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Nach der "sanften Revolution" kehrt der Ökonomieprofessor
Viktor Král aus dem Exil zurück und wird Regierungsberater.
Er ist nach wie vor die große Liebe der Pragerin Petra Márová.
Die üblichen Ablösungsprobleme mit ihrer mittlerweile 17-jährigen
Tochter sowie die bis dahin gesammelten Männerbekanntschaften stehen
einer Erneuerung dieser leidenschaftlichen Beziehung nicht im Wege - schon
eher die Ehe Viktors mit einer wesentlich jüngeren Frau und deren
gemeinsames kleines Kind. Aber auch damit hätte Petra Márová
gut umgehen können, wäre da nicht ein neuerlicher Schatten aus
der Vergangenheit aufgetaucht: Viktors Name wird im Agentenregister des
alten Regimes gefunden.
Ein anderer Verehrer von Petra war Major der Staatssicherheit, der
früher Dissidenten geschützt haben will. Er gesteht, Viktor ohne
sein Wissen in das Register eingetragen zu haben, um ihm die Ausreise zu
ermöglichen. Später behauptet er sogar, Viktor sei tatsächlich
ein geheimer Informant gewesen. Einer der beiden Männer lügt,
aber wer?
Mit Petra Márová hat Pavel Kohout eine nicht nur in ihrer
Lebens-und Liebeslust üppige Figur geschaffen. Diese spontane und
ihre Spontanität verfluchende Ich-Erzählerin erscheint von der
ersten Zeile an glaubhaft. Als Rivalin ganz Frau, mit gesundem Menschenverstand
und einem ungetrübten Verhältnis zur Sexualität ausgezeichnet,
kämpft sie jeden Tag aufs Neue gegen ihre eigenen Widersprüche
und Unzulänglichkeiten an. Sie hat Prinzipien, aber diese hat sie
als (hervorragend übersetzte) Tschechin, die vor den Prinzipien zuallererst
ihr Herz sprechen läßt. So könnte sie sich durchaus Situationen
vorstellen, in denen ihr Viktor der Staatsicherheit gegenüber hätte
schwach werden dürfen, ohne daß sie ihm deshalb ihre Liebe versagt
hätte. Aber dafür verlangt sie auch lieber früher als später
rückhaltlose Offenheit. Auf Dauer mit einer Lüge leben, das kann
Petra Márová nicht.
Pavel Kohout hat einen furiosen Liebesthriller geschaffen, der in seiner
kurzweiligen (Selbst-)Ironie eine hilfreiche Übersetzung des sperrigen
Begriffes "Vergangenheitsbewältigung jüngster Geschichte"
zu leisten vermag und eine/n jede/n berühren müßte.
Weitere Besprechungen zu Werken von Pavel Kohout siehe:
Pavel Kohout: Ich schneie (1992)
Pavel Kohout: Sternstunde der Mörder (1995)
Pavel Kohout: Meine Frau und ihr Mann (1998)