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Ein riesenhafter, bis dahin in seiner Art unbekannter Menschenaffe
flieht von einem Schiff, das gerade die Themse heraufgesegelt ist. Kaum
wieder eingefangen, sorgt das "Erasmus" genannte Wesen zuerst in
der Londoner Upperclass, zuletzt weltweit für einige Aufregung. So
erhofft sich zunächst Adam Burden höchste wissenschaftliche,
seine Schwester Andrea höchste gesellschaftliche Anerkennung. Nur
Adams Frau Madelene scheint erst einmal völlig bar jeder Ambitionen
zu sein. Dann aber beginnt für sie, die ihre Langeweile nur noch mit
verdünntem Methylalkohol zu überschwemmen vermochte, eine abenteuerliche
und erregende Liebesgeschichte. Sie muß Erasmus aus den Fängen
Adams retten. Denn Erasmus ist mit den Menschen nicht nur sehr nah verwandt,
sondern in der Evolution einen Schritt über sie hinausgewachsen. Jedoch
gegen die Dynamik angeblich gesellschaftlicher Interessen scheint kein
Kraut gewachsen zu sein. Nach und nach gerät ein Weltbild nach dem
andern aus den Fugen...
Spätestens mit DIE FRAU UND DER AFFE kann keiner mehr von Zufallstreffer
reden, muß Peter Hoeg als Autor von Weltrang gelten. Einmal
mehr bettete Hoeg sein großes Thema - Liebe zu jedweder Kreatur,
also auch Liebe zum Menschen - in einen reizvoll ungewöhnlichen Plot.
Dieser Roman nun bietet sich im Vergleich zu "Fräulein Smillas Gespür
für Schnee" sogar sehr gefällig dar, strömt einem förmlich
entgegen. Die erste große philosophische Frage nach Sinn und Sein
des Menschen ist wie ein Thriller aufbereitet, der einen die Seiten nur
so verschlingen läßt. Jedoch die weitere Konstante in Hoegs
bisherigem Schaffen bremst den Lesefluß und unterscheidet ihn vom
"einfachen" Bestsellerautor: Ihm und seiner kongenialen Übersetzerin
Monika Wesemann gelingt es, ein erstaunlich tiefgründiges Durchdringen
der Wirklichkeit in unzähligen Sprachbildern auszumalen, die einen
ob ihrer Virtuosität schier begeistern. Ohne ein Wort zuviel werden
komplexeste Gefühle und Sachverhalte derart eingängig und formvollendet
erörtert, daß man es gerade deshalb wenigstens zweimal lesen
will. Diese Kunst der Verständigung - wie jüngst kolportiert
- mit "Populismus" verwechseln zu wollen, zeugt nur von elfenbeinerner
Borniertheit. So wird auch die Beziehung zwischen Madelene und Erasmus
entwaffnend detailgenau, jedoch an keiner Stelle anzüglich oder gar
pornographisch "abgebildet" und hat mit Sodomie weiß Gott
nichts zu tun. Das Ende schließlich bietet in zweischneidiger Melancholie
gleich mehrere überraschende Volten und dürfte kaum einen Leser
unberührt lassen. Daß der kleingedruckte Hinweis auf den Fonds
des Autors zugunsten von Kindern und Frauen benachteiligter Weltregionen
nur Berechnung sein könnte, scheint nach der Lektüre jedenfalls
kaum glaubhaft.
Weitere Besprechungen zu Werken von Peter Høeg siehe:
Peter Høeg: Die Frau und der Affe (1997)
Peter Høeg: Das stille Mädchen (2007)
Peter Høeg: Die Kinder der Elefantenhüter (2010)