Das is ja wieder typisch!
Am Nikolaustag legt er uns seinen Abschied in den Stiefel.
Einfach so. Ohne Schokolade und Plätzkes, ohne ein tröstendes Wort, ja schlimmer noch, ohne veritablen Nachfolger lässt er uns Weiterlebende zurück.
Is ja nich wahr!
Er der Seher hat das natürlich alles vorher gewusst, winkte das ganze Gedöns um seinen Abschied schon ab, nachdem die Schüsse vor seinen Bug erste Treffer gelandet hatten.
Ein aufrechter Abgang am Krückstock - nicht ohne uns noch das Eine und Andere, vor allem das Andere vor Augen zu halten.
Bei der Ausstrahlung seines letzten Solo-TV-Auftritts habe ich mich meiner Tränchen in den Augen nicht geschämt und ihm während des Abspanns noch viel Leben für seine letzten Jahre gewünscht.
Nun sind's nur noch dreie, viere geworden. Nur. Immerhin. Das wissen nur er und seine Lieben, die noch weit mehr als unsereins an ihm verloren haben. Mein aufrichtiges Beileid ...
... wäre eine unehrliche Formel, wenn ich nicht zugäbe, dass es aus der Ferne eines ihn verehrenden Zuhörers, Zusehers und Lesers doch nur das Bedauern um den eigenen Verlust, die Bedrohung eines weiteren Beweises für die Endlichkeit des Lebens meinte, der hier (auch) mich noch Worte um ihn machen lässt.
Er war einer dieser Künstler, der meiner Jugend, meinen postpubertären Versuchen des ersten Erwachsenseins eine erst noch unbemerkt unaufdringliche Richtschnur war. Er hat sich in mir weit mehr festgesetzt als z.B. der seinerzeit doch ach so bedeutsame Streit um das Pro und Contra zu Stones oder Beatles.
Selbst unter den Kabarettisten hatte er ja noch mal eine ureigenere Stimme, die Links-Sein-Wollen eben nie mit neuer Angepasstheit verwechselte. Gegen den Strom schwimmen, hieß für ihn zuweilen eben auch, sich gegen alle Strömungen gleichzeitig aufrechthalten zu müssen. Es wirkte bei ihm so leicht ...
Sein Platz war zwischen den Stühlen. Kein einfacher Platz. Doch diese Position war ihm sicher, machte ihn offenbar nie wirklich unsicher.
Dafür bewunderte und liebte ich ihn schon sehr früh - überhaupt, er ist einer der wenigen, bei dem mir so ein sentimentaler Satz gar nicht sentimental vorkommt.
Er war ein großer Liebender. Alle seine Figuren, die er dem Leben abschaute und uns vorführte, mochten von ihm als "Spießer" verlacht werden - aber er hat diese Spießer nicht verachten, sondern nur für sich selbst durchschaubar machen wollen. Die meisten Spießer wollten davon zwar nichts wissen - aber mancher der "Linken" hat vielleicht nicht mehr gar so sehr daran gelitten, wenn er früher oder später den Spießer in sich selbst zugeben musste ...
Und allergrößte Provokation in diesen unseren Zeiten: Hanns Dieter Hüsch konnte sogar seelenruhig zugeben, sich auf dem Weg nach Dinslaken mit dem lieben Gott verabredet zu haben.
Schon vor Jahrzehnten.
Nicht nur während der oft von ihm besuchten und durch ihn bereicherten Kirchentage.
Dieser Fleck blieb seinen gewiss nichtsdestotrotz sehr heftig hinter ihm her trauernden Kabarett-Kollegen ein unsichtbar, unwischbares Etwas auf der Scheibe - oder fällt bei einem wie Konny W. harmlos unter "Poesie". Aber gerade er müsste ja wissen, das Poesie alles Andere als harmlos ist ...
Ich selber habe Hanns Dieter Hüsch nur kurz und am Rande seiner Wahrnehmung persönlich erleben dürfen.
Einmal per Post, als er 1989 ohne großes Aufhebens und Honorar sehr prompt einen (meines Wissens) bislang nur mündlich auf einem Kirchentag vorgetragenen Text für eine Literaturzeitschrift zur Verfügung stellte, und einmal kurz am Telefon, wo er mir wegen einer Nachfrage in bühnentauglichen Wortkaskaden eine kleine Gratisvorstellung seiner Herzlichkeit zum Besten gab.
Mit ihm zu leben, muss nicht immer leicht gewesen sein, urteilte er über sich selbst in seinen autobiographischen Texten - trotzdem oder eben deswegen war er mir für das gesellschaftspolitisch satirische Bewusstsein zur prägend väterlichen Leitfigur geworden.
Und das ist am Ende auch schon wieder ein typischer Trost à la Hüsch: Diese Prägung darf mir bis auf Weiteres Ansporn und liebe Erinnerung bleiben.
Auch dafür ein letztes Danke schön ...