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Neuerdings wird uns Japan von entsprechend "berufener" Seite
als bedrohliche Wirtschaftsmacht vorgehalten, die ihre Macht wiederum durch
geradezu paradisische Bedingungen für Unternehmer entwickeln konnte:
Niedrige Arbeitslöhne bei höheren Arbeitszeiten, unbedingte Loyalität
zur Firma usw.usf..
Dieses AUSNAHMELAND, das angeblich so ganz anders als
die anderen Länder ist, versuchte nun der Amerikaner Jonathan Rauch
während eines halbjährigen Aufenthaltes näher kennenzulernen.
Eingedenk der Parabel von den drei blinden Weisen, die einen Elefanten
betasteten und zu drei verschiedenen Ergebnissen kamen, weil der eine lediglich
den Rüssel, der zweite ein Bein und der dritte den Schwanz untersuchte,
stellte Rauch von Anfang an klar, daß das Befremden über die
Andersartigkeit Japans auf keiner anderen Grundlage beruht als das Befremden
über jedes x-beliebige Fremde: Es ist immer nur der Betrachter, der
falsche Schlüsse zieht oder ein Land wie Japan zu einem besonders
undurchschaubaren Mysterium erklärt.
Bei einem amerikanischen Betrachter
ist natürlich auch das Trauma des Krieges (Pearl Harbour) zwischen
diesen beiden Ländern nicht zu vernachlässigen. Dank seiner ausgeprägten
Gabe zur Selbstironie und dem Eingestehen des üblichen Fehlerkatalogs,
den Uneingeweihte offenbar zwangsläufig abhaken müssen, gelingen
Rauch jedoch ganz überraschende und bedenkenswerte Erkenntnisse, indem
er z.B. Übereinstimmungen zwischen den traditionellen Werten Japans
und Platons Politeia konstatiert und auch das Wirtschaftsgebaren der Japaner
westlichen Entwicklungen zuzuordnen vermag - was so fremd erscheint, gab
und gibt es bei uns also auch. Andererseits wäre nach Rauch tatsächlich
ein wechselseitiger Austausch zwischen Amerika und Japan vonnöten,
der beiden Ökonomien wichtige Impulse geben könnte: Amerikas
Wettbewerbs-Auslese kombiniert mit Japans Perfektionsanspruch wäre
demnach ein Segen für die ganze Menschheit.
DAS AUSNAHMELAND ist ein brillant mit Biß und hintergründigem
Humor vorgetragener Essay, der einem nicht nur Japan näherbringt,
sondern auch noch eine selbstkritische Analyse amerikanischer Sichtweisen
überliefert. Last, but not least besticht Rauchs sehr anschaulich
dargelegte und universal gültige Erkenntnis, daß nichts so anders
ist, wie das Andere.