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Kinder verschwinden, doch der Wachmeister Morrison unternimmt nichts - auch als er eines davon ermordet im Wald auffindet. Die einst das Zentrum bildende, inzwischen längst aufgegebene Chemiefabrik scheint ganz Innertown vergiftet zu haben - nicht nur am Leib sondern auch an der Seele. Einzig der 15-jährige Leonardo stellt Fragen, die ihn am Ende in ein trügerisches Licht führen.
Der Roman "Glister" des schottischen Autors John Burnside verstört womöglich sogar noch mehr als "A Clockwork Orange" bzw. Die Uhrwerk-Orange von Anthony Burgess.
In "Glister" hat die Brutalität in der Gleichgültigkeit ihre Wurzeln und löst eine Gewaltspirale aus, die von der Umwelt kaum kommentiert auf ihre Opfer trifft. Leonardo, hoch intelligent jedoch allein durch den spärlichen Bestand der Bibliothek von Innertown gebildet, erzählt aus seiner Perspektive eine Geschichte von seelischer Verwahrlosung, die vor nichts haltmacht, nicht einmal vor eigenen Kindern. Und von Schönheit, wo sonst keiner Schönheit entdecken kann. Dostojewskis "Schuld und Sühne" weist ihm den Weg, das jedes Tun auch über dessen Wirkung hinaus nach Erlösung in einer Sühne verlangt - doch da ist kein Erwachsener, der wirkliches Interesse an solcher Erlösung hätte. Nur einer scheint ihn wenigstens zu verstehen, doch dessen Erbarmen kennt keine Grenzen.
Die Lektüre dieses schrecklich fesselnden Buches sollte in einiger Ausgeglichenheit und am besten nur im wärmenden Sonnenschein begonnen werden - denn einmal angefangen, vermag man dieses Werk erst nach der letzten Seite wieder aus der Hand zu geben.