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Aileran ist IN DEN FÄNGEN DES FALKEN. Zwei Jahre vor der ersten
Jahrtausendwende unserer Zeitrechnung bleibt ihm nicht viel mehr, als sich
seiner Vergangenheit zu erinnern und Zeugnis über sein Leben abzulegen.
Aileran hat die Aufmerksamkeit der Inquisition erregt. Der Vorwurf der
Hexerei gründet paradoxerweise auf Ailerans rationalen Weltsicht,
in bestimmten Naturerscheinungen keine apokalyptischen Zeichen zu sehen.
Dabei teilte sein einstiger Jugendfreund und jetziger Papst Sylvester II.
diese rationale Weltsicht durchaus, ja hing ihr mit weit größerem
Zynismus an, als Aileran selbst. Trotz der Bedrohung fühlt sich Aileran
weit weniger der Inquisition als gegenüber Melisande verpflichtet,
Zeugnis abzulegen. Sie war seine große Liebe, die nur für kurze
Zeit Erfüllung und alsbald ein grausames Ende fand. Aus Gerbert wurde
Sylvester, aus Aileran der einsame "Abt" einer nur schwer zugänglichen
Felsenhöhle. Dieser Roman von Chet Raymo besticht vor allem durch
den bedächtig poetischen Sprachfluß des Ich-Erzählers Aileran,
der sich selbst in der Erinnerung an die tragischen Ereignisse seines Lebens
nicht mehr aus dem Rhythmus bringen läßt. (Kompliment auch an
den Übersetzer Hans J. Schütz!) Die zarten Liebeszeugnisse oder
die rohe, wie auch immer gerechtfertigte Gewalt werden nie plakativ in
den Vordergrund gesetzt. Es geht stets darum, das Eigentliche, die Antriebe
der beiden Männer und der Frau dazwischen auszuleuchten. Melisande
erfährt dabei nahezu die apokryphe Mittelstellung einer Sophia, die
als einzige in ihrer Liebe und Weisheit unschuldig zu bleiben vermag. Während
Gerbert seine Der-Zweck-heiligt-die-Mittel-Philosophie noch bereuen wird,
muß sich Aileran bis zu seinem Lebensende mit seiner Unentschlossenheit
auseinandersetzen. Nichts zu tun, schützt keinesfalls vor dem Schuldigwerden.
Wer will, kann hier entsprechende Parallelen zu den (fehlenden) Visionen
der anstehenden Jahrtausendwende ausmachen, man kann diesen Roman aber
auch einfach wie ein mittelalterliches Epos gleich Tristan und Isolde auf
sich wirken und von der Kraft ihrer Wörter tragen lassen.
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