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Immer schleicht er sich so an und will mitspielen. Und dauernd popelt er und steckt den Popel in den Mund. Außerdem erzählt man sich so einiges über seine Mutter. Nur die Ich-Erzählerin scheint Rainer auch von einer ganz anderen Seite kennengelernt zu haben. Rainer hatte ihre Angst vor der Kellerkatze nicht nur ernst genommen, sondern sie auch davon befreit. Er hat ihr sogar beigebracht, Spinnen zu zähmen. Doch alle anderen können ihn nicht ausstehen, und zuletzt passiert auch noch das mit Michael. Erst geht es zwischen beiden nur immer hin und her: Arschgesicht und Popelfresser. Aber als Michael Rainers Mutter eine versoffene Nutte nennt, sagt Rainer nichts mehr, sondern schlägt einfach zu. Michael fällt unglücklich auf die Bordsteinkante und muß für Wochen ins Krankenhaus. Wie kann man jetzt noch Rainers Freundin sein?
Nach dem märchenhaften 'Hund mit dem gelben Herzen' erzählt Jutta Richter nun die sehr diesseitige Geschichte aus einer Kindheit in den frühen 60ern.
Damals blieben Kinder tagsüber nur zu Hause, wenn sie einen Stubenarrest auszusitzen hatten. Ansonsten traf man sich bei jedem Wetter draußen, spielte zusammen oder langweilte sich gemeinsam. Mit den Eltern war nicht viel anzufangen. Denen ging es nur darum, was andere über sie dachten.
Beschrieben wird jenes Umfeld aus dem Blickwinkel eines namenlos bleibenden Mädchens, das lediglich so lange als 'Dieda' bezeichnet wird, als es noch zu Rainer hält. Ihre trefflich auf den Punkt gebrachten Schilderungen jener damaligen Kinderwelt geben der eigentlichen Geschichte über Ausgrenzung, Freundschaft und Verrat genau jene Authentizität, derer sie bedarf, um nicht als bloßes Lehrstück auf taube Ohren zu stoßen.
Jutta Richter erweist sich hier einmal mehr als eine formvollendete Erzählerin, und ihre Geschichte mit offenem, zur Debatte anregendem Ende ist von einer solch liebevoll präsentierten Detailgenauigkeit, daß jede Einengung auf ein festgelegtes Lesealter ihr nicht gerecht wird. So empfiehlt sich das Buch dank seiner Kürze als Ganzschrift für einen breiten Einsatz in der Schule, könnte aber auch bereits weit jüngeren Kindern, als vom Verlag angedacht, vorgelesen werden - und die vorlesenden Erwachsenen jener Generation ziehen aus diesem äußerst preisverdächtigen Buch gewiß ebenfalls großen Gewinn.
Weitere Besprechungen zu Werken von Jutta Richter
siehe:
Büchernachlese-Extra: Jutta Richter