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Chris Wilson

Joey Blueglass

Roman. Insel Verlag, Frankfurt a. M. 1994, 266 S., ISBN: 3-458-16602-5, >>> Amazon
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"Manche Männer können sich nicht daran erinnern, wo sie eben noch ihre Frau oder ihren Regenschirm gelassen haben. Ich dagegen kann nicht vergessen. Mein Verstand (..) hortet alles und lagert es in meinem Schädel ab."
Vor dieser Erläuterung seiner besonderen Eigenschaft, beschreibt JOEY BLUEGLASS en detail seine große Liebe und ihn übertreffende Gegenspielerin Florence, und auch die letzten Seiten dieses Buches sind Florence gewidmet - da allerdings war Joey bereits gehängt worden. Dazwischen sind die Erlebnisse eines Hochstaplers mit Sinn für Berufsehre ausgeführt, der sich nicht nur perfekt an alles erinnern, sondern dank einer besonders raffinierten Methode auch so manchen Ballast perfekt vergessen kann.
Das Garn vom betrogenen Betrüger, der zugleich ein Frauenheld ist, spinnt der Londoner Chris Wilson im England des vorigen Jahrhunderts. Mit einem geradezu blasphemisch entlarvenden Zynismus stellt er seinen Protagonisten u.a. auf eine Stufe mit Charles Dickens - nur Joey schickt gleich fingierte Bettelschreiben an seine zahlungskräftige Leserschaft, anstatt ihr über den Umweg eines Verlegers einen langatmigen Romans zuzumuten. Daß Joeys Herkunft alles andere als auf Rosen gebettet war, versteht sich von selbst, dient aber nicht zur Entschuldigung - in der Mitte des Buches hat er das außerdem längst vergessen, aber am Ende, nach seiner Hinrichtung ..., das sei hier noch nicht verraten.
JOEY BLUEGLASS ist ein Werk, das lust- und kunstvoll dem frönt, was Romane heutiger Zeit kaum noch leisten: Kurzweilig zu erfinden und zu schwindeln, das sich die Balken biegen. Ein phantastisches Lügenmärchen also, dessen satirische Kraft an Swift erinnert und in seiner Frivolität Maupassant noch übertrifft.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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