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"..., verfasse, weil aufgefordert, aus Gründen, die keine sind,
die mich aber, da sie als solche erklärt worden sind, dazu verpflichten,
sie als solche zu entkräften, vorliegendes Gesuch, von dem ich deshalb
gewünscht hätte, es nicht verfassen zu müssen."
Nach der Gedichtsammlung SIEBENBÜRGISCHE SPRECHÜBUNG nun
der Band ZAHLTAG mit Erzählungen des rumäniendeutschen Franz
Hodjak, der nach wie vor in Cluj-Napoca als Verlagslektor sein Auskommen
findet. Schade eigentlich - das, was für uns Deutsche auf der Bühne
nur noch die Kabarettisten Matthias Richling und allenfalls noch Martin
Buchholz zu leisten vermögen, würde in Hodjaks Prosa eine weitere,
dringend nötige Konkurrenz erfahren.
Die immer noch virulenten politischen Erschütterungen in Rumänien
sind nach Ceausescus Tod für die Rezeption der meisten Deutschen "abgehakt",
man fühlt sich höchstens noch von den bettelnden "Zigeunerkindern"
in unseren Straßen angewidert - bei allem Verständnis!
Dieses Verständnis wird sich wieder aufs Schwärzeste getäuscht
sehen. Statt einer sight-seeing-tour im vollklimatisierten Bus durch den
Elfenbeinturm wird die geschätzte Leserschaft u.a. von Vogelscheuchen,
weise Entrückten, verlassenen Verrückten und von auf Ehre haltenden
Schlägern in verschiedenen Bahnen zum Friedhof und seinem innewohnenden
"Personal" geführt.
Wo nichts mehr stimmt, hat der Tod noch etwas von letzter Wahrheit,
aber selbst die läßt sich vom Dorfgeiger Toni Dalara für
einen Slivowitz gnädig ins Gegenteil verkehren oder bei den Sedlaks
als vom alltäglichen Irrwitz geschleuderten Querschläger ins
nicht vorhersehbare Irgendwo jagen.
"... daß er verrückt ist und seinem Bein ein Begräbnis
erster Klasse bestellt, begreif ich, doch was glaubt er, was macht so ein
Bein im Jenseits, wartet es, bis sein Herr angerückt kommt, oder sucht
es sich einen neuen Herrn?"
Darauf der nächste Absatz:
"Bruno Sedlack preßte ihren Kopf an seinen Bauch und kraulte
sanft ihr Haar. Am besten, ich schneid ihr gleich die Gurgel durch, ging
es ihm durch den Kopf."
Manche seiner Protagonisten stehen offenkundig in direktem Verwandtschaftsverhältnis
zum Soldaten Schweijk, übertroffen nur noch von der geradezu schlafwandlerischen
Sicherheit, mit der F.H. das Repertoir seiner vielfältigen Konstruktionsmittel
genau auf die richtige Länge zurechtstutzt. Jeder Absatz ein Gedanke,
aus dem andere ein Gedicht drechseln könnten.
Der "elegische Witzbold und sanfte Trauerarbeiter", wie Peter
Motzan F.H. ehrenhalber betitelt, zeigt auf, daß Real-Satire oder
Alltagsgroteske tatsächlich eine Kunstform sein kann, die weit über
das VerKOHLen hinausreicht, und die es dann auch verdient, Allgemeingut
zu werden.
Natürlich erzählt F.H. von "seinem" Rumänien,
aber so fern ist dieses Rumänien nicht, als daß wir uns lediglich
eine Prise Galgenhumor schnupfend gemütlich zurücklehnen könnten.
Die Figuren seiner Geschichten waren, sind oder werden auch Figuren in
unserem Deuschland sein, die einer verwalteten Welt ohnmächtig gegenüberstehen.
Wohnungs- und Arbeitslosigkeit allein sind zugegebenermaßen allerdings
nicht so effizient und kurzfristig tödlich wie die Schergen der Securitate.
Eine von F.Hs. Geschichten, DIE JACKE, erhielt beim Wettbewerb um den
Ingeborg Bachmann-Preis in Klagenfurt den Preis des Landes Kärnten.
Diese Würdigung ist mehr als gerechtfertigt und würde noch manch
anderer dieser insgesamt 24 Erzählungen zustehen.
Weitere Besprechungen zu Werken von Franz Hodjak siehe:
Franz Hodjak: Zahltag (1991)
Franz Hodjak: Der Sängerstreit (2000)