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Das Romandebut der Berliner Autorin Sigrun Casper erzählt von dem
schmerzhaften, keineswegs geraden Schneiden an den Nabelschnurresten, die
den Jugendlichen Toni am eigenen Gedanken fassen und umsetzen hinderten.
Ihr gelangen dabei einige sehr dichte Szenen, die so manche/n mit Gänsehaut
an die eigene, scheinbar schier unendliche Einsamkeit dieses Prozesses
erinnern werden. Nebenfiguren des Alltags können mit einem schiefen
Blick oder einem freundlichen Gruß über die nahezu manisch-depressiven
Gefühlskurven langer, sich der Uhrzeit entziehender Tage entscheiden.
Das Glück in relativ kurzer Zeit, eine billige Bude mit Außenklo
zu finden, wird erst gar nicht so sehr als Glück, denn als Anforderung
empfunden: Renovieren müssen, sich anmelden müssen bishin zum
Anbringen des Namensschildes, da dies zur Entdeckung durch den übermächtigen
Vater führen könnte. Die Konzentration auf dieses Innenwachstum
rechtfertigt aber nicht die klischeehaften Verkürzungen der elterlichen
Antriebe, Toni gehenzulassen bzw. rauszuschmeißen, nachdem er als
Abiturient das erste Mal für ein paar Tage bei einer Frau "hängengeblieben"
ist. Tagebucheintragungen wie z.B. "Probleme gehören, nicht anders als die sogenannten Gefühle,
zum Gewicht der Gedanken..." stehen auch im Widerspruch zu der Unbeholfenheit
Tonis, die in dem mit der Axt skizzierten Ursache für sein Stottern
ihren schwächsten Ausdruck findet.
Die schmalzig-poetische Tagebucheintragung zum Happy-End ist dagegen
schon viel eher nachvollziehbar. Zur Bude und dem Aushilfsjob hat ihm das
Wachsen seines Selbstbewußtseins die Sprachbehinderung überwinden
lassen. Mehr braucht es für den Augenblick wirklich nicht, um nun
zuversichtlich ins Morgen zu schauen.
Weitere Besprechungen zu Werken von Sigrun Casper siehe:
Sigrun Casper: Der Springer über den Schatten (1990)
Sigrun Casper: Gleich um die Ecke ist das Meer (1996)