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Joachim und sein Vater sind auf der Suche nach einem Adventskalender.
Am Vorabend des 1. Dezember sind jedoch fast alle ausverkauft. Nur in einem
kleinen Buchladen gibt es noch zwei Sorten, die Joachim aber nicht so recht
gefallen. Da entdeckt er hinten in einem Buchregal noch ein Einzelexemplar
ohne Schokolade und ohne Plastikpüppchen. Es sieht wie handgemacht
aus und scheint so alt wie Joachims Vater zu sein. Auf der Rückseite
steht: "MAGISCHER ADVENTSKALENDER. PREIS: 75 Öre". Der Buchhändler
vermutet, daß ihn "ein komischer Vogel", namens Johannes dort
abgestellt hat. Als er jedoch Joachims Begeisterung bemerkt, schenkt er
ihm den Kalender.
Beim Öffnen der Fenster beweist der Adventskalender dann tatsächlich
eine Magie, die bald sogar die Eltern Joachims in ihren Bann zieht. Jedesmal
fällt ein kleiner Zettel heraus, auf dem in Fortsetzungen die Geschichte
einer Raum und Zeit überwindenden Pilgerreise bis nach Bethlehem zur
Geburt Jesu nachzulesen ist. Und jedesmal entdeckt Joachim dann eine neue
Figur auf dem Kalender, die er zuvor übersehen haben muß. Zudem
scheint es sich bei einem kleinen Mädchen der Pilgergruppe um eine
reale Person zu handeln, die tatsächlich vor vierzig Jahren aus einem
norwegischen Kaufhaus verschwunden ist ...
Es gilt einmal mehr vor Jostein Gaarder den Hut zu ziehen:
Wer sein Kind (und womöglich auch sich selber) auf das Eigentliche
von Weihnachten einstimmen will, wird an Gaarders "Weihnachtsgeheimnis"
seine helle Vorfreude haben.
Kenntnisreich und ohne Berührungsängste verwebt er darin
Kirchengeschichtliches, Biblisches und Legendenhaftes mit einer spannenden
Rahmengeschichte, die selbst erwachsene Skeptiker gefangen nehmen dürfte. Folgt die kleine Elisabeth in der Zettelgeschichte erst einem Spielzeuglamm
nach, das den "weihnachtlichen" Kaufhauslärm nicht mehr erträgt,
sind es mit ihr am Ende sieben Schafe, fünf Engel, die Heiligen Drei
Könige, Kaiser Augustus und der Landpfleger von Syrien, die sich auf
die Reise begeben haben. Aber diese Schar kommt keineswegs zuckrig-beschaulich
daher, sondern durchaus glaubwürdig. Elisabeths im besten Sinne weltbewegende
Fragen finden angemessene, zuweilen auch offengelassene Antworten, die
mit einem feinen Sinn für Situationskomik angereichert sind - ja sogar
für Existenzphilosophie, wenn König Balthasar in Anwesenheit
der Engel meint: "Alle Erzählungen über Engel könnten
Märchen sein."
Spitzfindigkeiten, Gedankenspiele und kritische Anmerkungen zur Kirchengeschichte
stellt Gaarder stets an den auch Kindern einleuchtenden Grundaussagen Jesu
zum Liebesgebot gegenüber, und gerade weil er sich hierbei kenntlich
auf das Neue Testament beruft, wird dieses Buch auch für Menschen
anderer oder keiner Bekenntnisse von Interesse sein. Zusammen mit Joachim
fiebert man dem Öffnen der allesamt bezaubernd von Rosemary Wells
illustrierten Fenster entgegen und kommt dem Weihnachtsgeheimnis gleich
mehrgleisig auf die Spur. Im Orginal bereits 1992 erschienen, stimmen übrigens
dieses Jahr auch wieder die Wochentage mit denen der Geschichte überein ...
Weitere Besprechungen zu Werken von Jostein Gardner und Sekundärliteratur dazu siehe:
Büchernachlese-Extra: Jostein Gardner