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Joachim Riedl war 15 Jahre lang Korrespondent in den USA. Mit LEERE
RÄUME, LAUTE STIMMEN legt er nun eine Quintessenz seiner Tätigkeit
vor, die kaum jemanden kalt lassen wird. Aber der Reihe nach. Ausgestattet
mit Kunstdruckpapier und dem Großformat eines Bildbandes wäre
man versucht, das Buch nach dem ersten Blättern gleich wieder beseite
zu legen. Das, was da in seiner tristen Alltäglichkeit oft nur in
schwarz/weiß und als Ausschnitt abgelichtet ist, könnte zu 90%
auch auf irgendein anderes, allerdings ziemlich verarmtes Land passen.
Das sollen die USA sein? Wenn einer über die Welt schreiben will,
muß er das schildern, was er sieht, und Riedl war offenkundig lang
genug vor Ort, um den Lack des Gegenstandes seiner Betrachtungen abzukratzen.
Seine in 7 Kapiteln zusammengefaßten Reportagen beginnen mit dem
Zusammentragen urspünglicher Intentionen und Philosophien jenes Amerika,
das noch Mitte dieses Jahrhunderts für viele als "das gelobte Land"
oder "das Land der unbegrenzten Möglichkeiten" apostrophiert
wurde. Vom "moon of Alabama" geht es dann nach Los Angeles. Als Co-Pilot
eines Helikopter-Polizisten leuchtet er die Unruheherde dieser Metropole
aus, deren Explosionskräfte erst vor kurzem weltweit bekannt wurden.
Dem folgen wiederum essayistische Glanzlichter über die US-amerikanischen
Katakomben des Todes in Texas und Memphis. Hier der Irrwitz menschlichen
"Gerechtigkeitssinns" in den Todeszellen, dort der Totenkult um
Elvis Presley, dem Riedl eine Rückblende auf das uralte Memphis in
Ägypten gegenüberstellt. Wortkaskaden, die zugleich Phil Marlowe
und Lichtenberg entsprudelt sein könnten und eben deswegen die authentischen
Zitate ins grelle, rechte Licht rücken.
Die letzten drei Kapitel sind
New York gewidmet. An zwei hypertrophen Beispielen des Kunstbusiness, Andy
Warhol und Tom Wolfe, hat die Divergenz zwischen Schein und Sein eine noch
geradezu "heitere", groteske Notation, während zuletzt der
"show down" auf die New Yorker Elendsviertel gelenkt wird. Beim
Lesen erhalten die eingestreuten Fotos nun (s. T.Wolfe) die Ausdruckskraft
messerscharf gespitzter Ausrufungszeichen, die sich einem in aller Stille
ins Herz bohren. Denn die Häme eines "hab' ich doch schon immer
gewußt" vergeht einem bei der eigenen innenpolitischen Nachrichtenlage,
wonach die USA immer noch als Vorbild gehandelt wird ...
LEERE RÄUME,
LAUTE STIMMEN von Joachim Riedl dürfte eines der aufregendsten Bücher
des Jahres sein!