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Textenetz | Reportage: Salman Rushdie live in Berlin Ein Reportage von Ulrich Karger anläßlich einer Lesung von Salman Rusdie im "Haus der Kulturen" (Berlin) am 19. April 1999. Erstveröffentlichung: Münchner Stadtmagazin 06/99 In der Büchernachlese besprochene Titel von Salman Rushdie: |
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Am 19. April 1999 war die John-Foster-Dulles-Allee für Autos gesperrt - nein, nicht wegen Salman Rushdie, sondern wegen der feierlichen "Reichstagsgebäude"-Schlüsselübergabe an den Bundestagspräsidenten einige 100 Meter weiter. Schnell das Fahrrad an die Kette - aber dann waren wider Erwarten doch zwei Eingänge geöffnet, einer für "Presse/Gäste", einer für "Karteninhaber". Die allerersten wurden von daher noch recht zügig abgefertigt und fanden sich bereits eine Viertelstunde später vor der Sicherheitsschleuse im Innern des Gebäudes. Jetzt gab es kein Zurück mehr, sollte die Eintrittskarte nicht verfallen. Alles Metallische, von der Halskette bis zum Hosengürtel mußte auf ein Tablett, die Taschen mit Rekorder oder Photoapparaten auf den Tisch links daneben abgelegt werden. Der erwarteten Kälte am Abend standen zu der Zeit freundliche 14°C entgegen, die durch die großen Glasscheiben bis zur Hitzewallung verstärkt wurden. (Jonglieren Sie mal Ausrüstung und privateste Utensilien und halten gleichzeitig Hose, Jacke, Mütze, Schal und Handschuhe fest, ohne dabei ins Schwitzen zu geraten ...) Nachdem ich sah, wie schnell und effektiv Rushdie seine Unterschriften austeilte, tja, da konnte ich der Versuchung nicht widerstehen und habe mich mit meinem Rezensionsexemplar in der Hand auch angestellt. Vor mir ein älterer Herr, der nicht nur ein Buch, sondern auch ein Notizbuch gezückt hielt. Auf Nachfrage seiner Schlangennachbarin erzählte er stolz, daß darin schon die Unterschriften eines griechisch-orthodoxen Metropoliten, eines evangelischen Altbischofs und die von Manfred Stolpe versammelt seien. Der bekennend Ungläubige Salman Rushdie hätte sicher auch gegrinst. Im Wechsel lasen nun Salman Rushdie ein Kapitel im Original, ein Schauspieler (Name leider vergessen) ein Kapitel in der deutschen Übersetzung. Danach gab es noch eine Art Halbstundentalkshow zwischen Salman Rushdie und Roger Willemsen. (Über Kopfhörer auch in erstaunlich schneller Simultanübersetzung mitzuverfolgen.) Nun ja, Roger Willemsen bewies, daß er es international drauf hat und auch alle die kennt, die Salman Rushdie kennt. Fairerweise muß man einräumen, daß der Plot des neuen Buches nicht zuletzt die Mega-Pop-Rock-Szene aufrollt, und von daher war das diesbezügliche Zuspiel nett launiger Aperçus nicht völlig daneben. So könne Salman Rushdie mittlerweile sehr gut verstehen, wenn durch den Ruhm isolierte Rockmusiker Hotelzimmer verwüsteten. Und als er seinen sich durchaus auch als Satire verstehenden Roman konzipiert hätte, wäre Lady Di ja noch nicht tot gewesen - die Exzesse danach reichten sehr nahe an das heran, was Salman Rushdie sich bis dahin eigentlich als überzogene Fiktion erdacht hatte. Daß Salman Rushdie am Vortag Gast bei Sabine Christiansen war und sich dort leider nur sehr punktuell und überraschend undifferenziert zum NATO-Einsatz in Kosovo äußern konnte, war Roger Willemsen jedoch offenbar entgangen. Hier wäre einiges zu vertiefen gewesen, insbesondere wenn kurze Zeit vorher gemeldet wurde, daß der Bundesvorsitzende des deutschen Schriftstellerverbandes einen Kongreß zu diesem Thema vorgeschlagen hat. |
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