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Das neueste Buch von Eike Christian Hirsch hat den leicht verfänglichen
Titel "Mein Wort in Gottes Ohr - Ein Glaube, der Vernunft annimmt". Tatsächlich
soll dieser Titel wohl weniger auf die Selbstgefälligkeit des Autoren,
als vielmehr auf die sehr unterschiedlichen Zugänge und Abgrenzungen
zum Christentum verweisen.
Ein weites Feld: Von der Frage über die Privatreligion bzw. die jeweiligen Definitionen, was Glaube ist, über Sigmund Freud zur Trennung von Glaube und Moral; von Blaise Pascal über Schleiermacher bishin zu den Vertretern des sogenannten New Age; von der Deutung der Passion und Ostern über die Qumranfunde zu Petrus, Paulus
und dem Jüngsten Gericht; von Urknall, Quarks und Künstliche
Intelligenz über Biochemie zu Chaos und Darwin; von Schuld und Bergpredigt
über privatisierte Pfarrer zu Religionsbeschimpfung und Albert Schweitzer.
Dieser Ansatz hat was: Zu zeigen, wie lang und dehnbar die Nabelschnur
christlicher Prägung ist, sollte zumindest die Notwendigkeit der bewußten
Auseinandersetzung mit dieser Religion und dem "Phänomen" Religion
verdeutlichen helfen.
Hirsch beweist zudem großes Talent, selbst
komplexeste Überlegungen wie sie z.B. die Naturwissenschaftler anstellen,
leicht verdaulich darzulegen und ihnen zuweilen bedenkenswerte Fragen anzuhängen.
Auch bemühte er sich, eigene Einschätzungen und Kommentare von
seinen Darlegungen abzuheben.
Die fünf mal acht Texte sind aber nicht
ganz aus einem Guß, d.h. sie sind nicht von gleicher Qualität
und scheinen über einen längeren Zeitraum verfaßt worden
zu sein. Insbesondere das erste und das letzte Kapitel fallen argumentativ
z.T. weit hinter die drei anderen zurück. Neben halbherzigen Definitionen
zum Glauben an sich und der speziellen Gegenüberstellung von Eros
und Religion rückt er u.a. Drewerman zuerst in die Nähe eines
unverbindlichen Religionssupermarktfilialleiters und an anderer Stelle
wertet er ihn deutlich zu einem auf, der um religiöse Lebendigkeit
weiß.
Noch seltsamer sind seine Schlußfolgerungen aus dem Phänomen
der Schuld, die jeder Mensch auf sich laden kann. Die Erkenntnis, daß
auch Kinder schuldig sein können, erörtert er ohne die Erkenntnis,
daß zur Entwicklung eines positiv gemeinten Schuldbewußtseins
dem jeweiligen Individuum auch ein entsprechender Rahmen gegeben werden
muß.
Auch die Tendenz, das Vergütungsprinzip amerikanischer
Gemeinden für Pfarrer als kreativitätsstiftend dem unseren vorzuziehen,
belegt eine gewisse saturierte Loskoppelung gesellschaftlicher Befindlichkeiten.
Da wundert es nicht, daß von der größten Umwälzung
dieses Jahrzehntes an keiner Stelle die Rede ist.
Ein harmlos "liberales"
Kaleidoskop zum besinnlichen Schmunzeln also, das angesichts der drängenden
Probleme unserer Kirchengemeinschaft mit seinen nur "frommen Ketzereien"
dann doch enttäuscht.
Weitere Besprechungen zu Werken von Eike Christian Hirsch siehe:
Eike Christian Hirsch: Kopfsalat (1989)
Eike Christian Hirsch: Mein Wort in Gottes Ohr (1995)