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Jan Peter Bremer

Der Palast im Koffer

Groteske. Gatza, Berlin 1992. 91 Seiten. ISBN: 3-928262-10-6, >>> Amazon
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Das zweite Buch von Jan Peter Bremer, DER PALAST IM KOFFER, entzieht sich jeder Etikettierung. Diese Groteske von Beckettschen Zuschnitt enthält keine Geschichte, die man nacherzählen könnte, sondern wirkt durch austauschbare Figuren, die der Leser mit eigenen Erinnerungen und Wertungen befrachten kann - oder auch nicht. Im Tonfall einer griechischen Tragödie mit ironischen Brechungen treibt der junge Berliner Autor ein Vexierspiel, in dem er eine dialogische Betrachtung zwischen "einem Reisenden" und "den Wanderen" von ein bis zwei Seiten über die nachfolgenden gut 80 Seiten immer wieder neu durcheinanderwürfelt. Der Dialog setzt sich neben den Unterschieden von Reisen und Wandern im eigentlichen und metaphorischen Sinne auch mit "der Mutter", "dem Vater" und dessen Hund auseinander. Die direkte Rede zwischen den Protagonisten wechselt in indirekte, Vater und Mutter zitierende Rede, wechselt vom bestimmenden Indikativ zum unbestimmend "möglichen" Konjunktiv, bei dem zuletzt einer auf der Strecke bleibt. Wer, das muß der Leser bestimmen, da nach Bremer jeder jedes Rolle übernehmen kann oder übernommen hat. Der Verweis auf Beckett meint auch die Möglichkeit, dieses Literatur-Stück auf der Bühne zu inszenieren. Je nach Regie könnte daraus ein Psychodrama oder eine bitterböse Satire auf das Verhältnis der Menschen zur Bewegungslosikeit werden. Der Lyrik näher als der Prosa, würde der Zuschauer in beiden Fällen zum Nachfühlen einer Aggressionsaufwallung unter Gehemmten angeleitet, verführt, gezwungen... Gehemmte, die sich, je weiter sie sich paradoxerweise auf dem einen Fleck ihrer Sprachlosigkeit voneinander entfernen, umso mehr ihre enge Verwandtschaft zueinander aufdecken. Tatsächlich ist die Rolle des Lesers vor diesem vom Verlag kongenial ausgestattetem Buch eher die eines Betrachtenden. Andy Warhols serielle Bildserien einer Monroe oder eines Mao bieten sich vielleicht zum Vergleich an: Für den einen ein Kunststück, für den anderen ein Gebrauchsstück für den dritten ein Wegwerfstück - in jedem Fall der Auseinandersetzung wert!

Weitere Besprechungen zu Werken von Jan Peter Bremer siehe:
Jan Peter Bremer: Der Palast im Koffer (1992)
Jan Peter Bremer: Der amerikanische Investor (2011)

Buechernachlese © Ulrich Karger


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