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Seit ihr Vater tot ist, lebt LaVaughn allein mit ihrer Mutter. Sie will
es als erste im Wohnblock aufs College schaffen. Neben den geforderten
guten Schulleistungen heißt es für die 14-jährige nun auch
noch nebenbei Geld zu verdienen, denn ihre Mutter kann nur geringe Rücklagen
bilden.
In der Schule hängt am schwarzen Brett ein Zettel: "Dringend Babysitter
gesucht". Jollys Kinder sind ein und drei Jahre alt. Sie selber ist erst
siebzehn und würde ihren Job in der Fabrik verlieren, wenn sie die
Kinder während der Arbeitszeit nicht bald in guter Obhut weiß.
Ein Spiegelbild ihrer Lebenssituation ist das Chaos in Jollys verdreckter
Wohnung.
LaVaughn nimmt die Herausforderung an. Sie arbeitet sogar dann noch
für Jolly, als diese ihr kein Gehalt mehr zahlen kann. Am Ende gelingt
beiden ein großer Entwicklungsschritt.
Eine packende Geschichte. Gedruckt im Flattersatz, ähnlich den
Verszeilen Homerscher Epen, läßt Virginia E. Wolff die Heldin
LaVaughn die Geschichte erzählen, "genau wie sie passiert ist,/ mit
allen Einzelheiten, an die ich mich erinnere,/ und auch ein paar Zwischenfällen,
die mir unklar sind./ Wo also irgendetwas ablief,/ ich aber nicht weiß,/
ob ich es richtig verstanden habe."
Mit dieser Perspektive gelingt der
Autorin ein punktgenauer Transport jugendlicher Wahrnehmung und Verarbeitung
von Problemstellungen, ohne je ins Moralinsaure oder Betuliche abzugleiten.
Und demnach wissen Jugendliche sehr wohl, was sie an Erwachsenen haben
können, wenn das umgekehrt genauso gilt. Ohne viele, dafür "nervend"
oft wiederholte Worte wird LaVaughn von ihrer Mutter auf die beinharte
Konsequenz des Lebens hingewiesen, dieselbe Mutter spart aber auch nicht
mit Lob und redet keinesfalls der über Leichen gehenden Konkurrenz
das Wort. Sie hält ihre Tochter an einer im Vertrauen erprobten, langen
Leine. Das bewahrt LaVaughn vor dem eigenen Absturz und gibt ihr genügend
Selbstsicherheit, um sich auf ihre innere Stimme verlassen und bereits
einiges von ihrer Stärke abgeben zu können.
Was hier nach einer allgemeingültigen Mutmach-Formel klingt, ist
in den USA jedoch offenkundig von größerer Brisanz als bei uns.
Noch. LaVaughn und Jolly leben in einem Ghetto und die zum Titel gewordene
Lebensweisheit "Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus"
hat dort ihren Resonanzboden. Aber gerade dieses Blicken über den
Tellerrand auf eine Extremsituation erhöht womöglich noch den
Reiz, eigene Ausgangspunkte und künftige Lebensziele zu hinterfragen.