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Kaspars Mutter leidet seit der Scheidung an Putzsucht und Einsamkeit. Seinem Vater fehlt der Schwung, sich eine Arbeit zu suchen, die ihm wirklich zusagt. Die Lehrerin liebt einen verheirateten Lehrer und nicht Kaspar, und Kaspars Freundin Renske hat die fixe Idee, mit der gebündelten Kraft böser Gedanken störende Leute ermorden zu können. Hätte Kaspar nicht eine (fast) hundertprozentige Methode entdeckt, seinen Mitmenschen auf die Sprünge zu helfen, wäre er mit seinen elf Jahren sicher an ihnen verzweifelt. So aber schließt Kaspar einfach die Augen, beschwört den vorteilhafteren Ausgang eines Problems und spricht zuletzt das Zauberwort 'Mosliveau' ...
Willi van Doorselaer legte im Alter von 50 Jahren mit 'ICH HEISSE KASPAR' ein von der belgischen und niederländischen Kritik hochgefeiertes Debut vor. Daß es gewiß auch hierzulande seine Liebhaber und Liebhaberinnen finden wird, dafür sorgt nicht zuletzt die souveräne Übersetzungskunst von Mirjam Pressler, die den nötigen Raum für die zahlreichen Zwischentöne zu schaffen wußte. Ganz glaubhaft denn auch, daß der 11-jährige seine Geschichte 'selber' aufgeschrieben bzw. erzählt hat. Kaspar ist nämlich u.a. 'ein schlimmer Fall von Alphabetismus', der die heimatliche Kinderbibliothek längst in- und auswendig kennt. Als der vierjährige Kaspar auf Geheiß seiner besorgte Mutter vom Arzt untersucht wird, meinte dieser am Ende: 'Ich habe eine schlechte Nachricht und eine gute. Die schlechte ist, daß Lesenkönnen unheilbar ist. Die gute ist, daß man daran nicht stirbt.'
'Ich heiße Kaspar' verhandelt weit mehr als eine Scheidungsgeschichte. Allein die Entdeckung des Zauberwortes 'Mosliveau' ist ein kleines Kabinettstück, das seinesgleichen sucht, hat es doch mit dem ehemaligen Fischhändler und anschließendem Kinderschreck Balthasar Duykelaar zu tun, der womöglich das Opfer Renskes geworden ist. Neben der Erkenntnis, daß jedes Ende auch den Keim eines Anfangs enthält, belegt es sehr eindrucksvoll, wie Kaspars umfangreiche Lektüre (nicht nur) seine Phantasie beflügeln hilft. In ihrem Gemisch aus Tragik und Situationskomik erinnert diese Geschichte eines kindlichen Alltagslebens an Salingers 'Fänger im Roggen'. Ältere LeserInnen sollten sich also nicht abhalten lassen, nur weil dieses Buch im Sortiment für Kinder steht. Für Kinder und Jugendliche jedoch, vielleicht 3, 4 Jahre älter als Kaspar, besteht trotz TV und Videospiele Suchtgefahr!