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Angela Sommer-Bodenburg

Hanna, Gottes kleinster Engel.

Erzählung ab 10 Jahre. Thienemann Verlag, Stuttgart - Wien 1995, 159 S., ISBN: 3-522-16924-7, >>> Amazon
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Der Plot hat was: Wolfgang muß einen Aufsatz über Engel schreiben. Von dem besten Aufsatzschreiber der Klasse erwartet der Lehrer aber etwas Besonderes. Also schreibt Wolfgang nicht über Seraphim und Cherubim, sondern über seine kleine Schwester Hanna. Denn trotz der in Sachen Herzenswärme zwischen "Kanada" und "Nordpol" pendelnden Mutter, und trotz des nie dagegen aufbegehrenden, asthmakranken Vaters versprüht Hanna bis zuletzt Lebensfreude.
Heutzutage dem Gebot der Nächstenliebe ein Buch zu widmen und dabei ganz bewußt Gott als Ansprechpartner einzuführen, hätte eine im besten Sinne provokative Geschichte werden können. Angela Sommer-Bodenburg (immerhin Autorin vom "kleinen Vampir") unterläuft dies aber mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit.
Mit der platten Begründung, daß die Mutter erst nach der Heirat von Vaters karriereverhindernden Asthma erfahren hatte, häuft die Autorin ein Klischee auf das andere, um diese Figur zum Inbegriff eines Hausdrachens werden zu lassen. Der Vater in der Rolle des feigen (und noch geizigeren) Pantoffelhelden ist zwar etwas "gebrochener", verbirgt sich doch in ihm ein verkannter Dichter, wirkt aber letztlich nur inplausibel.
Nun gut, kleine Kinder (allerdings nicht mehr die vom Verlag angegebene Zielgruppe) fühlen sich meist ihren Lebenssituationen ausgesetzt, ohne das Warum hinterfragen zu können. Und es ist wirklich herzzerreißend, mit welcher Ignoranz Hannas Bedürfnisse übergangen werden. Tatsächlich ist Hanna mit ihren lustigen Wortverdrehern und ihrer philosophischen Fähigkeit, die Brutalität ihrer Eltern auf den Punkt zu bringen, noch die lebendigste Figur. Aber sie verkommt zum Beobachtungsobjekt ihres zwar mitfühlenden, aber letztlich handlungsunfähigen Bruders. Der findet immer mehr Gefallen daran, seiner Schwester die Rolle des Engels aufzubürden, der von Gott die undankbare Aufgabe erhalten hat, ihren Eltern die Liebe beizubringen. Die beste Stelle des Buches ist denn auch die, als Hanna sich genau gegen diese Zumutung wehrt. Da hofft man noch wenigstens auf eine besondere Volte am Schluß. Aber die läßt einem das Blut in den Adern gefrieren.
Denn da geht es beim Familienausflug zum Aussichtsturm, und Hanna springt vor den Augen des Bruders samt himmlischen Gefieder: "Ja, ich kann wirklich ihre Flügel sehen. Sie sind weiß, an den Spitzen rosa und nicht sehr groß, gerade richtig für Gottes kleinsten Engel." Und mit dem letzten Satz antwortet Wolfgang dann: "Hanna? Hanna ist wieder beim lieben Gott, wo sie hingehört!"
Was will uns die Autorin damit nun sagen? Und wem? Der Ich-Erzähler Wolfgang könnte siehe Zielgruppe 13 Jahre alt sein - mit dessen Art von Zeugenschaft sollten sich die Gleichaltrigen jedoch wohl lieber nicht identifizieren. Und den jüngeren, denen man die Geschichte des schlichten Aufbaus wegen durchaus zumuten könnte, ist mit Hannas Lösung wohl auch nicht geholfen.
Man kann nur hoffen, daß dieses ungare "Produkt" einer Putten-Legende nicht einen künftigen Trend bezeichnet. Er würde selbst die biederste Trivialliteratur der 50er Jahre unterbieten!

Buechernachlese © Ulrich Karger


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