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Harald von Mendelssohn

Kierkegaard

Ein Genie in einer Kleinstadt
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1995, 305 S., ISBN: 3-608-91666-0, >>> Amazon
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KIERKEGAARD - verarmt, unverstanden und vielgehaßt

Kierkegaard - ein Name, den man zwar schon hin und wieder gehört hat, weil sich auf ihn nicht nur theologisch gebildete ChristInnen, sondern auch ein Existentialist wie Satre bezog, aber sonst ...
Harald von Mendelssohn, Jahrgang 1911, lernte das Werk K.s in den Zeiten von Flucht und Emigration schätzen - trotz einiger grundsätzlicher Vorbehalte. Nach seiner Pensionierung fand v. Mendelssohn endlich die Zeit, seine Kritik und seinen Respekt vor K.s Lebenswerk in eine nun vorgelegte Biographie einfließen zu lassen. Ausgangspunkt bildet das "biedermeierliche" Leben Anfang des 19. Jahrhunderts in Kopenhagen. Denn, so Mendelssohn, K.s Werke stehen in einem sehr unmittelbaren Zusammenhang zu den Bürgern und dem Leben in dieser Stadt, die er so gut wie nie verlassen hat. So ist das Buch in zwei Abschnitte zu teilen: Die erste Hälfte malt anekdotenreich ein Sittengemälde jener Zeit und stellt der Kindheit und Jugend K.s u.a. die des berühmten Märchendichters Hans Christian Andersen gegenüber. Während sich Andersen aus einer geheimnisvoll umwitterten ärmlichen Kindheit in die vornehmen Salons hochkämpfte und dabei immer im rechten Moment von prominenter Hand gefördert wurde, beschritt der aus wohlhabendem Hause stammende K. den diametral entgegengesetzten Weg und starb als verarmter, unverstandener und vielgehaßter Mann. Dies hatte nicht zuletzt eine Ursache: "Zeit seines Lebens vermochte er nicht, sich dem überwältigenden Einfluß seines Vaters zu entziehen ..."
Was diese über den Tod des Vaters hinausreichende Haßliebe entfesselte, ist nur anhand von Indizien und manchem verräterisch Nicht-Gesagten nachzuspüren, läßt aber Schreckliches ahnen. Das zweite Geheimnis - Geheimnisse waren offenkundig wesentliches Ingredienz jener Zeit - umgibt K.s unerfüllte Liebe zu einer Frau, deren Verlobung er ohne Angaben von Gründen kurz vor der Eheschließung löste, sich dabei aber emotional nie wirklich von ihr losgesagt hatte, wie selbst die letzten Eintragungen in seinen Tagebüchern beweisen. Dieses Geheimnis gründet zum einen auf dem ersten, dürfte aber nach Mendelssohns plausibel ausgeführten Vermutungen auch eine handfest medizinische Ursache gehabt haben. Danach hätte K. seiner Verlobten das Zusammenleben mit einem Syphelitiker erspart. Es machte also durchaus Sinn, im zweiten Abschnitt die zu K.s Lebzeiten veröffentlichte Literatur den Tagebüchern gegenüberzustellen. Aber auch darüberhinaus geht Mendelssohn in diesem Abschnitt sehr kompetent auf die inhaltliche Seite von K.s Theologie und Philosophie ein. So bewundert er zum einen K.s Komplexität, weist ihm aber auch manche schlicht falsche Prämissensetzung und den gefährlichen Hang zum Verabsolutieren nach. Völlig einig ist er sich dagegen mit K.s Gesellschaftskritik, die er, ein Däne, für Dänemark als noch heute gültig ansieht.
Harald von Mendelssohn gelang eine erstaunlich eingängige Einführung, deren Verdienst vor allem darin liegt, einmal mehr Neugier auf das Werk Kierkegaards zu provozieren.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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