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Seit gut 1993 gibt Horst Herrmann die Essay-Reihe 'Querdenken!' heraus. Eröffnet wurde sie mit Karlheinz Deschner, der sich wie Horst Herrmann selbst die katholische Kirche zum Lebensinhalt gemacht hat, um ihr Erbse für Erbse sattsam bekannte Fehlleistungen nachzuweisen und darauf basierend gleich das ganze Christentum zu verwerfen. Den destruktiven Kirchenkritikern aber folgten konstruktive wie Eugen Drewermann und Friedrich Schorlemmer, die ihre Kirchen alles andere als makellos empfinden, deren Veränderung aber für möglich und sinnvoll halten. Letzterer äußerte sich eigentlich auch weniger über die Kirchen, sondern wie gewohnt in mitreißender Rhetorik zu politischen Fragen, insbesondere zur 'Ossi-Wessi'-Problematik. Schorlemmer verdeutlicht dabei einmal mehr, daß die Mündigkeit des Demokraten gerade aus der Mündigkeit des Christseins erwachsen kann.
Über den kirchlichen Dunstkreis hinaus fand neben Alfred Grosser, dem langjährigen Kommentatoren deutsch-französischer Befindlichkeiten auch Anna E. Rosmus ein Forum, ihre alptraumhaft grotesken Erfahrungen mit verdrängter NS-Geschichte darzulegen - leider auch hier verbunden mit dem Refrain nerviger Selbstbeweihräucherung. Ebenfalls zwischen den Stühlen plaziert sind die bisher in dieser Reihe versammelten Selbstzeugnisse von ParteipolitikerInnen. Jutta Ditfurths Beitrag wurde an dieser Stelle schon ausführlich besprochen, aber auch Regine Hildebrandt und Friedbert Pflüger meldeten sich zu Wort. Wer sich bei dem Redenschreiber des vormaligen Bundespräsidenten manchmal fragte, ob er nicht das falsche Parteibuch mit sich führt, erhält nun einigen Aufschluß über Pflügers dezidiert konservative Auffassungen, namentlich was die aus seiner Sicht eventuell nötigen 'out-of-area'-Einsätze der Bundeswehr angeht.
Der Vollständigkeit halber seien noch die übrigen AutorInnen Adolf Holl, Jutta Voss, Margarita Mathiopoulos, Herbert Achternbusch und (demnächst) die Kabarettistin Lisa Fitz genannt.
Allein die Vielfalt der in dieser Reihe vertretenen Standpunkte erlaubt bereits das Prädikat verdienstvoll. Darüberhinaus zwang das preiswerte Taschenbuchformat alle, ihr 'Was ich denke' in erfreulich aussagekräftiger Kürze abzufassen - für den ersten Blick über den eigenen Tellerrand gerade richtig.
Weitere Besprechungen zu Werken von Horst Herrmann siehe:
Horst Herrmann: Kirchenfürsten (1992)
Horst Herrmann: Hrsg. der Reihe "Was ich denke" (1994)