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Gaudi bekommt 1908 das Angebot, auf der New Yorker Insel Manhattan einen Wolkenkratzer zu bauen. Der Kunde würde dafür im Gegenzug die Kosten für die Vollendung von Gaudis Sagrada-Familia in Barcelona übernehmen. Ein gutes Angebot?
"Gaudi in Manhattan" bietet als 59 Seiten umfassendes Bändchen der Insel-Bücherei 13 Abbildungen einer Postkartensammlung mit den sich zwischen den Jahren 1903 und 1929 durch die Baumaßnahmen wandelnden Motiven der Sagrada-Familia. Diese Abbildungen werden auf ihren 13 Rückseiten durch keinen Textkörper beeinträchtigt, so dass der Rest für mehrere Seiten mit Angaben des Impressums und last, but not least für eine Erzählung von Carlos Ruiz Zafón verbleibt. Diese Erzählung wurde höchst lesefreundlich auf Seiten mit maximal 45 Satzzeichen und 15 Zeilen verteilt, was dann zusammengenommen wiederum knapp zehn Normseiten entspricht.
Doch selbst rein auf Quantitäten bedachte Rationalität spricht noch keineswegs gegen den Erwerb dieses Buches, sind doch allein schon die historischen Abbildungen der Gaudi-Kathedrale höchst sehens- und bemerkenswert. Und mit der Erzählung, die als Parabel Gott und den Teufel auf den Plan bringt und Gaudi zu einer Entscheidung zwingt, beweist Zafon auch innerhalb einer Kurzgeschichte seine hohe Begabung für Aufbau, Dramaturgie und Sprachentfaltung.
Das ist für einen Romancier, der mit "Der Schatten des Windes" zu Recht einen Welterfolg gelandet hat, keineswegs selbstverständlich - allerdings auch nicht selbstverständlich im Hinblick seiner nun auch in deutscher Übersetzung vorliegenden, sich an die Jugend wendenden Erstlingswerke, von denen z.B. "Der dunkle Wächter" ein die Lektüre alsbald beendendes Zuviel aneinander gereihter Adjektive aufweist.
Wer sich oder anderen also mal einfach etwas Schönes gönnen will, dem kann "Gaudi in Manhattan" guten Gewissens als kleine Leselustbarkeit anempfohlen werden.