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Büchernachlese-Extra: Außergewöhnliche Morduntersuchungen

Peter Straub

Reise in die Nacht

Roman. Heyne Verlag, München 1997, 656 S., ISBN 3-453-12339-5, >>> Amazon
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All der Reichtum des Verlagshauses Chancel gründet auf einen einzigen Roman. Nora Chancel hat das Buch noch nicht einmal gelesen. Nach Jahrzehnten des Erfolgs wird die Urheberschaft dieses Werks in Frage gestellt. Nora kommt nun nicht umhin, seiner Entstehungsgeschichte nachzuspüren - vor allem weil Dick Dart das Geheimnis um jeden Preis lüften will. Auf dem Polizeirevier wird Nora von ihm als Geisel genommen. Und Dick Dart, der zum Serienkiller mutierte Sohn des Verlagsanwaltes, ermordet und seziert Nora nur eines Mißverständnisses wegen nicht bei nächster Gelegenheit. Dick Darts "Untersuchungen" haben jedoch Erfolg. Sie decken die Abgründe jener Familie auf, in die Nora hineingeheiratet hat.
Peter Straub ist dem Genre nach gewöhnlich ein Nachbar von Stephen King und wurde für seine Horror- und Fantasywerke bereits des öfteren mit entsprechenden Literaturpreisen ausgezeichnet. REISE IN DIE NACHT verzichtet jedoch auf übersinnliche Effekte und bezieht seinen bis zum Ende spannungsgeladenen "Thrill" aus zwar zugespitzten, aber durchaus realistischen Motiven. Im Vordergrund stehen die taktisch genialen Winkelzüge des flüchtigen Geiselnehmers sowie das Damoklesschwert, das derweil über der von Vergewaltigung und Mord bedrohten Nora schwebt. Einige, relativ wenige Abschnitte, die Dick Darts Neigungen schildern, gemahnen in ihrer blutrünstigen Detailversessenheit an Anatomielektionen. Zartbesaitete Gemüter sollten die notfalls einfach überlesen. Wirklich unter die Haut gehen sowieso weit mehr die aberwitzigen Dialoge zwischen Dick und Nora. Das Pendeln des Opfers zwischen Abwehr und "Stockholm-Syndrom" verleiht ihnen eine atemberaubende Balance. Und was die in das Verlagshaus Chancel verwobenen Familienabgründe angeht, hat Straub offenbar mit Gewinn nichts Geringerers als Henrik Ibsens "Nora" und ihre Frauenrolle gegen den Strich gebürstet. Das hat schon was, genauso wie der zutage geförderte Zynismus im Umgang mit Autoren und ihren Werken.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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