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Laut ihrem Papa ist Helsin ein "überdurchschnittlich fröhliches Mädchen", weil sie schon morgens beim Aufstehen meistens so gute Laune hat, dass sie selbst beim Anziehen ihrer Strumpfhose ein Lied singt. Und bekanntlich haben Strumpfhosen ja nie Lust, angezogen zu werden. Überdurchschnittlich ist auch Helsins Energie, die ihr Adleraugen verleiht und ihre Beine dauernd wie einen Flummi hüpfen lässt. Doch manchmal kocht diese Energie über und lässt Helsin alles nur noch feuerrot sehen. Und dann kommt das, was alle, die Helsin kennen, einen "Spinner" nennen. So auch, als dem neuen Mitschüler Louis die anderen vorgestellt werden und er bei ihr "Helsin, Apelsin, Apfelsine" murmelt. Helsin springt auf, ihr Stuhl kippt um und wenig später kracht Helsins Faust auf die Nase von Louis, die gleich zu bluten anfängt. Und dann ist der Spinner vorbei und Helsin sagt sofort: "Mist. Ähm. Schuldigung." Doch in Wirklichkeit ist es diesmal eben nicht vorbei …
Stefanie Höfler legt mit "Helsin Apelsin und der Spinner" nach drei preisgekrönten Jugendbüchern ihr erstes Kinderbuch vor, in dem Wut und Ausgrenzung eine Berg- und Talfahrt der Gefühle auslösen.
Helsin weiß, dass sie nach der finnischen Hauptstadt Helsinki benannt ist, wo sie vor achteinhalb Jahren geboren und gleich nach ihrer Geburt adoptiert wurde. Ihre Eltern lieben Helsin, wie sie ist und zeigen ihr, wenn nötig, auch ihr Grenzen auf. Und Helsins Fröhlichkeit, Bewegungsfreude und viele Spielideen sind ja auch wirklich liebenswert. Helsins Spinner gehen in der Regel schnell vorbei und danach ist alles wieder gut. Doch Louis zieht die Aufmerksamkeit der anderen Kinder von ihr ab, darunter auch die ihres bis dahin besten Freundes Tom. Da fühlt sich Helsin gemobbt. Alle wenden sich von ihr ab, tuscheln, wenn sie näherkommt und verbergen, was Louis da so Interessantes zu zeigen hat. Da entwendet Helsin Louis aus seiner Schultasche das, was ihm so viel Aufmerksamkeit einbringt. Wie die Autorin hier die Gleichzeitigkeit von Wut, Rache, Angst vor Entdeckung und aufkeimendes Mitgefühl für den "Beklauten" in Worte fasst und damit auch die großen Themen Liebe, Freundschaft und Ehrlichkeit beleuchtet, ist mitreißend und dürfte von jedem Kind nachvollzogen werden können. Überhaupt findet Höfler wunderbar treffende Sprachbilder, wenn z.B. Helsin am liebsten Abendlieder singt, weil sie am "traurigschönsten" klingen, oder der Opa von Louis ein Gesicht wie zerknülltes Papier hat oder das Glück sich warm wie ein frischer Pudding im Magen ausbreitet. Und als Helsin den freundlichen Opa von Louis kennenlernt, hat sich schon wieder eine Menge zum Guten gewendet - auch was den Spinner angeht, den dieser Opa aus eigener Erfahrung kennt. Seiner tauchte bald seltener und dann gar nicht mehr auf.
Mit den so witzig wie kongenial Helsins jeweilige Gefühlslage widerspiegelnden Illustrationen von Anke Kuhl, haben die 26 Kapitel jeweils genau die richtige Länge zum Vor- oder Selberlesen wie auch zum gemeinsamen Nachdenken mit den Vorlesenden oder/und in der Schule.
Weitere Besprechungen zu Werken von Stefanie Höfler siehe:
Stefanie Höfler: Tanz der Tiefseequalle (2017)
Stefanie Höfler: Der große schwarze Vogel (2018)
Stefanie Höfler: Helsin Apelsin und der Spinner (2020)