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Büchernachlese-Extras: Jostein Gaarder | Geschichten über Gott und die Welt

Jostein Gaarder

Das Leben ist kurz

Roman. Hanser Verlag, München - Wien 1997, 131 S., ISBN: 3-446-19082-1, >>> Amazon
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Der Plot ist von klassischer Schlichtheit: Der mittlerweile weltberühmte Autor Jostein Gaarder entdeckt auf einem Flohmarkt in Buenos Aires eine rote Kassette mit alten Handschriften. Es handelt sich hierbei mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Abschrift eines Briefes an Aurelius Augustinus, der mit seinen im 4. Jahrhundert verfassten "Bekenntnissen" zum "heiligen Kirchenvater" der katholischen Kirche erhoben wurde. Die Absenderin ist eine gewisse Floria, die als namenlose "Konkubine" in eben jenen Augustinus Bekenntnissen nur die Rolle eines seiner "irdischen Irrwege" spielt.
"Um des eigenen Seelenheils willen" galt es Augustinus, sich von ihr und der sündigen Fleischeslust überhaupt abzugrenzen. Floria "entlarvt" Aurelius Augustinus nun in ihrem Brief als ziemlich ignoranten Softi-Chauvi, der bis zuletzt unter der Fuchtel seiner eifersüchtigen Mutter stand. Dazu hat sie sogar all jene Philosophen und Evangelisten studiert, die auch ihren einstigen Lebensgefährten beeinflußt haben.
Zwar offiziell nicht verheiratet, währte das Zusammensein von Aurel und Floria immerhin gut fünfzehn Jahre. Und ihren gemeinsamen Sohn hatten sie noch lange vor den Anwandlungen Aurels "Adeodatus" (der von Gott gegebene) genannt.
In zehn Anläufen beziehungsweise in zehn Kapiteln entzieht Floria den Bekenntnissen des Augustinus Zitat für Zitat den Boden, wirft ihm in resignativ liebevoller Ironie seine Selbstvergessenheit und Bigotterie vor. Zuletzt gilt ihre Furcht vor allem dem, was "die Kirchenmänner eines Tages vielleicht mit Frauen wie mir machen werden."
Angefangen von den in Fußnoten vermerkten freien Übersetzungen des angeblichen lateinischen Orginaltextes bishin zum Nachwort, worin er seine Naivität beklagt, der Vatikanischen Bibliothek eben dieses "Original" ohne Quittung zur Überprüfung gegeben zu haben, bleibt Jostein Gaarder seiner Fiktion treu. Dennoch kann diese Konsequenz nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich hierbei um eine handwerklich durchaus saubere Kommentarstudie handelt. Der eigentliche Autor ist mit seinen mehr als die Hälfte des Buches füllenden Textzitaten Augustinus. Der Aufbau der Fußnoten, der Gebrauch von nicht weiter erläuterten Abkürzungen erinnert an den Textapparat popularwissenschaftlicher Sachbücher und setzt einige Vorkenntnisse voraus. Wer, insbesondere welcher Jugendliche weiß heutzutage schon, daß Kor. 7, 1-7 die Verse eins bis sieben in Kapitel sieben des ersten Paulusbriefes an die Korinther im Neuen Testament meint? (Laut Verlag bereits 13-jährige ...)
Zu loben ist die Sprachregelung und damit zugleich die Übersetzung von Gabriele Haefs: Die Augustinus-Zitate und Florias Anwürfe sind glaubwürdig und plausibel aufeinander abgestimmt. Aber Gaarder hat hier Eulen nach Athen getragen, ein wellenschlagendes Skandalon ist sein neues Buch nicht. Für Philosophie- oder Religionskurse in der Oberstufe eines Gymnasiums mag es ihm immerhin sehr nützlich sein, um der Gleichung 'Frömmelei = Lebensverachtung' auf die Spur zu kommen.

Weitere Besprechungen zu Werken von Jostein Gardner und Sekundärliteratur dazu siehe:
Büchernachlese-Extra: Jostein Gardner

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