buechernachlese.de
|
Wenn sich am Ende einer Fete der "harte Kern" um den Küchentisch
schart, geht es oft sehr bald um die Befindlichkeiten eines der bereits
nach Hause gegangenen Ehepaare. Das Konstatieren seiner Unzulänglichkeiten
erzeugt ein schaurig genüßliches Wohlsein, das nur noch von
der Furcht vor einer weiteren Scheidungslücke überboten wird.
Andererseits: Ist die Ehe nicht sowieso ein Relikt überkommener Moralvorstellungen,
das längst aufs Abstellgleis gehört?
Judith S. Wallerstein befragte 50 Ehepaare, was eigentlich zu einer
glücklichen Ehebeziehung gehört. Die amerikanische Psychologin
stellte diese Untersuchung auf eine wissenschaftliche Grundlage, auch wenn
sie von vorneherein einräumen mußte, daß ein Terminus
wie "glückliche Ehe" subjektiv ist und ihre Auswahl der Befragten
alles andere als repräsentativ.
Sie sieht denn ihre Studie auch in
erster Linie als Vorstoß für weitere Untersuchungen. "Ihre"
Paare hatten zwischen den 50er und 80er Jahren geheiratet, manche auch
zum zweitenmal, sie versorgten bzw. versorgen mindestens ein gemeinsames
Kind und bezogen zum Zeitpunkt der Befragung im Durchschnitt ein Mittelschichtseinkommen.
Dabei kristallisierten sich vier "Ehemodelle" heraus: Die leidenschaftliche
Ehe, in der erotische und sexuelle Anziehung einen hohen Stellenwert hat,
die kameradschaftliche Ehe, der u.a. das Wertesystem der Frauenbewegung
zugrundeliegt, die traditionelle Ehe mit ihrer bekannten Rollenverteilung
und schließlich die Ehe als Zuflucht, in der die Partner versuchen,
z.B. die Traumatas ihrer Kindheit zu bewältigen. Desweiteren erschlossen
sich aus den Befragungen neun "Aufgaben" (Erik Erikson), denen sich
die Eheleute im Laufe der Jahre zu stellen hatten. So gelang es den Partnern
u.a. Freiräume für die Bewältigung von Konflikten zu schaffen,
ihre sexuelle Beziehung vor den Belastungen durch berufliche und familiäre
Verpflichtungen zu schützen, sich ihren Humor zu erhalten, einander
zu trösten und zu stützen sowie einen idealisierenden wie einen
realistischen Blick auf den Partner zu bewahren.
Neben den fundierten und
dennoch leicht verständlichen Erläuterungen der Autorin sind
es aber vor allem die Äußerungen der Interviewten, die einen
bis zur letzten Seite fesseln. Durch sie erfährt man u.a. hautnah
von den problematischen, weil familienfeindlichen Lebensbedingungen in
den USA, die so mancher marktwirtschaftlich orientierte Politiker auch
für unsereins anstrebt.
Kein Ratgeber, aber sicherlich ein ermutigender
Stichwortgeber für niemals sinnlose Gespräche mit den Liebsten.