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Traum und Wirklichkeit verschmelzen in ein kaum noch unterscheidbares
Mit- und Nebeneinander. So stürzen Gibril und Saladin aus einem explodierenden
Flugzeug ins Meer ... und überleben. Sie werden zu Manifestationen von
Engel und Teufel, werden Teil und Auslöser von Katastrophen und sind
eigentlich beide nur Schauspieler - wenn es sich bei den beiden überhaupt
um zwei und nicht nur um eine einzige Person handelt, die das Phänomen
von Lieben und Geliebtwerden wie den Hasen vor der zischelnden Kobra erstarren
läßt. Dieses Lieben und Geliebtwerden steht nämlich auf
einer spannungsreichen Grundlage, wird gezogen von den Polen östlicher
und westlicher Zivilisation, Indien und England, sowie dem Wechselbad hinduistischer,
muslimischer und säkularer Traditionen. Dazu noch die Abnabelung vom
Elternhaus. Das Lächerlichmachen des übermächtigen Vaters
schützt den Sohn jedoch nicht davor, ihn auf dem Totenbett dann doch
noch bewundern zu müssen.
DIE SATANISCHEN VERSE liegen nun als preiswerte
Taschenbuchausgabe vor. Klagt der Psalmist "Mein Gott, warum hast du
mich verlassen", um zuletzt ein Loblied anzustimmen, klagt Salman Rushdie
"Mein Gott, dich kann es gar nicht geben, denn sonst könnte die
Menschheit nicht so verlogen sein", um zuletzt dann doch dem keineswegs
nur kleinsten gemeinsamen Nenner, nämlich der Liebe, eine Chance zu
geben. Was Rushdies Todfeinde offenbar so antreibt, hat demnach auch weniger
mit Blasphemie als mit der nahezu unverschlüsselten Entlarvung ihrer
dubiosen Machtspiele zu tun. Wie aber der Fabulierer Rushdie seinem traumhaft
barock geschilderten Chaos immer wieder die Zügel anlegt und der Welt
mit seinem nicht kleinzukriegenden Humor die Zunge zeigt, sollte spätestens
jetzt endlich nachgelesen werden.
Eine Reportage und weitere Besprechungen zu Werken von Salman Rushdie siehe:
Büchernachlese-Extra: Salman Rushdie