buechernachlese.de
|
Ein Mädchen wird Klüngelliese und ihr Verhalten mutwillig genannt. Dabei hat es einen triftigen Grund zu spät in die Schule zu kommen: Eine Katze fordert es stets an der gleichen Stelle des Schulweges zu tiefsinnigen Unterhaltungen heraus. Zum Beispiel über die Ewigkeit. Oder wie man rechnen kann und die Zahlen in unseren Kopf kommen. Die Katze sagt: "Das macht sich an den Mäusen fest. An den Mäusen, die man gefressen hat."
Aber das Mädchen hat noch keine Mäuse gefressen und trotzdem Zahlen im Kopf. Und auch Mitleid für den einsamen Briefträger und für einen Mitschüler, der Mopsel genannt wird. Das versteht die Katze überhaupt nicht.
Jutta Richter hat mit "Die Katze oder Wie ich die Ewigkeit verloren habe" erneut eine zwar kurze, aber sehr dichte und zugleich vielschichtige Erzählung verfasst. Beim ersten Lesen spiegelt es die keineswegs sensationellen Erlebnisse eines Schulkindes, das sich den Normen der Erwachsenenwelt entzieht, indem es seinen Tagträumereien - Erwachsene würden sagen: Trödeleien - nachgibt. Dabei sind gerade sie der nötige Freiraum, um sich mit grundlegend philosophischen und ethischen Problemen auseinanderzusetzen. Die Katze gibt sich rational, vertritt aber letztlich nur einen egozentrischen Standpunkt, der "ewige" Gültigkeit verlangt. Daran reibt sich das Mädchen, um am Ende zwar keineswegs ihren "Mutwillen" aufzugeben, aber für einen neuen Blick auf die Interessen und Beweggründe anderer offen zu sein. Das erlaubt auch, ihr Verhalten zu ändern und in der Schule künftig pünktlich zu sein. Hier wird also keinem Abschied von der Kindheit als vielmehr einem wichtigen Entwicklungsschritt innerhalb der Kindheit nachgespürt. Die mit der Katze angesprochenen Fragen werden nicht in den Dialogen beantwortet, sondern korrespondieren mit anschließenden oder vorangegangenen Beobachtungen und Geschehnissen in der Realität. Das eröffnet automatisch ein Spannungsfeld, dass zu eigenem Bedenken und sich Dazu-Verhalten einlädt. Gerade auch zu den philosophisch-moralischen Kategorien von gut und böse, die den notwendigen Anfang für eine ethische Haltung im Zusammenleben mit anderen bilden.
Die köstlichen in schwarz-weiß-gelb gehaltenen Illustrationen von Rotraut Susanne Berner führen mit nur wenigen Strichen die Eigenarten der titelgebenden Katze vor und setzen augenzwinkernde Kontrapunkte.
Und obwohl die Heldin dieser Geschichte erst acht Jahre zählt, vermag das Buch auch weit ältere Kinder und Erwachsene zu anzuregen. Immer wieder - seiner Kürze wegen auch als Ganzschrift in der Schule.
Weitere Besprechungen zu Werken von Jutta Richter
siehe:
Büchernachlese-Extra: Jutta Richter