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In einer Zeit, in der das Christentum mehr und mehr in den Hintergrund
westlich "zivilisierten" Alltags zu rücken scheint, erschrecken die
sich häufenden Nachrichten von Terroranschlägen, die mit der
Nichtrespektierung des Islams begründet werden. Andererseits erweckt
die bis dato ungehinderte Abschlachtung bosnischer Muslime unser aller
resigniertes Mitleid. Dann wiederum wird aus dem Iran erneut das Todesurteil
Salman Rushdies bekräftigt - im allabendlichen Viertelstundentakt
verstocken solche Meldungen zu einem Informationsbrei, der sich dann als
"gesundes" Volksempfinden eine kurze aber dafür vorurteilsreiche Bahn
zu brechen droht.
Nach allerlei dummschwätzigem oder/und plagiatsverdächtigem
Zeug bietet Rudolf Radke mit IM NAMEN ALLAHS endlich ein adäquates
Verdauungsmittel. Der Autor, der in der ZDF-Talkshow "live" nur selten
zu glänzen vermochte, erweist sich in seinem Buch als ein erstklassiger
Journalist, der profund zu recherchieren und dann diese komplexe Materie,
ohne sich zu verzetteln, kurzweilig und allgemeinverständlich zu transportieren
weiß.
Um den "Islam zwischen Aggression und Toleranz" in seiner
politischen Bedeutung sinnvoll erörtern zu können, bedarf es
natürlich zu zumindest minimaler historischer und religiöser
Grundkenntnisse: Beginnend beim Rivalentum zwischen Christentum und Islam
hin zum Leben und Wirken Mohammeds, der Bedeutung des Korans und schließlich
dem, wie die Sunna, Schia, Scharia, Umma sowie der Jihad ursprünglich
zu verstehen waren, wendet Radke dazu lediglich 33 Seiten auf, was sich
jedoch für's Erste als durchaus ausreichend erweist.
Das zweite Kapitel
stellt die unterschiedlichen Prägungen islamischer Staaten wie z.B.
des Irans, Jordaniens und Algeriens sowie von Gruppierungen wie der PLO
oder der Hamas vor. Hierin eingewoben sind dann auch die voneinander abzuhebenden
Auslegungen der Islamisten (fälschlich oft als "Fundamentalisten"
gekennzeichnet) und den nach Reformen strebenden Muslims.
Dem folgt in
RINGEN UM DIE ZUKUNFT der Ausblick auf mögliche Entwicklungen, wozu
er u.a. den ägyptischen Literatur-Nobelpreisträger Naguib Mahfouz,
den Philosophen Vittorio Hösle sowie die in Frankfurt lebende Übersetzerin
und Autorin Chérifa Magdi befragt hat. Diese Interviews sorgen für
authentische Bodenhaftung und sind zugleich das sympathische Eingeständnis,
nicht alles aus eigener selbstüberschätzender Kraft erklären
zu wollen.
Das setzt sich dann auch in dem gut 70 seitigem Anhang fort,
in dem das Manifest der PLO, die Charta der Hamas, die allgemeine Erklärung
der Menschenrechte sowie die internationalen Pakte über die u.a. bürgerlichen
und politischen Rechte nachzulesen sind.
Radke gelingt es in seinem Buch
mit so manchem Vorurteil aufzuräumen und so mancher Panikmache den
Boden zu entziehen. Seinem Plädoyer für mehr Toleranz, d.h. eben
auch mit anderen, in diesem Fall "mit Muslimen zu reden, von Mensch
zu Mensch, und nicht nur einmal" sei am Schluß nur noch um ein
Zitat Hösles bekräftigt: "Wenn die Menscheit nicht neue religiöse
Ideen entwickelt, sehe ich schwarz." Das Warum wird in diesem Buch
eindrücklich belegt.