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Sadomasochismus - zu diesem von den Medien immer häufiger gestreiften
Thema gelang der Londonerin Jenny Diski ein hervorragend seriöses
Romandebut. Dabei umschiffte sie keineswegs jene gefährliche Klippen,
die einer engagierten Feministin vermutlich nicht so recht
ins Blickfeld gepaßt hätten.
Rachels Leben inklusive Tochter und Ex-Ehemann ist durchorganisiert,
der Alltag klappt wie am Schnürchen. Ihr Witz und ihre
Intelligenz läßt sie Liebhaber nach den ersten Anzeichen
von klebriger Gewöhnung vor die Tür setzen.
Joshua aber setzt noch eins drauf: Er läßt sich
wochenlang nicht mehr blicken, nachdem er Rachel buchstäblich
an seine Obsessionen gefesselt hat. Mit Entsetzen stellt sie
fest, daß sie gerade die Unterwerfungsgesten zutiefst befriedigt
haben, und daß sie mehr von diesen ritualisierten
Gewalttaten an sich erleben will.
Die Aktbeschreibungen lassen keine/n kalt, aber die machen weniger
als 5% des Buches aus. Vielmehr wird die neuentdeckte Neigung
Rachels zu einem Prisma, in dem sich ihre weitaus perversere Kindheit
oder auch das Bedingungsfeld als Lehrerin für "Assoziale"
widerspiegelt. So muß sie hilflos zusehen, wie sich einer ihrer Schüler
"zwangsläufig" vom Dach einer Therapieeinrichtung stürzt.
SM ist demnach lediglich die Spiegelung einer Gesellschaft,
die an ihrer Leidenschaft für die Etikettierung vom Splitter im Auge
des Andern noch zu Grunde gehen wird.
Dieses Buch ist von der ersten bis zur letzten Zeile
in einer exzellenten sprachlichen Verfassung, die dank der
flüssig-kongenialen Übersetzung von Bettina Runge
auch voll zur Entfaltung kommen kann.
Wer keine Angst vorm schwarzen Mann haben, sondern ihn durchschauen
will, sollte die ersten zwanzig Seiten lesen - danach legt
es eh keine/r mehr aus der Hand.
Weitere Besprechungen zu Werken von Jenny Diski siehe:
Jenny Diski: Küsse und Schläge (1989)
Jenny Diski: Regenwald (1990)
Jenny Diski: Mutterkind (1992)
Jenny Diski: Esthers Traum (1994)