buechernachlese.de
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Manche seiner SF-Taschenbücher hat der Heyne Verlag als Hardcover bzw. "Hardliner" herausgebracht, ohne dabei das Format und die Preisgestaltung zu verändern.
So wurde auch das eine der beiden kurz hintereinander auf den Markt gebrachten Werke von Mary Rosenblum veredelt - leider das schwächere.
Der Titel DIE VERSTUMMTEN QUELLEN ist wörtlich zu nehmen. Colorado und Wyoming sind zur Wüste, das Wasser in der Columbia-Pipeline zu einem kostbaren Gut geworden. Die Bevölkerung lebt in Flüchtlingslagern, nur noch wenige Farmer können ihre Felder auf konventionelle Weise bebauen und bewässern. Nicht die Regierung, sondern das "Wassergremium" hat das Sagen. Dazwischen agiert der skrupellose PacificBioSystems-Konzern, der seine genmanipulierten Gemüsesorten sogar mit salzhaltigen Meerwasser zum Wachsen bringt, mit der Folge, daß immer mehr Land verödet. Aber die für einen "Ökothriller" gar nicht so weit hergeholten Vorgaben vermochte die Autorin nicht zu nutzen: Wer hinter allem steckt, wer wen verraten und wer wen am Ende lieben wird, ahnt man spätestens nach 100 Seiten und will es angesichts der stereotyp gezeichneten Helden dann auch gar nicht mehr so genau wissen: Das "gute" Militär einmal mehr als Spielball "böser" Politiker...
Dagegen hebt sich VIRTUELLES FLEISCH wohltuend ab. Das Zweiklassensystem ist eindeutiger denn je auch räumlich voneinander geschieden: Die Armen leben in den höchst realen Slums, während die Oberschicht die meiste Zeit im "Netz" ihr Scheindasein auskostet. Damit das "Fleisch", der physische Körper nicht zu früh verfällt oder krank wird, nutzen die Reichen einen Medizinischen Dienst, der sich zusammen mit den computergesteuerten Analysegeräten um dessen perfekte Versorgung kümmert. Dank ihrer mit dem Netz verbundenen "Überhäute" vermögen sie die Eindrücke in der Virtuellen Realität nicht nur visuell, sondern mit allen Sinnen zu genießen. Jewel Martina hat sich zu einer Angehörigen des Medizinischen Dienstes hochgearbeitet, aber nur, um möglichst bald die nächste Hürde überwinden und selbst im Netz "leben" zu können. Dazu muß sie jedoch erst noch einige Geschäfte abschließen bzw. ihren Kunden aus dem Datennetz "Pakete" anbieten, aus denen sie spezielle wirtschaftliche Prognosen und das Wissen um besonders günstige An- und Verkaufskonditionen abzulesen vermögen. Nur - die Konkurrenz schläft nicht...
Neben der plausibel hochgerechneten Zukunft auf dem Datenhighway und den sich bereits abzeichnenden Möglichkeiten der Virtual Reality bestechen diesmal auch die Charaktere. Die HandlungsträgerInnen dieser Zukunft stehen allesamt im wahrsten Sinne des Wortes unter Strom mit dem Überlebensziel, die jeweils eigene Herkunft und die jeweils eigentliche Sehnsucht zu verdrängen - eine trefflich gelungene Metapher auf Schein und Sein.