörner würden bei ihm heftige allergische Reaktionen auslösen, die für ihn tödlich wären. Madurers Vater ist jedoch ein mächtiger Burban, der alles unternimmt, um das Schicksal seines geliebten Sohnes zu erleichtern. So lädt er Sakumat ins Haus. Sakumat gilt als der beste Maler jener Zeit und soll nun die fensterlosen Zimmer Madurers farbenprächtig ausgestalten.
Im poetischen Sprachduktus eines orientalischen Märchens entwickelt Roberto Piumini eine geradezu meditative Geschichte über die Wahrnehmung der Welt, zu der eben auch der Tod gehört. Von außen betrachtet, passiert in dieser Geschichte nicht viel. Ein Maler erhält einen Auftrag und führt ihn bis zu Ende aus. Doch dieser Sakumat ist von empathischer Weisheit: Nicht er bestimmt den Inhalt der Bilder, sondern er hält Madurer an zu entscheiden, was die leeren Wände füllen soll. Trotz der äußerst labilen Gesundheit Madurers nehmen sich beide viel Zeit dafür. Und als der erste Pinselstrich entschieden ist, entstehen bald Landschaften von großer Weite, an denen im Lauf der Monate sogar die Jahreszeiten abzulesen sind, ein Punkt am Horizont des Meeres zu einem Schiff wird, das sich nähert, Schafherden sich vergrößern und verkleinern, Blumen erblühen und verwelken. Jedes Detail ist mit einer Geschichte oder einer Überlegung verbunden, was unter anderm auch zur Folge hat, daß sich der Kranke und der Maler sehr nahe kommen und Freunde werden. Und als Madurer schließlich stirbt, will Sakumat keine Belohnung noch wird er je wieder ein Bild malen.
Eine schöne Geschichte über das Sterben eines Kindes? Piumini ist hier eine zeitlos gültige, sprachgenußreiche Provokation gelungen. Sein Tonfall ist sanft, aber nicht besänftigend, sein Held ist sterbenskrank, aber sein Vorstellungsvermögen reicht über den eigenen Tod hinaus. Der Autor singt in ergreifend zarten Sprachbildern nicht zuletzt ein hohes Lied auf das Lebensstiftende der Kunst. Diesem Überwinden jedweder Beschränkung durch die Phantasie wird sich denn auch keiner entziehen können, egal ob Kind oder Erwachsener, ob gesund oder krank: Gefesselt von dem Wagnis Madurers, das Unmögliche zu versuchen, verspürt man am Ende wie er die nötige Gelassenheit, dem Unvermeidlichen gefaßt ins Auge zu sehen.
Weitere Besprechungen zu Werken von Roberto Piumini siehe:
Roberto Piumini: Eine Welt für Madurer (1999)
Roberto Piumini: Der Diener der bösen Geister (2001)