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Robert Spaemann & Walter Schweidler (Hg.)

Ethik. Lehr- und Lesebuch

Texte - Fragen - Antworten. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2006. 560 Seiten. 29,50 Euro. ISBN: 3-608-94445-1, >>> Amazon

Ethik, insbesondere das Fragen nach einer philosophischen Ethik findet in der abendländischen Kultur seine ersten und berühmtesten Vertreter in Sokrates und Platon. Sie entwickelten in brillanten Dialogen u.a. Definitionen des Guten. Selbst der Mächtige musste demnach einsehen: "Um des Guten willen also muß man alles übrige und so auch das Angenehme tun, nicht aber das Gute wegen des Angenehmen."
Wenig später hat Aristoteles die Ethik als praktische Disziplin und somit als eigenständigen Bereich der Philosophie begründet, der sich auf die Erforschung menschlichen Handelns einlässt und nach der Gestaltung individuellen Lebens fragt. Danach betrachtet die Ethik "die Tugend nicht, um zu wissen, was sie ist, sondern um tugendhaft zu werden."

Robert Spaemann und Walter Schweidler haben ein Lehr- und Lesebuch zur philosophischen Ethik herausgegeben, das sein erstes und umfangreichstes Kapitel "Was heißt Ethik?" mit Texten der eingangs genannten Philosophen eröffnet, deren gut 2400 Jahre alte Ansätze nach wie vor von großer Relevanz sind. Ihnen folgen in chronologischer Reihenfolge Auszüge von Thomas von Aquin (Das ewige und natürliche Gesetz), Immanuel Kant (Die Pflicht), John Stuart Mill (Der Nutzen), Max Scheler (Der Wert) bis hin zu Jürgen Habermas (Der Diskurs).
Fünf weitere Themenkreise sind "Freiheit als Voraussetzung für Sittlichkeit", "Recht und Gerechtigkeit", "Glück", "Freundschaft und Liebe", "An den Grenzen der Ethik". Diesen Kapiteln sind dann jeweils vier Primärtexte zugeordnet, des Öfteren einmal mehr von Aristoteles, Thomas von Aquin und Kant sowie von Augustinus, Henri Bergson, Epikur, Johann Gottlieb Fichte, Philipa Foot, Thomas Hobbes, Gustav Radbruch, John Rawls, Jean-Paul Satre und vom Herausgeber Robert Spaemann selbst.
Allen Originaltexten wurde eine Einführung vorangestellt, die den Stellenwert zu vorausgegangenen und nachfolgenden Ansätzen sowie den Zusammenhang mit Leben und Werk des jeweiligen Philosophen - einmal auch einer Philosophin - zu beleuchten sucht.
Am Ende jedes Original- bzw. Primärtextes werden Bearbeitungsfragen gestellt, die das eigene Verständnis des gerade Gelesenen auf die Probe stellen und vertiefen helfen.
Der Anhang umfasst Anmerkungen zu den Texten, biographische Angaben zu den zitierten Philosophen, eine umfangreiche, nach Zeitalter und Tendenz sortierte Liste mit weiterführender Literatur, die Quellenangaben, die Antworten zu den Bearbeitungsfragen und stellt am Ende schließlich in Kurzbiographien auch die Herausgeber und die Autoren der jeweiligen Einführungen vor.
Dieses Lehr- und Lesebuch wendet sich zwar dem Klappentext nach an "alle Philosophieinteressierten", d.h. "an Schüler und Lehrer der Oberstufe ebenso wie an Lehrende und Studierende an Universitäten", aber das muss - wie bei jedem Klappentext - als Aussage unter merkantilen Prämissen verstanden werden. Tatsächlich fordert dieses Werk ein hohes Maß an Disziplin und Konzentration. Erstsemester eines Philosophiestudiums werden es womöglich als entscheidende Klippe wahrnehmen, die ihr Augenmerk dann doch lieber auf ein anderes Studienfach lenken lässt.
Sind im ersten Kapitel die Einführungen zu den antiken Philosophen zuweilen noch eingängiger als deren antiquierte Übersetzungen, so kippt das ab Mill ins Gegenteil und die Einführungen unterbieten die akademisch verquaste Präzision der Primärtexte anstatt mutig nach eigenen Formulierungen zu suchen, die elegant, pointiert und deshalb verständlich(er) sind. Und warum nicht auch in ein solches Werk graphische Elemente einfügen, die womöglich Eigenheiten, Schnittmengen und Unterschiede philosophischer Schemata vor Augen führen helfen könnten? Als Vorbild sei hier nachgerade auf die jüngere Publikationstradition angelsächsischer Geistes- und Naturwissenschaftler hingewiesen, die sich in der Lage sieht, durchaus komplexe Theorien einer breiteren Öffentlichkeit verständlich zu machen .. machen zu wollen.
So wirkt dieses Lehr- und Lesebuch - bei aller unbestrittenen Sachkenntnis und seinem in sich schlüssigen Aufbau - vor allem als Auslese-Hürde für einen auf Exklusivität bedachten Inneren Zirkel, und es verwundert schon sehr, dass diesem Kompendium inzwischen sogar der Deutsche Schulbuchpreis 2006 verliehen wurde. Honi soit qui mal y pense ...

Buechernachlese © Ulrich Karger


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